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Wirksamkeit der DELPHIN-Therapie bei schwerem Stottern
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Veröffentlicht: | 30. August 2017 |
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Gliederung
Zusammenfassung
Hintergrund: Die D.E.L.P.H.I.N.- (Deblockierungsimpuls, Entspannung, Logopädie, Phonetik, Hör-Wahrnehmungstraining, Intensität, nasaler Schwingungsakzent) Therapie ist eine komplexe Therapie für schwerst stotternde junge Menschen, die flüssiges Sprechen zum Ziel hat [1]. In einer dreiwöchigen Intensivphase in kleinen, altershomogenen Gruppen sollen die Betroffenen eine Sprechtechnik erlernen und zu Hause durch die ständige Anwendung in wenigen Wochen so verinnerlichen, dass daraus schließlich ein normal klingendes Sprechen resultiert.
Material und Methoden: 56 Patienten im Alter von 8-36 Jahren, im Mittel 15,3 ± 6,4 Jahre (Median 13,0 Jahre) wurden bei der prospektiven Studie eingeschlossen. Die Stotterrate und die längsten 3 Stotterereignisse wurden in Videoaufnahmen von Interviews und Lesetexten zu 4 Zeitpunkten und 3 Telefonanrufen zu Hause bestimmt. Die Beurteilung der Lebensqualität durch die Teilnehmer und ihre Eltern erfolgten anhand des SDQ (strength and difficulties questionnaire [2]) vor und ein Jahr nach der Therapie und des Fragebogens zum Sprechen (FzS [3]) zweimal vor der Therapie und zweimal nach der Therapie.
Ergebnisse: Die Lebensqualität verbesserte sich laut Angaben durch die Teilnehmer /deren Eltern im SDQ signifikant (von 11.7 ± 5.4 / 10.7 ± 7.4, auf 8.5 ± 5.2 / 8.9 ± 7.7) ebenso wie die subjektive Beurteilung der Beeinträchtigung durch das Stottern im FzS (von 106.08 ± 24.19 auf 66.28 ± 23.88). Die Stotterrate und die längsten 3 Stotterereignisse verringerten sich beim Vergleich der Werte vor der Therapie und 1 Jahr nach der Therapie für jede der 3 Aufnahmearten.
Diskussion: In Deutschland ist die Wirksamkeit für die Kasseler Stottertherapie [4] und das Lidcombe Programm für Vorschulkinder [5] belegt. Mittels rückblickender Patientenbefragung stellten sich Stottermodifikation und Fluency Shaping als günstigste Vorgehensweise heraus [6]. Unsere Daten belegen, dass auch mit der Fluency Shaping Therapie von Frau Schütz eine erhebliche Reduktion der Stottersymptome und der Belastung durch das Stottern erreicht wird.
Fazit: Unsere Studie zeigt, dass auch ein Jahr nach der Durchführung der D.E.L.P.H.I.N.-Therapie in der Hand von Frau Schütz eine Verbesserung der relevanten Endpunkte vorliegt. Die Wirksamkeit der Therapie bei anderen Therapeut*innen bleibt abzuwarten.
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Hintergrund
Für die Therapie bei Stottern werden unterschiedlichste Methoden eingesetzt, allerdings liegen für die wenigsten Therapieverfahren Studien vor, die deren Wirksamkeit untersucht hätten. In Deutschland ist die Wirksamkeit für die Kasseler Stottertherapie [4] und das Lidcombe Programm für Vorschulkinder [5] belegt. Mittels rückblickender Patientenbefragung stellten sich Stottermodifikation und Fluency Shaping als günstigste Vorgehensweise heraus [6]. Im Kindesalter sind die Aussichten für eine Therapie am günstigsten. Bei erwachsenen Stotternden kann in der Regel keine Heilung mehr in Aussicht gestellt werden.
Für ältere Kinder und Jugendliche, bei denen immer noch ein schweres Stottern vorliegt, hat Frau Sabine Schütz aus der Therapie von Marlies Siefken in Hamburg eine komplexe Therapie weiterentwickelt, die flüssiges Sprechen zum Ziel hat [1].
