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9. Symposium Health Technology Assessment

Deutsche Agentur für HTA des DIMDI – DAHTA@DIMDI

17. - 18.10.2008, Köln

Gesprächsführung mit Patienten

Meeting Abstract

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  • Rosemarie Felder-Puig - Ludwig Boltzmann Institut für Health Technology Assessment, Wien

9. Symposium Health Technology Assessment. Köln, 17.-18.10.2008. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2008. Doc08hta07

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/meetings/hta2008/08hta07.shtml

Published: October 14, 2008

© 2008 Felder-Puig.
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Abstract

Eine notwendige Ergänzung zur Evidence-based Medicine – so die EbM-Expertin Trisha Greenhalgh – ist eine sprechende und zuhörende Medizin. Der Patient erzählt seine Geschichte, der Arzt ergänzt sie durch medizinisches Wissen, interpretiert sie und gibt sie dann als mutmaßliche Diagnose an den Patienten zurück. Dies ist nicht einfach, denn der Arzt muss die verbalen und visuellen Darstellungen nicht nur hören und sehen, sondern auch ihre Substanz erfassen. Manche Ärzte müssen sich dabei unentwegt beherrschen, damit sie den Patienten nicht ständig unterbrechen, um Unklarheiten auszuräumen oder Details zu erfragen, bevor die Geschichte zu Ende erzählt wird. Durch die Erzählung vermittelt der Patient auch die persönliche Bedeutung seiner Symptome. Zu Problemen kommt es oft dann, wenn Ärzte ihre Vorstellung von Krankheitskategorien dazu benutzen, die Geschichte des Patienten so zu beherrschen, dass sie ausgelöscht wird und der Patient entmutigt und zuweilen auch fehldiagnostiziert auf der Strecke bleibt.

Patienten wollen aber nicht nur bei der diagnostischen Abklärung angehört und ernst genommen, sondern auch besser informiert und intensiver in den medizinischen Entscheidungsprozess eingebunden werden, wie einige große Studien, die in den letzten Jahren durchgeführt wurden, gezeigt haben. Deshalb wird den Konzepten der „Adhärenz“ (adherence) und der „gemeinsamen Entscheidungsfindung“ (shared decision making) zunehmend mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Beide Konzepte beruhen auf einer partnerschaftlichen Vorstellung der Arzt-Patienten-Beziehung. Therapeutische Ziele sollen besprochen und gemeinsam erarbeitet werden, wobei die Kompetenz, Meinung und individuelle Krankheitserfahrung des Patienten zu berücksichtigen sind. Ein wichtiges Ziel der Arzt-Patienten-Kommunikation ist es, ein wirkliches Verständnis beim Patienten für die nächsten medizinischen Schritte zu erreichen und gleichzeitig Selbstverantwortung und selbstbestimmtes Handeln zu fördern. Man verspricht sich davon, dass Ressourcen so effizienter und zielgerichteter eingesetzt und evtl. sogar Therapieergebnisse verbessert werden können.

Es gibt mehrere Barrieren für eine sprechende und zuhörende Medizin im modernen Gesundheitswesen. Immer mehr Patienten in immer kürzerer Zeit behandeln zu müssen, ist sicher eine der wesentlichsten. Tatsächlich ist aber, so haben Studien gezeigt, die Länge eines Arzt-Patienten-Gesprächs allein nicht ausschlaggebend für dessen Qualität und Erfolg. Man kann nämlich die wenige Zeit, die man hat, so oder so nutzen. Dazu bedarf es allerdings einer prinzipiellen Bereitschaft, dem Patienten zuzuhören sowie die Beherrschung bestimmter Techniken der patientenzentrierten Gesprächsführung. Der ohnehin schon große Umfang des Lernkatalogs, den die medizinischen Hochschulen vorgeben, macht es aber schwierig, diese Elemente noch zusätzlich in die Ausbildung von angehenden Medizinern zu integrieren. Eine entsprechende Aus- und Fortbildung soll jedoch nicht nur den Patienten was bringen, sondern auch den Ärzten: sie hilft, den Horizont zu erweitern und die anstrengende Arbeit als befriedigender zu erleben. Letztlich werden auch die organisatorischen und finanziellen Rahmenbedingungen, in denen Ärzte in den sich verändernden Gesundheitssystemen arbeiten, mitentscheiden, ob eine gute Arzt-Patienten-Kommunikation als wichtiger Bestandteil der gesundheitlichen Versorgung oder nur als zusätzliche Serviceleistung angesehen werden.