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37. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

17.09. - 18.09.2021, digital

Variable Penetranz der Schwerhörigkeit im Phänotyp des autosomal-dominant vererbten Waardenburg-Syndroms

Poster

  • author presenting/speaker Erika Watzel - UKT HörZentrum, Tübingen, Deutschland
  • Sabrina Taddeo - UKT HörZentrum, Tübingen, Deutschland
  • Philipp Gamerdinger - UKT HörZentrum, Tübingen, Deutschland
  • Thore Schade-Mann - UKT HörZentrum, Tübingen, Deutschland
  • Marcus Müller - UKT HörZentrum, Tübingen, Deutschland
  • Hubert Löwenheim - UKT HörZentrum, Tübingen, Deutschland
  • Barbara Vona - UKT HörZentrum, Tübingen, Deutschland
  • corresponding author Anke Tropitzsch - UKT, Tübingen, Deutschland

37. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). sine loco [digital], 17.-18.09.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. DocP16

doi: 10.3205/21dgpp31, urn:nbn:de:0183-21dgpp316

Veröffentlicht: 28. Oktober 2021

© 2021 Watzel et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Erblich bedingter Hörverlust wird nach dem klinischen Phänotyp klassifiziert, einschließlich des Vererbungsmusters, auffälliger körperlicher Untersuchungsergebnisse und audiologischer Merkmale, die auf nicht-syndromale oder syndromale Formen der Schwerhörigkeit hindeuten können, sowie nach dem Genotyp, der durch kausale Varianten in den mit Hörverlust assoziierten Genen bestimmt wird.

Bei vielen Syndromen ist der Hörverlust das erste klinische Symptom und tritt in variabler Penetranz auf.

Dies soll am Beispiel des Waardenburg-Syndroms dargestellt werden:

Das Waardenburg-Syndrom (WS) ist ein genetisch heterogenes Syndrom, das sowohl autosomal-rezessiv als auch dominant vererbt wird. WS verursacht Pigmentstörungen der Haut, der Iris und der Haare, Gesichtsdysmorphien sowie eine variable Schallempfindungsschwerhörigkeit.

Es gibt vier WS-Typen, die sich in ihren Merkmalen unterscheiden: WS1 und WS2 kommen am häufigsten vor und haben einen autosomal-dominanten Erbgang. Die Vererbung von WS4 und WS3 kann autosomal-rezessiv, aber auch autosomal-dominant sein.

Material und Methoden: In einer großen Kohorte schwerhöriger Probanden, mit einer vermuteten genetischen Ätiologie, wurde über einen Zeitraum von acht Jahren (2011–2020) eine Sequenzierung für Schwerhörigkeitsgene durchgeführt. Soweit möglich wurden Segregationsanalysen bei Familienmitgliedern durchgeführt und die audiologischen Phänotypen bei den Indexpatienten und deren Familienmitgliedern analysiert.

Ergebnisse: Bei 7 Patienten wurde eine genetische Diagnose in einem mit dem für das Waardenburg-Syndrom assoziierten Gene PAX3 (n=2), EDNRB (n=2), SOX10 (n=1), MITF (n=2) gefunden.

In zwei Familien mit insgesamt 3 Betroffenen wurde das Waardenburg- Syndrom mit autosomal-dominantem Vererbungsmodus nachgewiesen (1xPax3 und 2xMITF) und es konnte eine Segregationsanalyse erfolgen.

In der ersten Familie war der Sohn von einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit beidseits betroffen, der Vater aber normalhörig. Die Mutation (Pax3) segregierte mit dem normalhörigen Vater.

In der zweiten Familie waren zwei der drei Kinder von einer einseitigen Ertaubung betroffen, wohingegen die Mutter, mit der die Mutation (MITF) segregierte, lediglich unter einer einseitigen tieftonbetonten Schwerhörigkeit leidet. Beide Eltern der Mutter sind gehörlos. Hier steht die Segregationsanalyse derzeit noch aus.

Diskussion: Der Phänotyp des autosomal dominant vererbten Waardenburg-Syndroms ist sehr variabel. Die Ursachen hierfür sind noch nicht vollständig bekannt.

Fazit: Auch bei negativer Familienanamnese sollte an einen autosomal-dominant vererbten syndromalen Hörverlust gedacht werden.


Text

Hintergrund

Erblich bedingter Hörverlust wird nach dem klinischen Phänotyp klassifiziert, einschließlich des Vererbungsmusters, auffälliger körperlicher Untersuchungsergebnisse und audiologischer Merkmale, die auf nicht-syndromale oder syndromale Formen der Schwerhörigkeit hindeuten können, sowie nach dem Genotyp, der durch kausale Varianten in den mit Hörverlust assoziierten Genen bestimmt wird.

Derzeit sind 123 Gene bekannt, die mit nicht-syndromaler Schwerhörigkeit assoziiert sind [1] und über 600 erbliche Syndrome, die Schwerhörigkeit als Teil der klinischen Symptomatik beinhalten [2].

