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Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2022)

25. - 28.10.2022, Berlin

Reduzierung der perioperativen sensorischen Deprivation führt zu einer reduzierten postoperativen Delirinzidenz

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Jan Busse - Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Hannover, Germany
  • Alexander Ranker - Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Klinik für Rehabilitationsmedizin, Hannover, Germany
  • Manfred Gogol - Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Unfallchirurgie, Alterstraumazentrum, Hannover, Germany
  • Emmanouil Liodakis - Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Unfallchirurgie, Hannover, Germany
  • Christian Macke - Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Unfallchirurgie, Hannover, Germany
  • Wolfgang Koppert - Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Hannover, Germany
  • Carolin Jung - Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Hannover, Germany

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2022). Berlin, 25.-28.10.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. DocAB66-979

doi: 10.3205/22dkou526, urn:nbn:de:0183-22dkou5263

Veröffentlicht: 25. Oktober 2022

© 2022 Busse et al.
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Gliederung

Text

Fragestellung: Das postoperative Delir (POD) ist eine schwerwiegende Dysfunktion des Gehirns, welche als Komplikation von operativen Eingriffen insbesondere bei vulnerablen Patientengruppen auftritt. Die schlechte Prognose, die erhöhte Mortalität und der irreversible Ressourcenverlust eines POD bei zeitgleich fehlender effektiver medikamentöser Therapie erfordert Maßnahmen einer effektiven Prävention. Interdisziplinäre und multimodale Präventionskonzepte zeigen eine gute wissenschaftliche Evidenz in der Delirprävention. Fraglich ist, ob bereits die schrittweise Implementierung einzelner Präventionselemente die POD-Inzidenz reduzieren kann. Insbesondere das vulnerable Patientenkollektiv der Alterstraumatologie erfährt perioperativ sensorische Einschränkungen, indem es auf angepasste Hilfsmittel verzichten muss. Wir untersuchten die Hypothese, ob sich durch die Reduktion der perioperativen sensorischen Deprivation (SD) die POD-Inzidenz verringern lässt.

Methodik: Es wurden 82 PatientInnen (>=70 Lebensjahre mit proximaler Femurfraktur) in einer prospektiven, aber historischen Kontrollkohorte (HK, n=40) und einer Interventionskohorte (IK, n=42) untersucht. Jede PatientIn wurde bei Aufnahme mit dem 3D-CAM-Score und bis 72h postoperativ zweimal täglich auf ein POD untersucht. In der IK behielten die PatientInnen ihre sensorischen Hilfsmittel bis zur unmittelbaren Narkoseeinleitung und erhielten diese postoperativ jeweils im Aufwachraum oder der Intensivstation zurück. Hierzu wurde zur Aufbewahrung eine Transportbox (elibox®) am Patientenbett benutzt, in der Brille, Hörgeräte und Zahnprothesen aufbewahrt wurden. Als sekundäre Variablen kalkulierten wir die Zeit von Aufnahme bis Schnitt, die OP-Dauer, die stationäre Verweildauer (LOS) und die Patientenzufriedenheit mittels Quality of Recovery (QoR)-9-Score.

Ergebnisse und Schlussfolgerung: Das mittlere Alter der HK betrug 83,8±6 vs. IK 82,6±7 Jahre (p=0,411), der Anteil Frauen betrug 65 vs. 62% (p=0,951), die Zeit von Aufnahme bis Schnitt 25,8 vs. 28,5 h (p=0,498) und die OP-Zeit 1:06 vs. 1:16 h (p=0,301). Die Zeit der SD von HK vs. IK betrug 1002 vs. 90 min (p=0,000), die POD-Inzidenz 65 vs. 40,5% (p=0,045), der LOS 7,8 vs. 11,5 d (p=0,126) und der QoR-9 12,6 vs. 15,5 Punkte (p=0,022).

Die perioperative Nutzung der patienteneigenen Hilfsmittel mittels Transportbox zur intraoperativen Aufbewahrung beim Patienten reduziert die Zeit der SD hochsignifikant. Damit assoziiert wurde über einen Zeitraum von 72 h eine signifikant reduzierte POD-Inzidenz beobachtet und eine höhere Patientenzufriedenheit gemessen. Die IK zeigte einen numerisch, aber nicht statistisch signifikanten, verlängerten LOS, der möglicherweise pandemiebedingt mit einer reduzierten Behandlungskapazität in den kooperierenden Kliniken für Geriatrie in Zusammenhang steht. Unsere Ergebnisse weisen dahin, dass die Implementation einzelner Delirpräventionselemente möglich und erfolgreich ist.