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Institut für Reproduktionstoxikologie – Wissenschaft und Beratung zum Wohle der Schwangeren
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Published: | June 15, 2004 |
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Hintergrund
Zwischen 1958 und 1961 wurden rund 10.000 Kinder mit schweren Gliedmaßendefekten geboren, deren Mütter das Schlafmittel Contergan® (Thalidomid) eingenommen hatten. Seither herrscht bei pharmazeutischer Industrie, Ärzten und Patientinnen berechtigte Vorsicht, häufig jedoch auch irrationale Angst im Hinblick auf den Einsatz von Arzneimitteln in der Schwangerschaft. Schwangere sowie deren betreuende Ärzte und Apotheker stehen besonders in Deutschland oft vor der Frage des Schwangerschaftsabbruchs aufgrund mangelnder Informationsquellen. Ein therapeutischer Nihilismus bei chronisch kranken Schwangeren kann andererseits zu dramatischen Verschlechterungen der Grunderkrankung und damit zu einer erheblichen Gefährdung von Mutter und Kind führen.
Methodik
Unsere seit 1976 in Kooperation mit der Universität Ulm in Forschung und Beratung tätige Einrichtung beteiligt sich als deutsches Referenzzentrum am europäischen Netzwerk embryonaltoxikologischer Beratungsstellen ENTIS (European Network of Teratology Information Services). Das auf Spenden und ehrenamtlichen Einsatz angewiesene Institut unter kirchlicher Trägerschaft (St.Elisabeth-Stiftung, Diözese Rottenburg-Stuttgart) bearbeitet inzwischen jährlich über 3.000 Expositionen in Schwangerschaft und Stillzeit. Angesichts der zunehmenden Inanspruchnahme ergab sich über die beratende Funktion hinaus eine wachsende Notwendigkeit, das eigene Datenmaterial wissenschaftlich auszuwerten.
Ergebnisse
In den vergangenen Jahren wurden über 30.000 Expositionen dokumentiert, wovon Schwangerschaftsverlauf und -ausgang bei über 11.000 Fällen in der von uns etablierten Datenbank FETIS archiviert werden konnten. Durch Evaluation von eigener Datenbank und publizierter Literatur entstanden ca. 2000 Textbausteine zur individuellen Patientenberatung. Bei den derzeit ca. 13 Konsultationen pro Tag würde in ca. 5 Fällen ein Schwangerschaftsabbruch erwogen, wenn nicht die Patientin oder ihr betreuender Arzt mit Fakten aufgeklärt werden könnten.
Schlussfolgerungen
Durch eine zuverlässige Dokumentation kann bei neuen Substanzen frühzeitig ein erhöhtes Fehlgeburts- und Fehlbildungsrisiko erkannt werden, um die Wiederholung von leidvollen Erfahrungen wie bei Contergan® zu verhindern. Leider wird das im Dienste einer verbesserten Patienteninformation seit vielen Jahren gezeigte Engagement bislang nicht durch das deutsche Gesundheitssystem unterstützt (keine Finanzierung über Krankenkassen bzw. öffentlichen Gesundheitsdienst), was im internationalen Vergleich sehr verwundert.