Bei vielen dieser Syndrome ist der Hörverlust das erste klinische Symptom und tritt in variabler Penetranz auf. Auch das variable Auftreten der beteiligten Symptome ist lange bekannt [3].

Dies soll am Beispiel des Waardenburg-Syndroms dargestellt werden:

Das Waardenburg-Syndrom (WS) ist ein genetisch heterogenes Syndrom, das sowohl autosomal-rezessiv als auch dominant vererbt wird. WS verursacht Pigmentstörungen der Haut, der Iris und der Haare, Gesichtsdysmorphien sowie eine variable Schallempfindungsschwerhörigkeit wahrscheinlich durch Pigmentanomalien an der Stria vascularis [4].

Es gibt vier WS-Typen, die sich in ihren Merkmalen unterscheiden: WS1 und WS2 kommen am häufigsten vor und folgen einem autosomal-dominanten Erbgang. Die Vererbung von WS4 kann autosomal-rezessiv, aber auch autosomal-dominat sein.

Material und Methoden

In einer großen Kohorte schwerhöriger Probanden, mit einer vermuteten genetischen Ätiologie, wurde über einen Zeitraum von acht Jahren (2011–2020) eine Sequenzierung für Schwerhörigkeitsgene durchgeführt.

Bei 7 Patienten wurde eine genetische Diagnose in einem mit dem für das Waardenburg-Syndrom assoziierten Gene PAX3 (n=2), EDNRB (n=2), SOX10 (n=1), MITF (n=2) gefunden. Soweit möglich wurden Segregationsanalysen bei Familienmitgliedern durchgeführt und die audiologischen Phänotypen bei den Indexpatienten und deren Familienmitgliedern analysiert.

Ergebnisse

In unseren Patienten (n=7) wurden 4 der bekannten 6 Gene (PAX3, SOX10, MIFT, EDNRB, EDN3, SNAI2) [5], die mit dem Waardenburg-Syndrom assoziiert sind, gefunden (Abbildung 1 [Abb. 1]).

In zwei Familien mit insgesamt 3 Betroffenen wurde das Waardenburg-Syndrom mit autosomal-dominantem Vererbungsmodus nachgewiesen (1xPAX3 und 2x MITF).

In der ersten Familie ist der Sohn von einer kongenitalen, an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit beidseits betroffen, der Vater aber normalhörig. Die Hautveränderungen sind nur minimal im Sinne leichter Pigmentstörungen an den Unterarmen vorhanden. Die Mutation (PAX3) segregierte mit dem normalhörigen Vater.

In der zweiten Familie sind zwei der drei Kinder von einer einseitigen Ertaubung betroffen, ebenfalls ohne auffällige Pigmentveränderungen der Haut, wohingegen die Mutter, mit der die Mutation (MITF) segregierte, lediglich unter einer einseitigen geringgradigen tieftonbetonten Schwerhörigkeit leidet. Beide Eltern der Mutter sind gehörlos. Hier steht die Segregationsanalyse allerdings noch aus (Abbildung 2 [Abb. 2]).

Diskussion

Sowohl der Phänotyp als auch der Genotyp des Waardenburg-Syndroms ist sehr variabel. Die Ursachen hierfür sind noch nicht vollständig bekannt.

In unserer Untersuchung der Familien wird die variable Penetranz der Erkrankung in Bezug auf die Schallempfindungsschwerhörigkeit deutlich.

Fazit

Auch bei negativer Familienanamnese sollte an einen autosomal-dominant vererbten syndromalen Hörverlust gedacht werden und dementsprechende genetische Untersuchungen eingeleitet werden.


Literatur

1.
Azaiez H, Booth KT, Ephraim SS, Crone B, Black-Ziegelbein EA, Marini RJ, Shearer AE, Sloan-Heggen CM, Kolbe D, Casavant T, Schnieders MJ, Nishimura C, Braun T, Smith RJH. Genomic Landscape and Mutational Signatures of Deafness-Associated Genes. Am J Hum Genet. 2018;103(4):484-97. DOI: 10.1016/j.ajhg.2018.08.006 Externer Link
2.
Parker M, Bitner-Glindzicz M. Genetic investigations in childhood deafness. Arch Dis Child. 2015;100(3):271-8. DOI: 10.1136/archdischild-2014-306099 Externer Link
3.
Apaydin F, Bereketoglu M, Turan O, Hribar K, Maassen MM, Günhan O, Zenner HP, Pfister M. Waardenburg-Syndrom. Eine heterogene Erkrankung mit variabler Penetranz [Waardenburg syndrome. A heterogenic disorder with variable penetrance]. HNO. 2004;52(6):533-7. DOI: 10.1007/s00106-003-0938-3 Externer Link
4.
Read AP, Newton VE. Waardenburg syndrome. J Med Genet. 1997;34(8):656-65. DOI: 10.1136/jmg.34.8.656 Externer Link
5.
Song J, Feng Y, Acke FR, Coucke P, Vleminckx K, Dhooge IJ. Hearing loss in Waardenburg syndrome: a systematic review. Clin Genet. 2016;89(4):416-25. DOI: 10.1111/cge.12631 Externer Link