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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Nachvollziehbare Bedarfskennzahlen? Konzepte und Indikatoren zur Abbildung des Versorgungsbedarfs

Meeting Abstract

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  • Martin Albrecht - IGES, Gesundheitspolitik, Berlin, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocPL10

doi: 10.3205/15dkvf001, urn:nbn:de:0183-15dkvf0012

Veröffentlicht: 22. September 2015

© 2015 Albrecht.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Mit dem Versorgungsstrukturgesetz („Landärztegesetz“) wurde eine Reform der ärztlichen Bedarfsplanung angestoßen, der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat in der Folge die Bedarfsplanungsrichtlinie erneuert. Seit 2013 werden Hausarztsitze kleinräumiger und auf Basis einer einheitlichen Verhältniszahl geplant, bei den Fachärzten wurde das System aus Planungsräumen und regionstypenbezogenen Verhältniszahlen neu gestaltet. Darüber hinaus werden die Verhältniszahlen gemäß der regionalen Altersstruktur angepasst. Schließlich kann bei regionalen Besonderheiten von den Vorgaben der Richtlinie abgewichen werden.

Fragestellung: Die Feststellung des Versorgungsgrades, von Über- bzw. Unterversorgung in einer Region basiert derzeit überwiegend auf historischen Arzt-Einwohner-Verhältnissen. Regionale Unterschiede im Versorgungsbedarf finden im Rahmen der Bedarfsplanung nur sehr begrenzt in Form des Demografiefaktors Berücksichtigung. Wie und anhand welcher Indikatoren lässt sich der Versorgungsbedarf abbilden und als Bestimmungsfaktor weitergehend in der Bedarfsplanung nutzen? Wie ist die aktuelle Bedarfsplanung auf Basis solcher Indikatoren hinsichtlich ihrer Bedarfsorientierung zu bewerten?

Methode: Es wurde ein Bedarfsindex entwickelt, mit dem regionale Unterschiede im medizinischen Versorgungsbedarf dargestellt werden können. Die empirische Grundlage des Index bilden Daten zur regionalen Morbidität und sozioökonomischen Situation, die nicht unmittelbar aus dem gegenwärtigen Versorgungsgeschehen abgeleitet werden. Zunächst wurden relevante Einflussgrößen mittels Faktorenanalyse identifiziert. Der quantitative Zusammenhang zwischen Faktorenunterschieden und regionalen Bedarfsunterschieden wurde anhand von bundesdurchschnittlichen altersbezogenen Ausgabenprofilen sowie regressionsanalytisch bestimmt. Für ausgewählte ärztliche Fachgruppen wurden hierbei teilweise Modifikationen vorgenommen, um stark abweichenden Altersprofilen Rechnung zu tragen. Mit dem Bedarfsindex wurden relative Unterschiede im Versorgungsbedarf zwischen den Regionen ermittelt und auf dieser Grundlage die Bedarfsorientierung der regionalen Verteilung von Arztsitzen beurteilt. Hierfür wurden die regionalen Unterschiede bei der tatsächlichen Ärztedichte und bei der aktuell geplanten Ärztedichte jeweils mit den regionalen Abweichungen beim Versorgungsbedarf gemäß Bedarfsindex verglichen.

Ergebnisse: Die Faktorenanalyse zur Identifikation der relevanten Einflussfaktoren ergab eine Verdichtung auf den Faktor Alter und Geschlecht und einen zweiten Faktor aus der Variablengruppe sozioökonomische Situation (Arbeitslosigkeit, Einkommensarmut) und Morbidität (Pflegebedürftigkeit). Zur regressionsanalytischen Bestimmung des quantitativen Zusammenhangs zwischen dem zweiten Faktor und dem Versorgungsbedarf wurde die regionale Mortalität herangezogen.

Durch die aktuellen Bedarfsplanungen würde sich – im Fall der Umsetzung – die nach der beschriebenen Methode gemessene Bedarfsorientierung der Arztsitzverteilung gegenüber der tatsächlichen Arztsitzverteilung nur sehr begrenzt verstärken. Eine spürbar größere Übereinstimmung mit den regionalen Bedarfsunterschieden ergibt sich für die geplante Verteilung der Hausarztsitze, die mittlerweile auf Basis einer bundeseinheitlichen Verhältniszahl und für verkleinerte Planungsbereiche festgelegt wird. Für eine Reihe von Fachgruppen der allgemeinen fachärztlichen Versorgung konnte hingegen kaum eine gesteigerte Bedarfsorientierung festgestellt werden.

Diskussion: Der Bedarfsindex wurde als ein grundlegender methodischer Ansatz für die Bedarfsplanung konzipiert. Fachgruppenspezifisch sind weitergehende Differenzierungen der Bedarfsermittlung denkbar, insoweit entsprechende und belastbare empirische Datengrundlagen vorliegen.

Der Bedarfsindex misst relative Unterschiede im Versorgungsbedarf zwischen den Regionen. Mit ihm lässt sich die Bedarfsorientierung der regionalen Verteilung einer gegebenen Gesamtzahl an Arztsitzen beurteilen. Als Ausgangspunkt wurde die Summe aller Arztsitze bei einem Versorgungsgrad von 100% gemäß den aktuellen Bedarfsplanungen gewählt. Die Frage, ob diese Gesamtzahl bedarfsgerecht ist, kann mit dem Bedarfsindex aber nicht beantwortet werden, hierfür fehlt eine allgemein anerkannte wissenschaftliche Methode.

Praktische Implikationen: Der Bedarfsindex wurde zum Zweck der Bedarfsplanung entwickelt. In der Praxis verwendet wurde er bislang zum Zweck des Monitorings der Veränderungen bei den Bedarfsplanungen infolge des Versorgungsstrukturgesetzes. Prinzipiell eignet sich der Ansatz auch als Grundlage für regionale Abweichungen von den Vorgaben der Bedarfsplanungsrichtlinie.