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53. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

15. bis 18.09.2008, Stuttgart

Messung der Lebensqualität bei COPD-Patienten während akuter Exazerbationen: Vergleich von EQ-5D, SF-12 und SGRQ

Meeting Abstract

  • Petra Menn - Helmholtz Zentrum München, Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH), Neuherberg, Deutschland
  • Norbert Weber - Asklepios Fachkliniken München-Gauting, Gauting, Deutschland
  • Karl Häußinger - Asklepios Fachkliniken München-Gauting, Gauting, Deutschland
  • Rolf Holle - Helmholtz Zentrum München, Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH), Neuherberg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 53. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds). Stuttgart, 15.-19.09.2008. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2008. DocINT1-1

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/meetings/gmds2008/08gmds034.shtml

Published: September 10, 2008

© 2008 Menn et al.
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Einleitung und Fragestellung

Die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) hat große Auswirkungen auf die Lebensqualität der betroffenen Patienten. Dieser Effekt wird durch das Auftreten schwerer akuter Exazerbationen weiter verstärkt. Doch obwohl zahlreiche Studien zur Lebensqualität bei stabiler COPD existieren, gibt es kaum Untersuchungen zu den Beeinträchtigungen während akuter Exazerbationen [1].

Zur Messung der Lebensqualität stehen sowohl generische als auch krankheitsspezifische Instrumente zur Verfügung. Zu letzteren gehört unter anderem der St. George's Respiratory Questionnaire (SGRQ), in dem speziell der Einfluss von Lungenerkrankungen auf die Lebensqualität abgebildet wird. Allerdings ist er mit 50 Items sehr umfangreich. Die generischen Instrumente EQ-5D und SF-12 sind deutlich kürzer und ermöglichen einen indikationsübergreifenden Vergleich. Dieser ist aus gesundheitsökonomischer Sicht vorteilhaft, da so auch die Wirtschaftlichkeit von Interventionen aus verschiedenen Indikationsgebieten verglichen werden kann [2]. Andererseits sind sie möglicherweise zu ungenau, um kurzfristige Veränderungen zwischen zwei Zeitpunkten oder verschiedenen Schweregraden zu erfassen.

Ziel dieser Studie war die Erhebung der Lebensqualität von COPD-Patienten während schwerer Exazerbationen. Die verwendeten Messinstrumente wurden im Hinblick auf ihre Akzeptanz bei den Patienten untersucht und auf das Auftreten von Decken- oder Bodeneffekten hin überprüft. Es wurde verglichen, in wieweit Veränderungen des Gesundheitszustandes im Verlauf der Exazerbation und Unterschiede im Schweregrad der Erkrankung von den einzelnen Instrumenten abgebildet wurden.

Material und Methoden

COPD-Patienten, die wegen akuter Exazerbationen stationär in den Asklepios-Fachkliniken München-Gauting behandelt wurden, füllten den Fragebogen innerhalb der ersten drei Tage nach Aufnahme sowie in den letzten drei Tagen vor ihrer Entlassung aus. Darin waren die generischen Instrumente EQ-5D und SF-12 sowie der krankheitsspezifische SGRQ enthalten. Außerdem wurden das Geschlecht und das Alter der Patienten, der Raucherstatus und der Schweregrad der Erkrankung erhoben. Zur Einteilung in COPD-Schweregrade wurden die Werte der Lungenfunktionsmessung verwendet, die bei der Entlassung der Patienten durchgeführt wurde.

Aus dem EQ-5D wurde unter Verwendung europäischer Gewichte ein Index-Wert bestimmt [3]; beim SF-12 erfolgte die Index-Berechnung nach Brazier et al. [4], außerdem wurden hier körperliche und psychische Summenscores berechnet. Beim SGRQ wurden Impact-, Symptom-, Activity- und Gesamtscore bestimmt [5].

Für einen Vergleich der fehlenden Werte und der Veränderungssensitivität der Instrumente zwischen Aufnahme und Entlassung wurden t-Tests durchgeführt. Der Einfluss der COPD-Schweregrade auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität wurde mittels multivariater linearer Regression untersucht.

