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4. Symposium Health Technology Assessment
Bewertung medizinischer Verfahren

Deutsche Agentur für HTA des DIMDI – DAHTA@DIMDI

13. bis 14.11.2003, Krefeld

Qualitätsmanagement in der vertragsärztlichen und vertragspsychotherapeutischen Versorgung: Vorstellung des Qualitätsmanagementsystems der Kassenärztlichen Vereinigungen

Vortrag

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  • corresponding author Franziska Diel - Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Dezernat 2, Abt. Qualitätsmanagement, Berlin
  • Bernhard Gibis - Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Dezernat 2, Abt. Qualitätsmanagement, Berlin

Deutsche Agentur für Health Technology Assessment des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information. 4. Symposium Health Technology Assessment - Bewertung medizinischer Verfahren. Krefeld, 13.-14.11.2003. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2004. Doc03hta03

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/meetings/hta2003/03hta03.shtml

Published: April 29, 2004

© 2004 Diel et al.
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Text

Mit dem Angebot eines spezifischen Qualitätsmanagementsystems (QMS), das zertifizierungsfähig ist, sind Kassenärztliche Vereinigungen (KVen) zeitnah in der Lage, Vertragsärzte/-psychotherapeuten unterstützend bei der Einführung von Qualitätsmanagement (QM) zur Seite zu stehen. Das vorliegende System besteht aus drei Bausteinen: Einem Qualitätsziel-Katalog (A1) und korrespondierend dazu einem Bewertungskatalog (A2), Unterstützungsangeboten (B) wie einem Muster-Handbuch inkl. Dokumentenvorlagen und Leitfäden oder Hotlines, sowie Schulungscurricula und einem Dienstleistungskonzept der KVen (C). Die Pilotphase für die Durchführung des Bewertungsverfahrens wird im Quartal I/2004 beginnen, so dass nach einer externen Evaluation die flächendeckende Einführung ab Quartal IV/2004 erfolgen kann.

1. Hintergrund

Wohl kaum ein Bereich in der Qualitätsförderung wird derzeit so diskutiert und beworben wie das QM. Durch die Beschlüsse der Gesundheitsministerkonferenz sowie durch den Eingang des internen QM in die Gesetzesreform ist der Druck für die KVen, sich dieses Themas anzunehmen, weiter gestiegen [Tab. 1].

Der Vorstand hat deshalb als Bestandteil der Qualitätsoffensive schon Anfang 2002 das Thema QM zu einer der Prioritäten erklärt, die, neben der Entwicklung von Rückmeldesystemen, der Weiterentwicklung der Qualitätszirkelarbeit sowie der Erstellung von Qualitätsberichten, vorrangig verfolgt werden.

2. Entwicklung

Zahlreiche, in der Regel für den industriellen Bereich oder große Organisationseinheiten entwickelte QM-Verfahren werden derzeit für Arztpraxen angeboten. Grundlage der Entwicklung des QMS der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) war deshalb die systematische Sichtung der bisherigen, anerkannten Ansätze wie beispielsweise der European Foundation for Quality Management (EFQM), der ISO-Norm (9001:2000), der Joint Commission on Accreditation of Healthcare Organizations oder des niederländischen „Visitatie"-Modells sowie australischer und kanadischer Verfahren. Herausgefiltert wurden diejenigen Anteile, die sowohl für die Betriebsgröße „Arztpraxis" geeignet sind sowie den besonderen Rahmenbedingungen des deutschen, ambulanten Gesundheitssystems entsprechen. Diese Vorgehensweise stellt sicher, dass bewährte Elemente der erwähnten Ansätze Eingang in das vorliegende Konzept gefunden haben. Aufbauend auf dieser Synopse hat eine Arbeitsgruppe aus Sachverständigen, niedergelassenen Ärzten/Psychotherapeuten und KV-Mitarbeitern das vorliegende Bewertungsverfahren fertig gestellt. In mehreren Überarbeitungsrunden wurde ein Kern an Standardvorgängen und Anforderungen formuliert, der nach Aussage von Fachleuten die Basis für das derzeit wohl beste auf die vertragsärztliche und -psychotherapeutische Versorgung zugeschnittene QM-Verfahren darstellt [Tab. 2].

