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20. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGPP Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

12. bis 14.09.2003, Rostock

Der Berliner Arbeitskreis für Hörscreening bei Neugeborenen (BAHN): erste Ergebnisse des Berliner Modellprojektes

Poster

  • corresponding author Manfred Gross - Klinik für Audiologie und Phoniatrie, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin, Fabeckstr. 62, 14195 Berlin, Tel.: 030-8445 2435, Fax: 030-8445 6855
  • Karsten Nubel - Klinik für Audiologie und Phoniatrie, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin, Fabeckstr. 62, 14195 Berlin, Tel.: 030-8445 6829
  • Ovidiu König - Klinik für Audiologie und Phoniatrie, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin, Fabeckstr. 62, 14195 Berlin, Tel.: 030-8445 6828
  • Maria Elisabeth Spormann-Lagodzinski - Klinik für Audiologie und Phoniatrie, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin, Fabeckstr. 62, 14195 Berlin, Tel.: 030-8445 6841

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 20. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGPP. Rostock, 12.-14.09.2003. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2003. DocP13

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/dgpp2003/03dgpp054.shtml

Veröffentlicht: 12. September 2003

© 2003 Gross et al.
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Zusammenfassung

Im Berliner Arbeitskreis für Hörscreening bei Neugeborenen (BAHN) wurde ein interdisziplinäres Konzept entwickelt, für das Mitte 2002 die Einarbeitungsphase begann. Beteiligt sind die Fachgebiete Gynäkologie und Geburtshilfe, HNO-Heilkunde, Pädiatrie, Phoniatrie und Pädaudiologie sowie der öffentliche Gesundheitsdienst, vertreten durch die Hörberatungsstellen der Gesundheitsämter. Nach der Geburtenrate der Einrichtungen geordnet, wurden sukzessive durch einen Sponsor die ersten 7 von 21 Krankenhäusern mit Screeninggeräten ausgestattet. Damit waren 54% aller Neugeborenen der stationären Entbindungen ab August 2002 erfassbar. Eine intensive Geräteschulung wurde durch den Gerätehersteller sichergestellt. An dem Kontrollscreening in Praxen sind flächendeckend für ganz Berlin HNO-Fachärzte und Pädiater beteiligt. Informationen über das Hörscreening stehen im Bereich der Schwangerenvorsorge an allen geburtshilflichen Einrichtungen zur Verfügung. Das Follow-up wird aus Datenschutzgründen durch das DZH sichergestellt. In der Einarbeitungsphase lag die Recall-Rate um 4% (Screening bds. auffällig) und bei einseitigem Screening dagegen deutlich höher (ca. 8-10%). Von 2454 an die Testzentrale gemeldeten Neugeborenen wurde bei 1 Kind mit einer craniofazialen Fehlbildung, 1 Kind mit peripartaler CMV-Infektion und 3 Kindern ohne assoziierte Erkrankungen eine Hörstörung zwischen der 3. Lebenswoche bis 4. Lebensmonat gesichert. Seit Mai 2003 sind weitere Kliniken mit Geräten ausgestattet worden. Dadurch sind 88,6% der stationären Geburten erfassbar.


Text

Einleitung

Hörstörungen sind die häufigste sensorische Beeinträchtigung des Menschen. Etwa 5% aller dauerhaft hörgestörten Menschen sind Kinder. In Deutschland sind ca. 1,2 von 1000 Neugeborenen von permanenten Hörstörungen betroffen. Das durchschnittliche Diagnosealter liegt je nach Hörstörungsgrad bei 2 bis 6 Jahren [1], [2], [3]. Die Grundlagen für ihre Hör-Sprachentwicklung erwerben Kinder in den ersten zwei bis vier Lebensjahren. Seit langem wird daher die Etablierung eines universellen Neugeborenen-Hörscreenings gefordert. Ziel eines solchen Screenings ist die frühestmögliche Diagnose und daran unmittelbar anschließende Therapie bzw. Rehabilitation von Hörstörungen.

Seit 2001 existiert das Gemeinschaftsprojekt zur flächendeckenden Früherfassung (Diagnostik/Therapie/Erziehung) aller hörgeschädigten Neugeborenen im Land Berlin. Im Berliner Arbeitskreis für Hörscreening bei Neugeborenen (BAHN) haben sich die Fachgebiete Gynäkologie und Geburtshilfe, HNO-Heilkunde, Pädiatrie, Phoniatrie und Pädaudiologie sowie der öffentliche Gesundheitsdienst, vertreten durch die Hörberatungsstellen der Gesundheitsämter, zusammengeschlossen. Für dieses interdisziplinäre Konzept begann Mitte 2002 die Einarbeitungsphase.

Zusätzlich wurde mit Unterstützung durch einen Sponsor eine Fachambulanz für auditiv-verbale Therapie eingerichtet. Für die Projektberatung zur „Auditiv-verbalen Frühtherapie/Erziehung" konnte Frau S. Schmid-Giovannini vom Internationalen Beratungszentrum für Eltern hörgeschädigter Kinder in Meggen/Schweiz gewonnen werden.