Das Akronym D.E.L.P.H.I.N.- steht für Deblockierungsimpuls, Entspannung, Logopädie, Phonetik, Hör-Wahrnehmungstraining, Intensität und nasaler Schwingungsakzent. In einer dreiwöchigen Intensivphase in kleinen, überwiegend altershomogenen Gruppen sollen die Betroffenen eine Sprechtechnik erlernen und zu Hause durch die ständige Anwendung in wenigen Wochen so verinnerlichen, dass daraus schließlich ein normal klingendes Sprechen resultiert. Bisher stand ein Wirksamkeitsnachweis aus.
Material und Methoden
56 Patienten im Alter von 8–36 Jahren, im Mittel 15,3 ± 6,4 Jahre (Median 13,0 Jahre) wurden bei der prospektiven Studie eingeschlossen. Es handelte sich um sämtliche Teilnehmer, die zwischen dem 01.01.14 und dem 15.02.2015 die Intensivtherapie durchliefen. 3 Patienten beendeten die Therapie vorzeitig.
Die Stotterrate und die längsten 3 Stotterereignisse wurden in Videoaufnahmen von Interviews und Lesetexten zu 4 Zeitpunkten (im Intervall vor Beginn der intensiven Therapie, zu Beginn und am Ende der Intensivtherapie und 1 Jahr nach der Intensivtherapie) und in 3 Telefonanrufen zu Hause (im Intervall vor der Intensivtherapie sowie 2-mal nach der Intensivtherapie) bestimmt. Die Beurteilung der Lebensqualität durch die Teilnehmer und ihre Eltern erfolgte anhand des SDQ (strength and difficulties questionnaire, [2]) vor und ein Jahr nach der Therapie und des Fragebogens zum Sprechen (FzS, [3]) zweimal vor der Therapie und zweimal nach der Therapie.
Für die Bewertung der Ergebnisse wurden die Teilnehmer in 4 Gruppen eingeteilt, anhand des Geschlechts und des Alters (bis 17 Jahre, 17 Jahre und älter).
Mittels R V. 3.3.1 wurden deskriptiv Mittelwerte und Standardabweichungen für die 4 primären Endpunkte berechnet. Für den Vergleich der Werte vor Beginn der Therapie und ein Jahr nach der Therapie wurde unter Berücksichtigung aller Zeitpunkte für das Alter, das Geschlecht und die Prüfmethode mittels linearer gemischter Regression adjustiert und nach Bonferroni korrigiert. Wir erhielten ein positives Votum der Ethikkommission der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz.
Ergebnisse
Die Stotterrate und die längsten 3 Stotterereignisse verringerten sich beim Vergleich der Werte vor der Therapie und 1 Jahr nach der Therapie für jede der 3 Aufnahmearten signifikant. Abbildung 1 [Abb. 1] zeigt die erwartete Stotterrate für männliche Jugendliche unter 17 Jahren im Zeitverlauf. Abbildung 2 [Abb. 2] gibt die mittlere Länge der drei längsten Stotterereignisse im Zeitverlauf wieder. Ältere Probanden zeigten etwas ausgeprägtere Symptome, weibliche etwas schwächere. Die Entwicklung wurde gleich modelliert.
Die Lebensqualität verbesserte sich laut Angaben durch die Teilnehmer /deren Eltern im SDQ signifikant (von 11.7 ± 5.4 / 10.7 ± 7.4 vor der Therapie auf 8.5 ± 5.2 / 8.9 ± 7.7 ein Jahr nach der Therapie) ebenso wie die subjektive Beurteilung der Beeinträchtigung durch das Stottern im FzS (von 106.08 ± 24.19 vor der Therapie auf 66.28 ± 23.88 ein Jahr nach der Therapie).