3. Ziele und Inhalte

QM soll relevante Vorgänge und Abläufe in der Arztpraxis planen und strukturieren helfen. Dies bezieht sich in erster Linie auf die medizinischen/psychotherapeutischen Prozesse, aber auch auf die organisatorischen Aspekte einer Praxis. Wenn alle Vorgänge und Abläufe systematisch, mit geklärten Verantwortlichkeiten durchgeführt sowie im Hinblick auf Verbesserungsmöglichkeiten hinterfragt werden, kann dies, in von Umbrüchen und Veränderungen gekennzeichneten Zeiten, zur Stabilisierung der Arzt-/Psychotherapeutenpraxis beitragen. Dies wiederum ist die Grundlage für eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung, wobei die Betrachtung der wirtschaftlichen Grundlagen damit unmittelbar verbunden ist. Die Entwicklung dieses QMS ist deshalb geprägt von einfacher Anwendbarkeit, praktischem Mehrwert für die Anwender sowie der Sicherheit, ein QM in der Arztpraxis zu installieren, das von Anfang an nicht für die Anwendung im Krankenhaussektor, in Handwerksbetrieben oder in anderen, systemfremden Bereichen konzipiert wurde.

Gliederung

Die inhaltliche Gliederung des QMS spiegelt seine Praxisbezogenheit wider:

1. Praxisführung und QM

2. Patientenversorgung

3. Informationen und Patientensicherheit

4. Mitarbeiter und Fortbildung

5. Rahmenbedingungen und Praxisorganisation

In Zeiten, in denen Vorschriften immer zahlreicher und unübersehbarer werden, Anforderungen an Mitarbeiterführung und Patientenversorgung beständig steigen, bildet das vorliegende System eine „Klammer", die kritische Prozesse und Vorgänge identifiziert und hinterfragt: Wie sind diese organisiert? Wo gibt es möglicherweise Verbesserungspotentiale? Wer ist für was zuständig?

Implementierungsphasen

Zur Etablierung von QM in der Praxis werden drei Phasen/Schritte unterschieden [Abb. 1]:

• Die Befähigungsphase, die durch Information und Schulungen geprägt ist und in der der Arzt/Psychotherapeut wie auch die Mitarbeiter sich mit den Grundlagen und Prinzipien des QM im Allgemeinen wie mit dem vorliegenden Verfahren im Besonderen vertraut machen,

• die Umsetzungsphase, in der in der Arztpraxis QM umfassend eingeführt wird (z.B. Durchführung von Teambesprechungen, Dokumentation und Hinterfragung von wichtigen Praxisabläufen, Patientenbefragung, etc.)

• und schließlich die Bewertung anhand von Qualitätszielen/-anforderungen, die in der Regel zunächst intern durchgeführt wird. In einem Eigentest erfolgt eine Selbstbewertung, auf deren Grundlage dann bei Wunsch eine externe Bewertung (Zertifizierung) durch einen QM-Sachverständigen („Visitor/Auditor") vorgenommen werden kann. Bei erfolgreicher Absolvierung ist dies das sichtbarste Zeichen, dass QM in der Arztpraxis erfolgreich installiert wurde.

Bausteine des QM-Konzepts

Die Entwicklung des QMS hat sich an diesen Phasen/Schritten ausgehend von den Qualitätszielen orientiert:

• Zunächst wurden die qualitätsrelevanten Praxisabläufe und Rahmenbedingungen erfasst und daraus inhaltliche Qualitätsziele ( Baustein A1 ) abgeleitet, auf denen wiederum das korrespondierende Bewertungsverfahren aufbaut und deren Erreichen bei der Selbst- oder Fremdbewertung überprüft wird ( Baustein A2 ).

Anhand dieser verständlich formulierten, weitgehend selbsterklärenden Qualitätsziele, bzw. der korrespondierenden Qualitätsanforderungen, die durch konkret geforderte Nachweise/Indikatoren operationalisiert und mit Erläuterungen unterlegt sind, lassen sich deduktiv zahlreiche Elemente für die Einführung von QM in Praxen ableiten.

Die einzelne Praxis wird mit der Befähigungsphase beginnen:

• Hierfür wird im Rahmen des QMS ein spezifisches Schulungscurriculum bereitgestellt werden ( Baustein C ). Die KVen sollten dabei aktiver Begleiter und Dienstleister für ihre Vertragsärzte sein. Entsprechend wird ein Informationskonzept für die Mitarbeiter von KVen vorbereitet sowie Hilfestellungen z.B. für die Auswahl von Schulungsanbietern entwickelt ( Baustein C ).

• Für die Einführung und Umsetzung von QM (Umsetzungsphase) kann sich die Praxis am Qualitätsziel-Katalog (A1) orientieren und hieraus zahlreiche konkrete Anregungen, Hinweise sowie Erläuterungen erhalten.

• Darüber hinaus wird der Arzt oder Psychotherapeut durch ein Muster-Handbuch ( Baustein B ) unterstützt, in dem beispielhaft Texte, Dokumentenvorlagen, Verfahrensanweisungen und Prozessabläufe vorgegeben werden, und die dann an die Besonderheiten der einzelnen Praxis anzupassen sind.