Methode

Auf der Basis des Deutschen Konsenspapiers zum Neugeborenen-Hörscreening wird an sämtlichen Geburtskliniken in Berlin ein erstes Screening mittels otoakustischer Emissionen vorgenommen. Das Berliner Screeningprogramm ist dreistufig aufgebaut [Abb. 1]. Auf Stufe 1 findet ein universeller Neugeborenen-Hörtest in der jeweiligen Entbindungsklinik in den ersten Tagen nach der Geburt statt. Es erfolgt ein Eintrag ins Vorsorgeheft. Ist das Ergebnis unklar, erhalten die Eltern ein Informationsblatt mit Adressen der Einrichtungen, bei denen in Stufe 2 ein Kontrollscreening innerhalb von 2-4 Wochen vorgenommen werden kann. Für den Fall, dass auch dieses Kontrollscreening auffällig ist, erfolgt in Stufe 3 eine exakte Hörschwellenbestimmung in einer entsprechend ausgestatteten Institution. Bestätigt sich der Verdacht auf eine Hörstörung, soll unmittelbar die Frühtherapie eingeleitet werden. Ein Dokumentationsbogen als 3-fach-Durchschreibsatz gewährleistet die Meldung an die Follow up-Zentrale, die Einlage in das Vorsorgeheft sowie die Dokumentation in den Patientenakten der Einrichtungen. Damit sichergestellt ist, dass Kinder, die beim ersten Screening, Kontrollscreening oder bei der exakten Schwellenbestimmung auffällig waren, der weitergehenden Diagnostik bzw. Therapie sofort zugeführt werden, ist ein Follow up-Programm eingerichtet worden, das ggf. auch ein Tracking gewährleistet.

Ergebnisse und Diskussion

Nach der Geburtenrate der Einrichtungen geordnet, wurden seit 2002 sukzessive durch einen Sponsor (Lions Club) die ersten 7 von 21 Krankenhäuser in Berlin mit Screeninggeräten ausgestattet. Damit waren 54% aller Neugeborenen der stationären Entbindungen ab August 2002 erfassbar. Bei Übergabe des Gerätes unterschrieben die Kliniken eine Verpflichtungserklärung zur Teilnahme an dem Berliner Follow up-Programm. Eine intensive Geräteschulung wird durch den Gerätehersteller sichergestellt. Hospitationsmöglichkeiten werden in der Klinik für Audiologie und Phoniatrie angeboten.

An dem Kontrollscreening sind neben der phoniatrisch-pädaudiologischen Fachdisziplin flächendeckend für ganz Berlin niedergelassene Fachärzte beteiligt. Derzeit können 38 HNO-Fachärzte und 8 Fachärzte für Kinderheilkunde ein Kontrollscreening vornehmen. Die Mitarbeit im Arbeitskreis steht allen Kollegen offen, die ein Erstscreening, Kontrollscreening oder eine exakte Schwellenbestimmung durchführen können.

Informationen über das Hörscreening stehen im Bereich der Schwangerenvorsorge an allen geburtshilflichen Einrichtungen einschließlich der Geburtshäuser und Entbindungspraxen zur Verfügung. Allen stationären und nichtstationären Entbindungseinrichtungen sowie den Kontrollscreeningeinrichtungen wird ein Poster mit Informationen zum Neugeborenen-Hörscreening in Berlin angeboten.

In der Einarbeitungsphase lag die Recall-Rate um 4% (Screening bds. auffällig) und bei einseitigem Screening dagegen deutlich höher (ca. 8-10%).

Von 2454 in der Einarbeitungsphase 2002 an die Testzentrale gemeldeten Neugeborenen wurden bei 1 Kind mit einer kraniofazialen Fehlbildung, 1 Kind mit peripartaler CMV-Infektion und 3 Kindern ohne assoziierte Erkrankungen die Diagnose einer Hörstörung zwischen der 3. Lebenswoche bis zum 4. Lebensmonat gesichert.

Seit Mai 2003 sind weitere Kliniken mit Geräten ausgestattet worden. Dadurch sind derzeit 88,6% der stationären Geburten erfassbar. Das Follow-up wird aus Datenschutzgründen auf Empfehlung des Datenschutzbeauftragten beim Berliner Datenschutz durch das DZH sichergestellt.


Literatur

1.
Gross M, Finckh-Krämer U, Spormann-Lagodzinski ME (1999) Deutsches Zentralregister für kindliche Hörstörungen: Bilanz nach den ersten zwei Jahren. Deutsches Ärzteblatt 96 Heft 1-2:A-45-50
2.
Finckh-Kramer U, Spormann-Lagodzinski M, Gross M (2000) German registry for hearing loss in children: results after 4 years. Int J Pediatr Otorhinolaryngol. Dec 1;56(2):113-27
3.
Finckh-Krämer U, Spormann-Lagodzinski ME, Nubel K, Hess M, Gross M (1998) Wird die Diagnose bei persistierenden kindlichen Hörstörungen immer noch zu spät gestellt? HNO 46:598-602