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8. Symposium Health Technology Assessment

Deutsche Agentur für HTA des DIMDI – DAHTA@DIMDI

18. - 19.10.2007, Köln

Ergebnisse des HTA-Berichts "Prävention rezidivierender Rückenschmerzen"

Meeting Abstract

  • corresponding author Dagmar Lühmann - Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Institut für Sozialmedizin, Campus Lübeck, Lübeck, Deutschland
  • Tatjana Burkhard-Hammer - Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Institut für Sozialmedizin, Campus Lübeck, Lübeck, Deutschland
  • Susanne Stoll - Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Institut für Sozialmedizin, Campus Lübeck, Lübeck, Deutschland
  • Heiner Raspe - Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Institut für Sozialmedizin, Campus Lübeck, Lübeck, Deutschland

Deutsche Agentur für Health Technology Assessment des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information. 8. Symposium Health Technology Assessment. Köln, 18.-19.10.2007. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2007. Doc07hta07

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/meetings/hta2007/07hta07.shtml

Published: October 12, 2007

© 2007 Lühmann et al.
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Abstract

Hintergrund: Angesichts ihrer weiten Verbreitung, ihrer gravierenden sozioökonomischen Folgen und der unbefriedigenden therapeutischen Optionen sind so genannte „unspezifische“ Rückenschmerzen ein Störungsbild, welches einen präventiven Ansatz zur Verringerung des Problems nahe legt. Die Arbeitsplatzumgebung bietet sich aus zwei Gründen als „Setting“ für Präventionsmaßnahmen an: zum einen wird ein großer Teil der Bevölkerung erreicht und zum anderen stehen eine Reihe von Risikofaktoren in Zusammenhang mit beruflichen Tätigkeiten. Dabei ist allerdings weitgehend unklar, durch welche Präventionsmaßnahmen tatsächlich relevante präventive Effekte erzielt werden können und wie kosteneffektiv diese Ansätze sind.

Methoden: Grundlage für das Assessment bildet die, nach den methodischen Vorgaben von DAHTA aufgearbeitete, publizierte wissenschaftliche Literatur. Als Zielgrößen für die Wirksamkeit werden in erster Linie Ausfallzeiten vom Arbeitsplatz sowie die Häufigkeit und Dauer von Rückenschmerzepisoden betrachtet.

Ergebnisse: Die zur Prävention rezidivierender Rückenschmerzen durchgeführten Interventionen lassen sich fünf Gruppen zuordnen: Trainings- und Übungsprogramme, Schulungsmaßnahmen, multidisziplinäre Programme, Hilfsmittel und ergonomische Ansätze. Konsistent positive Effekte werden durch Trainings- und Übungsprogramme berichtet; für Schulungsmaßnahmen dann, wenn sie in Kombination mit trainierenden und übenden Elementen angeboten werden. Im Arbeitsumfeld durchgeführte multidisziplinäre Programme, die neben Training und Information verhaltenstherapeutische Elemente zur Änderung der Krankheitseinstellung enthalten, können in Hochrisikogruppen positive Effekte auf zukünftige Fehlzeiten vom Arbeitsplatz erreichen. Die Studienergebnisse zur Wirksamkeit von lumbalen Stützgürteln und –miedern legen bei aktuell beschwerdefreien Personen keine positiven Effekte nahe. Bei den ergonomischen Präventionsansätzen ist zwischen Settingansätzen, individuellen Ansätzen und der Kombination von beiden zu differenzieren. Die Literaturlage zu reinen Settingansätzen lässt keine belastbaren Schlussfolgerungen zu. Dabei beruht diese Schlussfolgerung nicht auf indifferenten Studienergebnissen, sondern auf dem Fehlen von Studien mit belastbaren Designs. Für die individuellen Ansätze, „körperliches Training“ und „Schulungsmaßnahmen“ bestätigen sich die oben getroffenen Schlussfolgerungen auch für Programme mit ergonomischen Inhalten. Die deutlichsten Erfolge sind in Hochrisikogruppen durch Programme zu erzielen, die Setting- und individuelle Ansätze miteinander kombinieren (multidimensionale Programme) und eine starke partizipatorische Komponente beinhalten. Belastbare und konsistente gesundheitsökonomische Evaluationen sind für keinen der genannten Bereiche verfügbar.

Diskussion: Die Aussagekraft des vorliegenden Assessment wird stark limitiert durch die Breite der gewählten Fragestellung. Eine Verfahrensbewertung, überwiegend gestützt auf die Auswertung von Übersichtsarbeiten, verhindert eine differenzierte Auseinandersetzung mit den Zielgruppen für Präventionsmaßnahmen, konkreten Inhalten und Ablauf von Programmen, Effektstärken, sowie fördernden und limitierenden Kontextfaktoren. Die methodische Qualität der analysierten Übersichtsarbeiten ist überwiegend hoch, die methodische Qualität der Einzelstudien (auch der in den Übersichten enthaltenen) dagegen ist sehr variabel. Studien aus dem Bereich der Verhaltensprävention entsprechen am ehesten hohen klinisch-epidemiologischen Qualitätsstandards. Studien, die Settingansätze bewerten, erfüllen nur wenige klinisch-epidemiologische Qualitätskriterien.

Schlussfolgerungen: Insgesamt betrachtet, sind die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Wirksamkeit und Kostenwirksamkeit der Rückenschmerzprävention in der Arbeitsplatzumgebung immer noch relativ ungenau. Weiterer, inhaltlicher und methodischer Forschungsbedarf ist in mehreren Bereichen zu erkennen:

  • Entwicklung von Präventionskonzepten, die sich am biopsychosozialen Modell der Rückenschmerzentstehung und –progression orientieren und die Maßnahmen der Individualprävention mit Settingansätzen verbinden.
  • Die Integration von ergonomisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen in die Präventionskonzepte und die Durchführung von Interventionsstudien mit gesundheitsrelevanten Zielgrößen.
  • Die Entwicklung und Anwendung standardisierter Methoden zur Prüfung der Effektivität von Präventionsmaßnahmen, die Settingansätze enthalten.
  • Qualitative Studien zur Klärung von Faktoren, die die Effektivität von Prävention limitieren (z. B. Motivation, Compliance, Arbeits- und Führungsstile).
  • Die Anbindung von Kosten-Effektivitätsanalysen an (alle) Interventionsstudien.