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Implantation eines Marknagels bei Patienten mit Infektpseudarthrose der Tibia – Paradigmenwechsel in der septischen Chirurgie?
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Veröffentlicht: | 25. Oktober 2022 |
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Fragestellung: In der septischen Chirurgie besteht die gängige Meinung, dass bei chronischer Osteomyelitis möglichst kein internes Osteosynthesematerial implantiert werden sollte. In den letzten Jahren finden sich jedoch zunehmend Berichte über Alternativen zu dem Gold-Standard Fixateur externe.
Wir haben bei Patienten mit Infektpseudarthrose der Tibia sowohl Gentamycin-beschichtete als auch nicht beschichtete Marknägel implantiert.
In dieser Studie wird untersucht, ob die Implantation von Tibia-Marknägeln bei chronischer Osteomyelitis erfolgreich ist, und ob es einen Unterschied hinsichtlich des Outcomes zwischen den verschiedenen Tibia-Nägeln gibt.
Methodik: Es erfolgte eine retrospektive Analyse der Pat. mit Tibia-Infektpseudarthrose, bei denen zwischen 12/2011 und 12/2019 ein Gentamycin-beschichteter Nagel (ETN) oder ein nicht beschichteter Tibia-Marknagel (UCN) implantiert wurde. Ausgewertet wurden prä-, peri- und postoperativer Verlauf.
Ergebnisse und Schlussfolgerung: Im o.g. Zeitraum erhielten 29 Pat. einen UCN und 27 Pat. einen ETN. Alle Pat. waren vielfach voroperiert inkl. mehrerer Verfahrenswechsel und lappenplastischer Defektdeckungen. 95% der Pat. (n=53) waren bereits mit einem Fixateur externe behandelt worden. Vor Nagelimplantation wurden radikale Debridements durchgeführt. Bei Nagelimplantation wurde bei 21 Pat. (38%) - trotz zuletzt steriler Proben - erneut ein Erreger nachgewiesen. Alle Pat. der UCN-Gruppe erhielten postop. eine Antibiose, jedoch nur 74% der ETN-Gruppe. Insgesamt 45% der Pat. entwickelten postop. Minor- und Major-Komplikationen, häufiger in der ETN-Gruppe (48% vs. 41%). Infekt-Reexazerbationen erlitten 20 Pat., dies häufiger in der UCN-Gruppe (38% vs. 33%). Bei 12/20 Pat. (60%) konnte eine erneute Infektberuhigung erreicht werden. Nur bei 4 Pat. trat die Exazerbation in den ersten 6 Mon. nach Nagelimplantation auf, bei 9 Pat. erst nach >12 Mon. Zum Zeitpunkt der Exazerbation war bei 10 Pat. (50%) die Pseudarthrose bereits knöchern konsolidiert, bei 4 weiteren Pat. kam es im Verlauf trotz Infektexazerbation zur Konsolidierung.
Bei 10 Pat. (50%) mit Infektreexazerbation waren die bei der Nagelimplantation entnommenen Proben steril.
50 Pat. (89%) erreichten die Vollbelastung ohne Unterschiede zwischen den Gruppen. Eine knöcherne Konsolidierung fand sich bei 48 Pat. (86%), häufiger in der UCN-Gruppe (90% vs. 78%).
Trotz einer relativ hohen Rate an postoperativen Komplikationen inklusive hohen Re-Infektraten waren die funktionellen und radiologischen Ergebnisse gut. Signifikante Unterschiede fanden sich nicht zwischen ETN und UCN. Allerdings konnten die systemischen Antibiosen beim ETN reduziert werden. Generelle Vorteile eines Nagels sind sicherlich die hohe Primärstabilität, die Weichteil-schonende Implantation sowie der Tragekomfort für den Patienten. Das septische Paradigma, dass kein internes Osteosynthesematerial bei Infekt implantiert werden darf, kann nicht uneingeschränkt stehen bleiben. Ein radikales Debridement vor Nagelimplantation bleibt zwingende Voraussetzung.