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33. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Regensburg, 22.09. - 25.09.2016

Dysphagie in der Pädiatrie

Vortrag

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Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 33. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Regensburg, 22.-25.09.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocV10

doi: 10.3205/16dgpp28, urn:nbn:de:0183-16dgpp289

Veröffentlicht: 8. September 2016

© 2016 Kraus et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: In der Dysphagiologie bei Erwachsenen hat sich in den letzten Jahren ein standardisiertes Verfahren für Schluckuntersuchungen bewährt. Dieses Verfahren wird unter den einzelnen Fachdisziplinen kontrovers diskutiert. Die pädiatrische Dysphagiologie wird ebenfalls durch unterschiedliche Fachrichtungen abgedeckt. Ein standardisiertes Verfahren hat sich noch nicht etabliert. Zentren mit unterschiedlichen Fachdisziplinen diagnostizieren und betreuen Kinder mit einer weiten Bandbreite von Grunderkrankungen. In der Literatur sind nationale Daten hierzu nur spärlich zu finden.

Material und Methoden: In der Abteilung für Pädaudiologie und Phoniatrie werden in Zusammenarbeit mit der Kinderklinik der Universität in Würzburg etwa 30–50 Schluckuntersuchungen pro Jahr bei Säuglingen und Kleinkindern durchgeführt. Es wird für jeden kleinen Patienten ein individuelles Diagnoseprotokoll erstellt. Grundlage bildet ein erfahrenes Team aus Phoniatern und Logopäden in Kombination mit für Kinder geeignetem technischem Equipment. Die Eltern werden nach entsprechender Aufklärung in die Untersuchung mit einbezogen.

Ergebnisse: Wichtig für eine korrekte Indikationsstellung zur apparativen Diagnostik ist die prädiagnostische Differenzierung zwischen einer Dysphagie und einer Fütterstörung. Die meisten dieser Kinder sind Frühgeborene oder motorisch entwicklungsverzögerte Kinder ohne eine weitere wesentliche Grunderkrankung. Inzwischen zeichnet sich neben den neuronalen- und entwicklungsbedingten Schluckstörungen allerdings ab, dass viele Kinder mit Schluckbeschwerden auch unter erheblichen Refluxbeschwerden leiden, welche allerdings nur zum Teil mit einer pH-Metrie und Ösophago-Duodenoskopie quantifiziert werden können Außerdem weisen viele der Kinder eine Störung in der oralen Entwicklungsphase auf.

Fazit: Nach Meinung der Autoren gibt es viele Kliniken, die Untersuchungen bei Säuglingen und Kleinkindern durchführen. In der Literatur finden sich hier zu wenige Daten, so dass es insgesamt eine zu geringe Diskussion über das Verfahren und die Ergebnisse der pädiatrischen Dysphagiologie gibt. Insbesondere die phoniatrische Beteiligung in diesem Bereich ist wenig ausgeprägt. Phoniatrisch und hals-nasen-ohrenärztliche Fachkenntnisse sind in der pädiatrischen Dysphagiologie aber unabdingbar. Die Autoren möchten mit ihrem Vortrag, anhand ihrer etablierten Verfahren und der Ergebnisse, zu diesem Thema eine kontroverse Diskussion anregen um die pädiatrische Dysphagiediagnostik in der Phoniatrie weiter voranzubringen


Text

Hintergrund

In der Dysphagiologie bei Erwachsenen hat sich in den letzten Jahren ein standardisiertes Verfahren für Schluckuntersuchungen bewährt. Dieses Verfahren hat sich interdisziplinär durchgesetzt und wird in der Literatur unter den einzelnen Fachdisziplinen kontrovers diskutiert. Die pädiatrische Dysphagiologie wird ebenfalls durch unterschiedliche Fachrichtungen abgedeckt. Ein interdisziplinäres standardisiertes Verfahren hat sich noch nicht etabliert. Dies ist nach Meinung der Autoren hauptsächlich drauf zurückzuführen, dass im Rahmen der nur sehr spärlich betriebenen Kontroverse kaum auf die Unterschiede im Patientenkollektiv eingegangen wird.

Aus den Standarddiagnoseverfahren, wie sie im Positionspapier der dGPP [1] aus 2015 (Flexible Endoskopische Schluckuntersuchung, FESU) oder aus dem Langmore [2] Protokoll (Flexible Endoskopische Evaluation des Schluckens, FEES®) bekannt sind, lassen sich für die pädiatrische Dysphagiediagnostik im Baukastensystem einzelne Bestandteile ableiten. Dabei haben sich aus der großen Bandbreite an Grunderkrankungen in Zentren mit unterschiedlichen Fachdisziplinen unterschiedliche Verfahrensweisen entwickelt. In der Literatur sind nationale Daten hierzu nur wenig zu finden.