Ergebnisse

Vorläufige Analysen (basierend auf den Ergebnissen von 104 Patienten) zeigten die höchste Akzeptanz beim EQ-5D. Der Anteil der Fragebögen, für die eine Bestimmung des Indexwerts bzw. Gesamtscores nicht möglich war, lag hier deutlich unter dem der anderen Instrumente.

Beim SF-12 und seinen beiden Subscores ergaben sich weder bei Aufnahme noch bei Entlassung Boden- oder Deckeneffekte, es gab also keine gehäufte Beobachtung des schlechtest- bzw. bestmöglichen Gesundheitszustands. Dagegen waren beim SGRQ v. a. in der Dimension „Activity“ an beiden Befragungszeitpunkten deutliche Bodeneffekte zu beobachten. Beim EQ-5D wiederum traten bei der Entlassung Deckeneffekte auf.

Die Veränderungssensitivität war beim EQ-5D und SGRQ am größten. Die Werte verbesserten sich zwar auch beim SF-12 zwischen Aufnahme und Entlassung, die Unterschiede fielen hier jedoch deutlich geringer aus; v. a. auf der psychischen Summenskala veränderten sich die Werte kaum.

Unterschiede zwischen den verschiedenen Krankheitsstadien bei Adjustierung für Alter und Geschlecht bildete der SF-12 dagegen am deutlichsten ab.

Diskussion

Der EQ-5D, das kürzeste der verwendeten Instrumente zur Messung der Lebensqualität, wies den geringsten Anteil fehlender Werte und eine hohe Veränderungssensitivität auf und erscheint daher für den Einsatz bei akuten Exazerbationen gut geeignet. Allerdings waren selbst in dieser kranken Patientengruppe Deckeneffekte zu beobachten und Unterschiede zwischen den Krankheitsstadien wurden nur schwach abgebildet. Möglicherweise sind jedoch die Unterschiede zwischen den Stadien während schwerer akuter Exazerbationen weniger deutlich ausgeprägt als in stabilen Krankheitsphasen.

Im Gegensatz dazu wurden beim SF-12 nur geringe Veränderungen zwischen Aufnahme und Entlassung beobachtet, wohingegen zwischen den COPD-Schweregraden am deutlichsten unterschieden wurde. Die relativ hohe Anzahl fehlender Werte beim SF-12 und SGRQ könnte u. a. darauf zurückzuführen sein, dass die Patienten zuerst den EQ-5D ausfüllten, danach den SF-12 und zum Schluss den SGRQ, so dass möglicherweise eine Ermüdung der Patienten eintrat. Da Gesamt- und Subscores beim SGRQ auch dann noch berechnet werden können, wenn einige Fragen nicht beantwortet wurden, lag der Anteil fehlender Werte trotz der hohen Itemzahl noch unter dem des SF-12.

Beim SGRQ lagen deutliche Veränderungen zwischen den beiden Befragungszeitpunkten vor. Die beobachteten Bodeneffekte v. a. im Subscore Activity sind auf die Schwere der Lungenerkrankung bei den stationär behandelten Patienten zurückzuführen. Dass dieser Effekt bei den anderen Instrumenten nicht auftrat zeigt, dass sich die Beeinträchtigung nicht in gleichem Maße auf alle Lebensbereiche auswirkt.


Literatur

1.
O’Reilly JF, Williams AE, Rice L. Health status impairment and costs associatied with COPD exacerbation managed in hospital. International Journal of Clinical Practice 2007; 61: 1112-20.
2.
Leidl R. Der Effizienz auf der Spur: Eine Einführung in die ökonomische Evaluation. In: Schwartz FW, Hrsg. Das Public Health Buch: Gesundheit und Gesundheitswesen. München: Urban & Schwarzenberg; 1998: 346-69.
3.
Greiner W, Weijnen T, Nieuwenhuizen M, Oppe S, Badia X, Busschbach J, et al. A single European currency for EQ-5D health states. The European Journal of Health Economics 2003; 4: 222-31.
4.
Brazier JE, Roberts J. The estimation of a preference-based measure of health from the SF-12. Med Care 2004; 42: 851-9.
5.
Jones PW, Quirk FH, Baveystock CM, Littlejohns P. A self-complete measure of health status for chronic airflow limitation. The St. George's Respiratory Questionnaire. Am Rev Respir Dis 1992; 145: 1321-7.