Diskussion
Stottern kann die Lebensqualität stark beeinflussen, die Schul- und Berufslaufbahn behindern. Diese Kommunikationsstörung führt auch zu einem häufigeren Auftreten von psychiatrischen Erkrankungen wie einer sozialen Phobie [7]. Daher scheint eine frühe Therapie wünschenswert. Es werden unterschiedlichste Erfolgsraten berichtet, wobei kurzfristige Erfolge von langfristigen unterschieden werden müssen. Die Wahrscheinlichkeit einer Remission hängt auch vom Alter ab. Andrews und Harris [8] berichteten von einer Remission von 42% bis zum 6. Lebensjahr und von 79% bis zum 16. Lebensjahr. Nach der Pubertät wird eine Remission unwahrscheinlicher.
Dass eine intensive Therapie wirksamer ist als eine niederfrequente, konnte mehrfach gezeigt werden [9], [10].
Die hier untersuchten Patienten hatten alle schon Therapieerfahrung, mehr als die Hälfte mehrere Therapien, ohne dass eine ausreichende Besserung hatte erreicht werden können. Bei allen Teilnehmern und dem begleitenden Elternteil war der Leidensdruck so hoch, dass eine Bereitschaft für eine 24-tägige Intensivtherapie und anschließendes Weiterüben zu Hause zumindest zu Beginn der Therapie bestand.
Fazit/Schlussfolgerung
Unsere Daten zeigen, dass auch ein Jahr nach der Durchführung der D.E.L.P.H.I.N.-Therapie in der Hand von Frau Schütz eine Verbesserung der relevanten Endpunkte vorlag. Die Wirksamkeit der Therapie bei anderen Therapeut*innen bleibt abzuwarten.
Literatur
- 1.
- Schütz S. D.E.P.H.I.N. – ein anderer Ansatz in der Stottertherapie: flüssig sprechen von Anfang an. Forum Logopädie. 2008;22:22-5.
- 2.
- Woerner W, Becker A, Friedrich C, Klasen H, Goodman R, Rothenberger A. Normierung und Evaluation der deutschen Elternversion des Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ): Ergebnisse einer repräsentativen Felderhebung [Normal values and evaluation of the German parents' version of Strengths and DIfficulties Questionnaire (SDQ): Results of a representative field study]. Z Kinder Jugendpsychiatr Psychother. 2002 May;30(2):105-12. DOI: 10.1024//1422-4917.30.2.105
- 3.
- Cook S. Development of a questionnaire to determine psychosocial impact of stuttering for children and adolescents. Logos. 2013;21:79-105.
- 4.
- Euler HA, von Gudenberg AW, Jung K, Neumann K. Computergestützte Therapie bei Redeflussstörungen: Die langfristige Wirksamkeit der Kasseler Stottertherapie (KST). Sprache Stimme Gehör. 2009;33(4):193-202. DOI: 10.1055/s-0029-1242747
- 5.
- Lattermann C, Euler HA, Neumann K. A randomized control trial to investigate the impact of the Lidcombe Program on early stuttering in German-speaking preschoolers. J Fluency Disord. 2008 Mar;33(1):52-65. DOI: 10.1016/j.jfludis.2007.12.002
- 6.
- Euler HA, Lange BP, Schroeder S, Neumann K. The effectiveness of stuttering treatments in Germany. J Fluency Disord. 2014 Mar;39:1-11. DOI: 10.1016/j.jfludis.2014.01.002
- 7.
- Craig A, Blumgart E, Tran Y. The impact of stuttering on the quality of life in adults who stutter. J Fluency Disord. 2009 Jun;34(2):61-71. DOI: 10.1016/j.jfludis.2009.05.002]
- 8.
- Andrews JG, Harris MM. The syndrome of stuttering. London: Spastics Society Medical Education and Information Unit, in association with William Heinemann Medical Books; 1964. (Clinics in developmental medicine; 17).
- 9.
- Bothe AK, Davidow JH, Bramlett RE, Franic DM, Ingham RJ. Stuttering treatment research 1970–2005. II. Systematic review incorporating trial quality assessment of pharmacological approaches. Am J Speech Lang Pathol. 2006;15:342–52. DOI: 10.1044/1058-0360(2006/032)
- 10.
- Laiho A, Klippi A. Long- and short-term results of children's and adolescents' therapy courses for stuttering. Int J Lang Commun Disord. 2007 May-Jun;42(3):367-82. DOI: 10.1080/13682820600939028