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123. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie

Deutsche Gesellschaft für Chirurgie

02. bis 05.05.2006, Berlin

Aktivierung vagaler Hirnstammkerne nach Gabe des Neurotoxins Capsaicin während des postoperativen Ileus bei der Maus

Meeting Abstract

  • corresponding author M.H. Müller - Chirurgische Klinik der LMU München-Großhadern, Deutschland
  • D. Kampitoglou - Klinik für Allgemeine Chirurgie der Universität Tübingen, Deutschland
  • J. Glatzle - Klinik für Allgemeine Chirurgie der Universität Tübingen, Deutschland
  • J. Hahn - Klinik für Allgemeine Chirurgie der Universität Tübingen, Deutschland
  • D. Grundy - Department of Biomedical Science, University of Sheffield, UK
  • M.E. Kreis - Chirurgische Klinik der LMU München-Großhadern, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Chirurgie. 123. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. Berlin, 02.-05.05.2006. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2006. Doc06dgch5114

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/dgch2006/06dgch703.shtml

Veröffentlicht: 2. Mai 2006

© 2006 Müller et al.
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Gliederung

Text

Einleitung: Inhibitorische neuronale Reflexmechanismen spielen bei der Entstehung des postoperativen Ileus eine wichtige Rolle [1]. Capsaicin sensible viszerale afferente Neurone sind Teil dieses neuronalen Reflexmechanismus [2]. Diese sensorischen Neurone haben einen protektiven Effekt auf die experimentelle TNBS Kolitis [3]. Ob dieser Effekt auch auf die Entzündungsreaktion beim postoperativen Ileus vorliegt ist nicht bekannt. Ziel der vorliegenden Studie war es, die zentrale afferente Sensibilität des Gastrointestinaltraktes für die intestinale Entzündungsreaktion während des postoperativen Ileus zu untersuchen.

Material und Methoden: Der postoperative Ileus wurde bei C57 Bl Mäusen ausgelöst, indem am in Narkose laparotomierten Tier der gesamte Dünndarm mit Watteträgern durchmanipuliert wurde. Bei Kontrolltieren wurde eine Scheinoperation durchgeführt. Zusätzlich wurde eine Gruppe Ileustiere mit dem selektiv auf afferente Nervenfasern wirkenden Neurotoxin Capsaicin (1μm/kg) i.p. 48 Stunden vor Dünndarmmanipulation behandelt. 24 h nach Darmmanipulation erfolgte unter Enflurannarkose die Entnahme eines 2 cm langen Jejunumsegmentes. Anschließend wurde die Dünndarmmotilität durch intraluminale Druckmessungen im Organbad gemessen. Zur Bestimmung der Entzündungsaktivität in der Darmwand wurde aus einem weiteren jejunalen Darmsegment eine Myeloperoxidase (MPO) Färbung durchgeführt. Das Stammhirn wurde entnommen und für den neuronalen Aktivierungsmarker Fos-Protein immunhistochemisch angefärbt. Fos-positive Neurone des Nucleus tractus solitarius (NTS) des Stammhirns, in den vagale afferente Nervenfasern des Gastrointestinaltaktes projizieren, wurden nachfolgend ausgewertet. Die statistische Analyse erfolgte mittels One Way ANOVA mit Bonferroni-Korrektur sofern notwendig

Ergebnisse: Die Leukozyteninfiltration in die Tunica muscularis war in Ileustieren im Vergleich zu Kontrolltieren erhöht (39±9 vs. 1.8±1 Zellen/mm2; P=0.008, n=6). Nach Capsaicingabe kam es nochmals zu einem Anstieg der Leukozyteninfiltration in der Darmwandmuskulatur auf 72±28/mm2 in Ileustieren (n=6, P<0.05). Die Dünndarmmotilität war mit 2±0,3 cmH2O (n=6, P<0,05) in Ileustieren im Vergleich zu Kontrolltieren mit 10±2 cmH2O stark vermindert (n=6). Auch nach Capsaicingabe kam es nicht zu einer Zunahme der Motilität (3±0,6 cmH2O, n=7, P<0,05). Fos-positive Neurone des NTS traten bei Ileustieren vermehrt auf (Bregma:-7.70mm, 30±9 vs. 6±2; P=0.01, -7.32mm, 107±26 vs. 6±2, P=0.016, N=4). Nach Gabe von Capsaicin kam es zu einer Reduktion der Fos-positiven Neurone bei den Ileustieren (Bregma: -7.70mm 8±3, n=5, -7.32mm 16±8, n=5, P<0.05).

Schlussfolgerung: Die Ablation afferente viszeraler Nervenfasern mit Capsaicin hemmt die neuronale Aktivierung afferenter Nervenkerne auf Stammhirnniveau und führt zu einer verstärkten lokalen entzündlichen Reaktion in der Darmwand. Somit hat die sensible viszerale Innervation offenbar einen protektiven Effekt auf die postoperative Entzündungsreaktion in der Darmwand. Dies dürfte zu einem protrahierten postoperativen Ileus führen. Somit scheint eine Hemmung der sensiblen Innervation, die in früheren Arbeiten für die direkte reflexktorische Hemmung der Motilität nach Operationen als vorteilhaft beschrieben wurde in der Phase der postoperativen intestinalen Entzündungsreaktion eher nachteilig für die Rückbildung des postoperativen Ileus sein.


Literatur

1.
Kreiss et al. Gut 2003; 52: 527-34
2.
Zittel TT et al., Ann Surg 2004; 219:79-87
3.
Reinshagen M et al.; Am J Physiol 1996; 270: G79-86