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Die Entwicklung des Wortverstehens in Ruhe und im Störgeräusch im ersten Jahr nach CI-Aktivierung: Evidenz aus einer longitudinalen ERP-Studie
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Veröffentlicht: | 5. März 2024 |
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Einleitung: Die Entwicklung eines Sprachverstehen nach Cochlea-Implantation ist auch bei erwachsenen CI-Trägern ein längerer Prozess. Auf der DGA-Jahrestagung 2023 konnten wir eine Studie vorstellen, die die Prozesse des Wortverstehens mittels objektiver Hirnpotentialmessungen in den ersten 3 Monaten nach CI-Aktivierung untersuchte. Diese Studie wurde längsschnittlich weiterverfolgt und inzwischen liegen Daten der Stichprobe auch für den Zeitpunkt 12 Monate vor.
Methoden: Es nahmen 23 postlinguale, beidseits stark schwerhörige Patienten teil, die auf einer Seite mit einem CI versorgt wurden (Alter: 36–81 Jahre; mittlerer PTA-4-Wert der Gegenseite: 78). Es gab vier Messzeitpunkte: T1 (Erstaktivierung des Implantats (EA)), T2 (sechs Wochen nach EA), T3 (drei Monaten nach EA) sowie T4 (ein Jahr nach Versorgung). Es wurde ein visuell-akustisches N400-Paradigma verwendet, d.h. es wurde ein Bild auf einem Monitor gezeigt und ein gesprochenes Wort präsentiert, welches die Patienten über das CI hörten. Dieses Wort stimmte entweder mit dem Bild überein (kongruent) oder nicht (inkongruent). Die Wörter wurden entweder in Ruhe oder im Störgeräusch dargeboten. Das EEG wurde mit 23 Elektroden abgeleitet. Zum Vergleich wurde das Experiment zu einem Testzeitpunkt auch mit altersgemachten, hörgesunden Kontrollpersonen (Alter: 33–80 Jahre; mittlerer PTA-4-Wert: 19) durchgeführt.
Ergebnisse: In den evozierten Potentialen zeigten sich deutliche Unterschiede für die Verarbeitung von inkongruenten im Vergleich zu kongruenten Wörtern. Dieser beobachtete N400-Effekt zeigt, dass eine erfolgreiche semantische Vearbeitung des akustisch präsentierten Wortes stattfand. Der N400-Effekt war für Wörter in Ruhe bereits 3 Tage nach Erstaktivierung beobachtbar, wenngleich mit deutlich verzögerter Onsetlatenz, geringerer Amplitude und längerer Effektdauer – d.h. mit deutlich höherem kognitivem Aufwand. Er glich sich über das erste Jahr der CI-Versorgung zunehmend mehr dem Effekt der Kontrollgruppe an, wenngleich auch nach einem Jahr noch statistische Unterschiede zur Kontrollgruppe nachweisbar waren.
Für die Verarbeitung von Wörtern im Störgeräusch zeigte sich ein deutlich anderes Bild: 3 Monate nach Erstaktivierung war zwar ein schwacher, aber statistisch signifikanter und sehr später N400-Effekt beobachtbar. Jedoch war dieser auch nach einem Jahr Tragedauer noch wesentlich schwächer ausgeprägt und wies eine größere Onsetlatenz auf als ohne Störgeräusch.
Schlussfolgerungen: Die Daten zeigen, dass sich mittels objektiver Verfahren der Lernprozess für das Verstehen von Wörtern im ersten Jahr nach CI-Versorgung zeitlich genau verfolgen lässt. Insbesondere konnte der unterschiedliche Lernverlauf für die Bedingungen mit und ohne Störsignal gut abgebildet werden. Dieser detaillierte Verlauf spiegelte sich in keinem der anderen in der Studie erhobenen behavioralen Maße wider (Freiburger Einsilber Test, HSM-Test, Höranstrengung, Beurteilungsaufgabe im EEG-Experiment).