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25. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

12.09. - 14.09.2008, Düsseldorf

Zum Einfluss von Alter, Beruf, Diagnose und Geschlecht auf den VHI-12

Vortrag

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Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 25. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. Düsseldorf, 12.-14.09.2008. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2008. Doc08dgppV50

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/dgpp2008/08dgpp68.shtml

Veröffentlicht: 27. August 2008

© 2008 Gonnermann et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Einleitung: Die Übertragung des VHI in eine einheitliche deutsche Konsensfassung erfolgte 2003; eine verkürzte Version des Fragebogens mit 12 Items (VHI-12) wurde nach Faktorenanalyse erstellt. Für die praktische Anwendung können die Summenwerte des VHI-12 in Schweregrade klassifiziert werden. In der vorliegenden Studie soll der Einfluss der Determinanten Alter, Beruf, Diagnose und Geschlecht auf den VHI-12 geprüft werden.

Material und Methoden: Mit dem VHI-12 wurden 495 Patienten (30% weiblich und 70% männlich; 7 bis 80 Jahre) mit Dysphonien verschiedener Ursache erstmalig untersucht und die erhobenen Werte einer multiplen linearen Regressionsanalyse unterzogen.

Ergebnisse: Für die Variablen Alter, Beruf und Diagnose wurde ein signifikanter Einfluss festgestellt. Demnach zeigten sich besonders in der mittleren Altersgruppe (40- bis 59-Jährige) höhere Werte des VHI-12 und damit eine subjektiv schlechtere Selbsteinschätzung der Stimmleistung im Vergleich zu jüngeren und älteren Patienten. Weiterhin wurde beobachtet, dass Patienten in Berufen mit Stimmanforderung geringere VHI-12 Werte aufwiesen als in Berufen mit weniger oder keiner Stimmanforderung. Darüber hinaus konnte belegt werden, dass mit zunehmendem Schweregrad einer Stimmstörung ein höherer Wert des VHI-12 zu erwarten ist. Demgegenüber wurde für den VHI-12 zwischen männlichen und weiblichen Patienten kein Geschlechtsunterschied gefunden.

Schlussfolgerung: Aus den Ergebnissen resultiert, den VHI-12 hinsichtlich der Faktoren Alter und Beruf zu spezifizieren bzw. zu modifizieren. So sollten altersbedingte Veränderungen der Stimme bzw. eine altersabhängige Belastung sowie ein höherer Schulungsgrad der Stimme in Berufen mit hoher Stimmanforderung in der Bewertung berücksichtigt werden.


Text

Einleitung

Zur Selbsteinschätzung der Stimme durch den Patienten hat sich der Voice Handicap Index (VHI) bewährt [1]. Die Übertragung des VHI in eine einheitliche deutsche Konsensfassung erfolgte 2003 [2]; eine verkürzte Version des Fragebogens mit 12 Items (VHI-12) wurde nach Faktorenanalyse erstellt [3]. Für die praktische Anwendung können die Summenwerte des VHI-12 in Schweregrade klassifiziert werden. Im Folgenden interessierte die Frage, ob die Determinanten Alter, Beruf, Diagnose und Geschlecht mit dem stimmbezogenen Messverfahren VHI-12 assoziiert sind. In der vorliegenden Studie wurde der Einfluss dieser Faktoren auf den VHI-12 geprüft.

Material und Methoden

Mit dem VHI-12 wurden 495 Patienten (30% weiblich und 70% männlich; 7 bis 80 Jahre) mit Dysphonien verschiedener Ursache erstmalig untersucht. Die unterschiedlichen Diagnosen wurden in Gruppen zusammengefasst und die erhobenen Werte einer multiplen linearen Regressionsanalyse unterzogen (Tabelle 1 [Tab. 1]).

Ergebnisse

Für die Variablen Alter, Beruf und Diagnose wurde ein signifikanter Einfluss festgestellt. Demnach zeigten sich besonders in der mittleren Altersgruppe (40- bis 59-Jährige) höhere Werte des VHI-12 und damit eine subjektiv schlechtere Selbsteinschätzung der Stimmleistung im Vergleich zu jüngeren und älteren Patienten (Tabelle 2 [Tab. 2]).

Der Beruf zeigte ebenfalls einen Einfluss auf den VHI-12. Es wurde beobachtet, dass Patienten in Berufen mit Stimmanforderung geringere VHI-12 Werte aufwiesen als in Berufen mit weniger oder keiner Stimmanforderung (Tabelle 3 [Tab. 3]).

