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57. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie

Deutsche Gesellschaft für Handchirurgie

22. - 24.09.2016, Frankfurt am Main

Das Lumbricalis plus-Syndrom als seltene Ursache für ein paradoxes Finger-Streckphänomen – Fallbericht und Literaturanalyse

Meeting Abstract

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  • corresponding author presenting/speaker Eva Glauser - Universitätsspital Basel, Basel, Switzerland
  • Andreas Gohritz - Universitätsspital Basel, Basel, Switzerland
  • Dirk Schaefer - Universitätsspital Basel, Basel, Switzerland

Deutsche Gesellschaft für Handchirurgie. 57. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie. Frankfurt am Main, 22.-24.09.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. Doc16dgh028

doi: 10.3205/16dgh028, urn:nbn:de:0183-16dgh0281

Veröffentlicht: 20. September 2016

© 2016 Glauser et al.
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Gliederung

Text

Fragestellung: Hintergrund: Die Musculi lumbricales beugen die Grundgelenke und strecken Mittel- und Endgelenke der Finger, anatomische Besonderheit ist der Ansatz an der tiefen Beugesehne. Durch Beugesehnenverletzungen, z. B. Durchtrennung mit nachfolgender Längenänderung oder Verklebung nach Quetschtrauma, tritt bei versuchter Fingerbeugung ein Lumbricalis plus-Phänomen mit paradoxer Fingerstreckung ein.

Methodik: Wir präsentieren einen seltenen Fall mit langem Verlauf und zeigen eine Analyse der insgesamt nur 30 Fälle, die in der Literatur beschrieben wurden.

Ergebnisse: Fallbericht: Ein 26-jähriger Handwerker erlitt durch ein massives Quetschtrauma der linken Hand eine Metacarpale IV-Köpfchenfraktur. Nach Plattenosteosynthese wurde ein funktionell störendes Streckphänomen des benachbarten Kleinfinger beim Faustschluss festgestellt, das zu 3 weiteren erfolglosen Operationen führte. Die Neurolyse und Vorverlagerung des Nervus ulnaris im Sulcus links, eine Beugesehnenrevision und Synovialektomie im Bereich des Kleinfingers brachten keinerlei Befundverbesserung, ebesowenig wie zahlreiche konservative Therapieversuche mit Schienen und Übungsbehandlungen. Erst nach knapp 4 Jahren wurde die Diagnose eines Lumbricalis plus-Fingers gestellt. Um eine willentliche Fingerstreckung des Patienten auszuschliessen, war eine probatorische sonographie-gesteuerte N. radialis-Blockade erfolgt. Nach Resektion des Musculus lumbricalis IV links kam es zu einer deutlichen Befundbesserung mit aktiver Beugung im Grundgelenk von 90°, nach zusätzlicher Tenolyse von FDP und FDS V im Bereich zweier Voroperationen am distalen Unterarm links war die Beugefähigkeit des Kleinfingers zum Faustschluss nahezu wieder vollständig möglich. Eine rasche Berufswiedereingliederung wurde eingeleitet.

Ähnlich wie in unserem Fall, zeigt die Literaturanalyse, dass das Lumbricalis Plus Syndrom häufig nach banalen Verletzungen auftritt wie Kontusionen oder Beugesehnenverletzungen, in unserem Fall verzögerte sich die Diagnosefindung aufgrund unsinniger Operationen und konservativen Therapien bis endlich die Lumbricalisresektion stattfand und das Problem löste.

Schlussfolgerung: Obwohl das Lumbricalis Plus Syndrom eher selten auftritt, sollte es von jedem Handchirurg als Ursache für posttraumatische Bewegungsstörungen der Finger im Hinterkopf behalten werden, um betroffenen Patienten unsinnige Therapien und Operationen mit langen Ausfallzeiten zu ersparen.