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Weichteil-Tuberkulose am Oberschenkel? – eine Fokussuche
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Veröffentlicht: | 28. April 2016 |
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Anamnese: Initial erfolgte die Vorstellung des 16jährigen unbegleiteten Flüchtlings aus Guinea mit einer Schwellung lateral am rechten Oberschenkel. Der Patient wurde in dem Bereich bei Verdacht auf ein posttraumatisches „infiziertes Hämatom“ über ein Jahr an einer auswärtigen Klinik mehrfach operiert. Schließlich wurde kulturell aus der Wunde überraschend Mycobacterium tuberculosis nachgewiesen und der Patient zu uns überwiesen. Der Patient wirkte ansonsten gesund, insbesondere bestanden keine rezidivierenden oder schweren Infektionen. Eine Tuberkulose-Exposition war anamnestisch nicht zu erheben.
Diagnostik: Auf der Suche nach einer Knochentuberkulose im Becken- oder Rückenbereich fiel auf einem auswärtigen Röntgenbild des Thorax ohne Hinweis für Lungentuberkulose ein Sinterungswirbel im Bereich BWK 12/LWK 1 auf. Im MRT zeigte sich eine Spondylodiszitis BWK 12 und LWK 1 mit ausgeprägten Senkungsabszessen auf den Mm. psoas beidseits, rechts ausgeprägter als links.
Therapie und Verlauf: Unter einer 4-fach tuberkulostatischen Therapie (ATT) mit Rifampicin, Isoniazid, Ethambutol und Pyrazinamid bei pansensiblem Isolat bildeten sich die Abszesse über die folgenden 6 Monate nicht zurück, sondern dehnten sich nach 7 Monaten weiter aus. Es zeigten sich im Verlauf am Rücken schmerzhafte fluktuierende Flüssigkeitsansammlungen subkutan. Nach erster Punktion und Drainage der Abszesse sammelte sich erneut Flüssigkeit subkutan in den Abszesshöhlen. Es kam zu einer spontanen Fistelung nach außen. Daraufhin wurden zwei Langzeitdrainagen angelegt, die initial wochenlang mehrere Hundert ml pro Woche förderten, so dass schließlich eine kurzfristige Steroidtherapie erfolgte. Hierunter dann nach insgesamt 8 Wochen keine weitere Reakkumulation von Abszessflüssigkeit. In den Kulturen aus dem Abszessmaterial waren keine Tuberkuloseerreger mehr kultivierbar, die PCR war initial allerdings noch positiv. Die ATT wurde über insgesamt 12 Monate durchgeführt und gut vertragen.
Diskussion: Der Tuberkulose kommt durch zunehmende Migration in deutschen Kinderkliniken wieder mehr Bedeutung zu. Fortbildungsanstrengungen sind notwendig, um das vielgestaltige Krankheitsbild wieder bekannt zu machen. In diesem Fall zeigte sich eine nicht ungewöhnliche Manifestation einer tuberkulösen Spondylodiszitis mit Senkungsabszessen mit einem ungewöhnlich komplizierten Verlauf, der ein individuelles Management erforderte. Beratend waren die Mitglieder des pädiatrischen Tb- Netzwerkes hilfreich, eine internationale Expertengruppe von Forschern und Klinikern, denen an dieser Stelle unser Dank gilt. (Kontakt: ptbnet@googlegroups.com)