Darüber hinaus konnte belegt werden, dass mit zunehmendem Schweregrad einer Stimmstörung ein höherer Wert des VHI-12 zu erwarten ist. In allen Diagnosekategorien ließen sich signifikante Unterschiede bezüglich der Referenzgruppe der Normalstimmen nachweisen (Tabelle 4 [Tab. 4]). Funktionelle Dysphonien zeigten einen 4,35 und neurogene Dysphonien einen um 11,90 höheren Wert im VHI-12.

Demgegenüber wurde für den VHI-12 zwischen männlichen und weiblichen Patienten kein Geschlechtsunterschied gefunden (Tabelle 5 [Tab. 5]).

Diskussion

Mit zunehmendem Alter verändert sich die Stimme und ihre Leistungsfähigkeit innerhalb des allgemeinen Involutionsvorganges, wobei Zeitpunkt und Ausmaß sehr unterschiedlich sein können [4]. Dieser Aspekt begründet vermutlich die höheren Werte des VHI-12 im Vergleich zu den jüngeren Patienten. Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangten Costa et al. [5] und beobachteten in einer Studie an älteren Probanden, dass ab dem Alter von 60 Jahren eine Verschlechterung der subjektiven Zufriedenheit mit der Stimme vorlag. Weiterhin unterliegen Berufe wie Sänger und Schauspieler besonderen stimmlichen Anforderungen, die mit dem VHI-12 nicht erfasst werden. In der vorliegenden Untersuchung zeigten Patienten in Berufen mit hoher Stimmanforderung durchweg niedrigere Werte im VHI-12. Kürzlich wurde eine modifizierte Version des VHI-10 für Sänger vorgestellt [6], die den unterschiedlichen Voraussetzungen durch spezielle Aussagen für die Sängerstimme gerecht wird. Aus den Ergebnissen resultiert, auch den VHI-12 hinsichtlich der Faktoren Alter und Beruf zu spezifizieren bzw. zu modifizieren. Altersbedingte Veränderungen der Stimme bzw. eine altersabhängige Belastung sowie ein höherer Schulungsgrad der Stimme in Berufen mit hoher Stimmanforderung sollten in der Bewertung mit dem VHI-12 berücksichtigt werden.

Nach vorliegender Studie zeigten verschiedene Diagnosen von Dysphonien unterschiedliche Werte im VHI-12 im Vergleich zu den Normalstimmen. Diese Beobachtung bestätigt den Störungseindruck bei verschiedenen Ursachen von Dysphonien in der praktischen Arbeit – insbesondere bei neurogenen Dysphonien. Auch Amir et al. [7] unterstützten diese Aussage. Interessant ist auch die Erkenntnis, dass funktionelle Dysphonien auf eine ähnlich hohe subjektive Beeinträchtigung im VHI-12 hindeuteten wie die Gruppe der Entzündungen/Gewebsveränderungen und subepithelialen Läsionen. Für das Geschlecht hingegen konnte kein Unterschied festgestellt werden. Es wird davon ausgegangen, dass Männer und Frauen ihre Stimmstörung als gleich empfinden. Zu diesem Ergebnis kamen auch Weigelt et al. [8]. Damit kann der VHI-12 für Männer und Frauen gleichermaßen interpretiert werden.


Literatur

1.
Jacobson BH, Johnson A, Grywalski C, Silbergleit A, Jacobson G, Benninger M. The Voice Handicap Index (VHI): Development and Validation. Am J Speech Lang Pathol. 1997:6:66-70.
2.
Nawka T, Wiesmann U, Gonnermann U. Validierung des Voice Handicap Index (VHI) in der deutschen Fassung. HNO. 2003;51:921-9.
3.
Nawka T, Gonnermann U. Stimmstörungsindex (SSI). Aktuelle phoniatrisch-pädaudiologische Aspekte 2003/2004, Gross, M. (Hrsg.). Median Verlag; 2003. S. 375-9.
4.
Wendler J, Seidner W, Eysoldt U. Lehrbuch der Phoniatrie und Pädaudiologie. Stuttgart, New York: Georg Thieme Verlag; 2005. S. 94.
5.
Costa H, Matia C. Vocal impact on quality of life of elderly female subjects. Brazilian Journal of Otorhinolaryngology. 2005;71:172-8.
6.
Murry T, Zschommler A, Prokop J. Voice Handicap Index in Singers. J Voice. 2008. [Epub ahead of print]
7.
Amir O, et al. Applying the Voice Handicap Index (VHI) to dysphonic and nondysphonic Hebrew Speakers. J Voice. 2006;20:318-24.
8.
Weigelt S, et al. Voice Handicap Index – Instrument zur Bestimmung der subjektiven Beeinträchtigungen durch organische und funktionelle Dysphonien. HNO. 2004;52:751-6.