Qualitätsbewertungsverfahren - Baustein A2

Die Systematik der vorliegenden Qualitätsbewertung (A2) untergliedert sich gemäß der o.g. Kapitel in Bereiche oder Aktivitäten, für die - abgeleitet aus den definierten Qualitätszielen - allgemeine Qualitätsanforderungen formuliert wurden [Abb. 2]. Für diese allgemeinen Anforderungen wurden qualitätsrelevante Kriterien identifiziert, die wiederum durch eine oder mehrere Anforderungen näher beschrieben werden. Jede Anforderung ist mit einem oder mehreren Nachweis(en)/Indikator(en) operationalisiert, anhand derer ihre Erfüllung überprüft wird.

Diese bereit gestellten Nachweise/Indikatoren stellen ein wesentliches Element der vorliegenden Bewertungssystematik dar. Sie dienen einerseits dem Ziel, die gestellten Anforderungen in einzelnen Schritten und in anschaulichen Maßnahmen zu konkretisieren, und gewährleisten andererseits ein objektives Vorgehen bei der Durchführung der Selbst- und Fremdbewertung sowie eine Vergleichbarkeit der Resultate bezogen auf unterschiedliche „Auditoren/Visitoren" und auf unterschiedliche Praxen.

Auf der Grundlage eines Bewertungsrasters werden 0 bis 1 oder 0 bis 3 Punkte für die Umsetzung bzw. Erfüllung der Nachweise/Indikatoren vergeben (nicht erfüllt -/- ansatzweise erfüllt -/- teilweise erfüllt -/- umfassend erfüllt -/- nicht anwendbar). Nachweise/Indikatoren, die nicht anwendbar sind, fließen nicht in die Gesamtbewertung ein.

Sich in der Bewertungssystematik anschließende Fragenbeispiele geben Anregungen für die Durchführung der Selbst- oder der Fremdbewertung („Wie vermitteln Sie Ihren Patienten alle relevanten Informationen über die Praxis und das Leistungsspektrum?", „Wie gestalten Sie Ihre Teambesprechungen?", etc.). Ausführliche Erläuterungen unterstützen die Umsetzung der Anforderungen bzw. der Nachweise/Indikatoren.

Kernziele/-anforderungen

Um den Praxen einerseits umfassende und gleichzeitig handhabbare Qualitätsziele anzubieten, wurden aus dem vorliegenden Katalog der Qualitätsziele (A1) so genannte Kernziele (A1-Kern) ausgewählt. Entsprechend wurden für das Bewertungsverfahren Kernanforderungen (A2-Kern) aus den Gesamtanforderungen (A2) extrahiert.

Im Rahmen der externen Bewertung (Fremdbewertung) müssen sämtliche Kernanforderungen mit mindestens einem Punkt erfüllt werden, damit ein Zertifikat erteilt werden kann. Die weiteren Qualitätsanforderungen werden als so genannte Excellence-Anforderungen betrachtet. Sie bieten den Praxen Entwicklungsoptionen im Rahmen eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses.

4. Weiteres Vorgehen und Zeitplan

Mit dem Abschluss der Entwicklung des zugrunde liegenden Bewertungsverfahrens kann im 1. Quartal 2004 die Pilotphase beginnen [Abb. 3]. Die Pilotphase wird wissenschaftlich begleitet werden und hat u.a. folgende Fragen zu beantworten: Inwieweit erweisen sich die ausgewählten Qualitätsziele/-anforderungen und ihre Nachweise/Indikatoren in der Praxis als qualitätsrelevant? Sind das Verfahren und die Qualitätsziele/-anforderungen verständlich? Sind sie in der Praxis umsetzbar? Für welche Praxisgrößen und -arten sind sie geeignet; wo müssen ggf. Anpassungen erfolgen? Sind die Kernziele/-anforderungen richtig gewählt? Die Ergebnisse der Pilotphase werden in die Überarbeitung des Qualitätsziel-Katalogs (A1) und des Bewertungsverfahrens (A2) sowie der Unterstützungsangebote (B) einschließlich des Muster-Handbuchs und der Dokumente einfließen.

Parallel zur Pilotphase werden bereits Informationsveranstaltungen für die KVen durchgeführt. Durch engmaschige Abstimmung zwischen KBV und KVen soll sichergestellt werden, dass dieser, mittlerweile durch die Änderung des Sozialgesetzbuchs V verbindliche Prozess der Einführung eines internen QM, durch KVen wirkungsvoll begleitet wird.

Der Projektplan der KBV sieht vor, dass mit dem 4. Quartal 2004 ein flächendeckendes Angebot für die Durchführung des externen Bewertungsverfahrens gemacht werden kann.