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Funktioniert die erlaubte Vollbelastung nach Versorgung von Tibiaschaft-Frakturen mit additiven minimalinvasiven Cerclagen?
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Veröffentlicht: | 24. Juni 2022 |
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Fragestellung: Tibiaschaftfrakturen werden in der Regel mit Plattenosteosynthese oder Marknagelung versorgt und oft unter Teilbelastung nachbehandelt. Frühere Studien konnten jedoch zeigen, dass geriatrische Patienten nicht in der Lage sind, eine Teilbelastung einzuhalten [1], so dass sie auf eine vollbelastbare Osteosynthese angewiesen sind.
Durch den zusätzlichen Einsatz von Cerclagen kann die Stabilität einer Plattenosteosynthese so weit erhöht werden, dass eine unmittelbar postoperative Vollbelastung möglich ist [2]. Ziel der Studie ist die Evaluation der tatsächlichen Belastung von mit additiven Cerclagen versorgten Patienten.
Methodik: Es wurden 20 Patienten, die bei einer Tibiaschaftfraktur (AO:43A oder 42A/B) mit zusätzlichen Cerclagen versorgt und unter erlaubter schmerzadaptierter Vollbelastung mobilisiert wurden, in die Studie aufgenommen. Anschließend wurde eine Ganganalyse mit spezifischen Sensor-Einlegesohlen (loadsol, FA Novel) auf einem alltagsnahen Parcours absolviert und die Belastung der Beine gemessen.
Messungen erfolgten nach 1, 2/3, 6, 12 und 24 Wochen. Zusätzlich wurden an jedem Messtag die Lebensqualität (EQ-5d), die Ganggeschwindigkeit sowie die Schmerzmedikation erhoben.
Ergebnisse und Schlussfolgerung: Die durchschnittliche Spitzenbelastung des operierten Beines in Prozent des Körpergewichts betrug nach 1 Woche 64,05%, nach 2/3 Wochen 88,83%, nach 3 Wochen 107,58% und nach 6 Wochen 125,07%.
Nach 1 Woche konnten bereits 3/20, nach 2–3 Wochen sogar 8/20 der Patienten der Parcours ohne Hilfsmittel absolvieren. Bei der Verlaufskontrolle 6 Wochen postoperativ waren 13/18 Patienten ohne Hilfsmittel mobil.
Bei erlaubter schmerzadaptierter Vollbelastung betrug die durchschnittliche Belastung in der ersten Woche bereits 64,05% des Körpergewichts und somit schon mehr als die üblichen 15–20kg einer Teilbelastung. Durchschnittlich wurde bereits nach 3 Wochen eine Vollbelastung erreicht, ohne dass es unter diesem Regime zu einem Osteosyntheseversagen kam.
Kürzlich konnte bereits gezeigt werden, dass eine additive minimalinvasive Cerclage geeignet ist, Tibiaspiralfrakturen vollbelastbar zu Versorgen [3]. In der vorliegenden Analyse des Belastungsverlaufs zeigt sich, dass die Vollbelastung tatsächlich schon kurze Zeit nach der Operation umgesetzt wird. Da über 75 jährige Patienten eine Teilbelastung nicht suffizient einhalten können und das Outcome bei geriatrischen Patienten durch eine frühe Mobilisation wesentlich verbessert wird, ist durch den zusätzlichen Einsatz von Cerclagen ein Vorteil insbesondere für geriatrische Patienten zu erwarten.
Literatur
- 1.
- Kammerlander C, Pfeufer D, Lisitano LA, Mehaffey S, Böcker W, Neuerburg C. Inability of Older Adult Patients with Hip Fracture to Maintain Postoperative Weight-Bearing Restrictions. J Bone Joint Surg Am. 2018 Jun 6;100(11):936-941. DOI: 10.2106/JBJS.17.01222
- 2.
- Sandriesser S, Förch S, Mayr E, Schrödl F, von Rüden C, Augat P. Supplemental cerclage wiring in angle stable plate fixation of distal tibial spiral fractures enables immediate post-operative full weight-bearing: a biomechanical analysis. Eur J Trauma Emerg Surg. 2022 Feb;48(1):621-628. Epub 2020 Sep 28. DOI: 10.1007/s00068-020-01503-0
- 3.
- Förch S, ReuterJ, von der Helm F, et al. A minimally invasive cerclage of the tibia in a modified Goetze technique: operative technique and first clinical results. Eur J Trauma Emerg Surg. 2021 Dec:1863-9941. DOI: 10.1007/s00068-021-01857-z