Material und Methoden

In der Abteilung für Pädaudiologie und Phoniatrie werden in Zusammenarbeit mit der Kinderklinik der Universität in Würzburg etwa 30–50 Schluckuntersuchungen pro Jahr bei Säuglingen und Kleinkindern durchgeführt. Es wird für jeden kleinen Patienten ein individuelles Diagnoseprotokoll erstellt. Grundlage bildet ein erfahrenes Team aus Phoniatern und Logopäden in Kombination mit für Kinder geeignetem technischem Equipment. Die Eltern werden nach entsprechender Aufklärung in die Untersuchung mit einbezogen. Die Untersuchung basiert auf einer ausführlichen Anamnese, einer HNO-ärztlichen Untersuchung sowie einer klinisch beobachtenden Schluckdiagnostik. Je nach Vorliegen einer kindlichen Fütterstörung, einer manifesten Dysphagie oder klinischen Anzeichen für Refluxbeschwerden werden nach einem entsprechenden Gespräch mit den Eltern eine transnasale flexible Laryngoskopie und ggf. auch eine Endoskopie des oberen Ösophagus durchgeführt. Hierfür wird ein „chip-on-the-tip“ Endoskop mit einem distalen Durchmesser von 2,6 mm verwendet. Die Eltern sind bei der Untersuchung stets anwesend. Das Kind sitzt bei einem Elternteil auf dem Schoß. Durch das interdisziplinäre Team kann während der Endoskopie entschieden werden, ob Speiseboli gegeben werden können. Dies erfolgt stets unter liegendem Endoskop.

Ergebnisse

Wichtig für eine korrekte Indikationsstellung zur apparativen Diagnostik ist die prädiagnostische Differenzierung zwischen einer Dysphagie und einer Fütterstörung. Die meisten dieser Patienten sind Frühgeborene oder motorisch entwicklungsverzögerte Kinder ohne eine weitere wesentliche Grunderkrankung. Häufig sind die Schluckbeschwerden in neuro-zerebralen Ursachen zu finden. Inzwischen zeichnet sich neben den neuronalen- und entwicklungsbedingten Schluckstörungen allerdings ab, dass viele Kinder mit Schluckbeschwerden auch unter erheblichen Refluxbeschwerden leiden, welche allerdings nur zum Teil mit einer pH-Metrie und Ösophago-Duodenoskopie quantifiziert werden können.

2015 konnte in der Phoniatrie der HNO-Klinik Würzburg bei 37 Kindern eine FESU durchgeführt werden. Davon waren 16 Kinder unter 12 Monate alt. Insgesamt waren die Kinder zwischen 2 Monaten und 10 Jahren alt. Bei 5 Kindern lag eine Frühgeburtlichkeit mit einem Geburtsgewicht von unter 1.200 g der Dysphagie zugrunde. 6 Kinder hatten eine syndromale Grunderkrankung. Bei 2 Kindern lag eine ein bzw. beidseitige Recurrensparese vor. Außerdem gab es Kinder mit Muskeldystropie, einem Astrozytom oder einer Zungengrundzyste.

Alle Untersuchungen konnten ohne vorzeitigen Abbruch durchgeführt werden. Für eine ruhige Untersuchungsatmosphäre wurde Sorge getragen. Die Akzeptanz der Eltern war durchweg vorhanden. Komplikationen durch die Endoskopie oder die FESU wurden nicht beobachtet. Bei einem Kind konnte eine Aspiration für alle dargebotenen Qualitäten verifiziert werden. Es erfolgte eine PEG Anlage sowie die Einleitung einer altersangepassten Therapie. Eine Tracheotomie wurde kontrovers diskutiert. Die Indikation konnte unter Berücksichtigung aller Faktoren letztendlich nicht gestellt werden. Alle Kinder hatten eine Störung der oropharyngealen Phase bei vorverlagerten, z.T. neuronal nicht ausreichend gereiften Triggerzonen. Bei 90% der Patienten waren klinische Zeichen eines laryngopharyngealen Refluxes zu sehen.

Diskussion und Fazit

Nach Meinung der Autoren gibt es viele Kliniken, die Untersuchungen bei Säuglingen und Kleinkindern durchführen. In der Literatur finden sich hier zu wenige Daten, so dass es insgesamt eine zu geringe Diskussion über das Verfahren und die Ergebnisse der pädiatrischen Dysphagiologie gibt. Insbesondere die phoniatrische Beteiligung in diesem Bereich ist wenig ausgeprägt. Die Schluckdiagnostik in der Pädiatrie ist kein Novum. Phoniatrisch und hals-nasen-ohrenärztliche Fachkenntnisse sind in der pädiatrischen Dysphagiologie aber unabdingbar. Die Autoren möchten mit ihrem Vortrag, anhand ihrer etablierten Verfahren und der Ergebnisse, zu diesem Thema eine kontroverse Diskussion anregen um die pädiatrische Dysphagiediagnostik in der Phoniatrie weiter voranzubringen. Wichtig ist eine korrekte Darstellung einer möglicherwiese zugrunde liegenden Erkrankung. Aus Sicht der Autoren ist die Untersuchung nach einer entsprechenden Aufklärung und Einbeziehung der Eltern gut durchführbar. Nach erfolgreicher, durch die FESU angepasster Therapie, konnten inzwischen alle Kinder voll oralisiert werden.


Literatur

1.
Arens C, Herrmann IF, Rohrbach S, Schwemmle C, Nawka T. Position paper of the German Society of Oto-Rhino-Laryngology, Head and Neck Surgery and the German Society of Phoniatrics and Pediatric Audiology - Current state of clinical and endoscopic diagnostics, evaluation, and therapy of swallowing disorders in children. GMS Curr Top Otorhinolaryngol Head Neck Surg. 2015;14:Doc02. DOI: 10.3205/cto000117 Externer Link
2.
Langmore SE, Schatz K, Olsen N. Fiberoptic endoscopic examination of swallowing safety: a new procedure. Dysphagia. 1988;2(4):216-9.