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51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (gmds)

10. - 14.09.2006, Leipzig

Integrierende Versorgung als Bindeglied zwischen medizinischer Forschung und Versorgung

Meeting Abstract

  • Stefan Müller - CIOffice Forschungsnetze, Göttingen
  • Ulrich Sax - Abt. Medizinische Informatik, Göttingen
  • Michael Beckmann - CIOffice Forschungsnetze, Göttingen
  • Otto Rienhoff - Abt. Medizinische Informatik, Göttingen

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (gmds). 51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Leipzig, 10.-14.09.2006. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2006. Doc06gmds335

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Published: September 1, 2006

© 2006 Müller et al.
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Einleitung und Fragestellung

Die Integrierte Versorgung in Deutschland stellt - basierend auf der gesetzlichen Grundlage des Sozialgesetzbuches V - eine neue und in der Praxis bewährte Form von Patientenversorgung dar. Diese in der wissenschaftlichen Literatur gut beschriebene [1], [2], [3], [4] neue Form des Umgangs mit dem Gut Gesundheit wird ergänzt durch Managed Care-Konzepte und -Ansätze [5] die mehr einem integrativen Versorgungsgedanken folgen. Aus der Forschung in Deutschland kommend sind nun aktuell Bestrebungen zu beobachten, die den Charakter einer integrierenden Versorgung aufgreifen [6], [7], [8]. Die Akteure in der Krankenversorgung äußern zunehmend Interesse, Erkenntnisse und medizinische Daten aus der Forschung in der Versorgung zugänglich zu machen. Dazu stellen wir vier Thesen auf:

1.
Die Integrierte Versorgung überwindet sektorale Grenzen, vermag aber nicht Leistungsketten [9] und Leistungsprozesse zu ändern
2.
Informationstechnologie kann eine Infrastrukturbasis für abgestimmte Prozessoptimierungen im Gesundheitswesen bieten
3.
IT-Systeme in der Versorgung sind bereits darauf vorbereitet, Ergebnisse und Daten aus der medizinischen Forschung zu übernehmen und diese patientengerecht bereitzustellen (integrierende Versorgung)
4.
Die Übernahme von Daten aus der Versorgung in die Forschung ist derzeit als problematisch zu betrachten [6], [7], [8]

Wir untersuchen den derzeitigen Stand der IT-Infrastruktur in der Versorgung hinsichtlich der Einbindung von Forschungsdaten im Sinne der medizinischen Leistungskette und beschreiben neue Wege, die Dichotomie zwischen Versorgung und Forschung aufzubrechen.

Material und Methoden

Eines der Ziele der integrierten Versorgung ist es, strukturelle Probleme zu überwinden [1]. Die aktuellen Ausprägungen dieser Versorgungsform orientieren sich daher an strukturellen Veränderungen, die die Institutionen betreffen: wie die Zusammenarbeit zwischen den (Fach)-Ärzten, die auch in Gesundheitszentren und Gemeinschaftspraxen zusammengeschlossen sind, den Krankenhäusern und den Krankenkassen [10].

Dem integrativen Charakter der Patientenversorgung entsprechen konkret die Ideen des Case-Managers innerhalb von Disease-Management-Programmen, der als Vermittler zwischen dem Patienten als Gesundheitsleistungsnehmer und den Institutionen bzw. den dort (be-)handelnden Personen als Leistungsanbieter fungiert [11]. Die Leitidee ist hier: Patient und Arzt als Partner.

Die integrierende Versorgung betont sowohl eine organisatorische und institutionelle Sichtweise als auch persönliche, patientenorientierte Aspekte innerhalb der medizinischen Versorgung. Ausgehend von der medizinischen Forschung ist der Weg von Ergebnissen und Erkenntnissen zurück zum Patienten bisher schwierig und langwierig, da kein direkter Kommunikationsweg zwischen klinischem Forscher und Patient bestand. Die Etablierung medizinischer Kompetenznetze Ende der 90er Jahre [12], [13], [14] überwand mit den Gedanken der horizontalen und später der vertikalen Vernetzung institutionelle Barrieren zwischen bisher getrennt arbeitenden Organisationen (wie Fachkliniken und Häusern der Versorgung) auf Seiten der Leistungsanbieter und dem Patienten selbst, seinen Angehörigen oder auch Selbsthilfegruppen als Leistungsnachfrager.

Mit dem mittlerweile breiten Einsatz von Informationstechnologie innerhalb des Gesundheitswesens allgemein und speziell innerhalb der medizinischen Kompetenznetze ist es nun möglich, basierend auf der elektronischen Gesundheitskarte [15] und dem Heilberufeausweis [16], eine Beziehung direkt zwischen forschendem Arzt und Patient herzustellen.

Für die organisatorische Vernetzung von Institutionen im Gesundheitswesen stellt die Medizinische Informatik Technologien bereit, die Workflows unterstützen, die die schnelle Kommunikation und den sicheren Datenfluss medizinischer Daten ermöglichen. Dazu werden vermehrt standardisierte Protokolle für den Datenaustausch, Webtechnologie und Business-Software aus der Industrie verwendet. Neben diesen organisationsinternen Verbesserungen kann die IT zusätzlich bei der Außenkommunikation von Institutionen helfen, um den Informationstransfer zu den Partnern durch Wissens- und Informationsdienste (e-learning, spezielle und individualisierte Informationsangebote) technisch zu unterstützen.

Ergebnisse

Im Rahmen der Ausbauplanung für das Kompetenznetz für Angeborene Herzfehler (AHF) [1] spezifizieren wir derzeit ein Versorgungsmodul, das patientenorientiert Daten aus der klinischen Forschung präsentieren kann. Dafür sind einige Voraussetzungen nötig: Die patientenorientierten Systeme in der Versorgung müssen zunächst nach außen geöffnet werden. Dies ist bei einigen Häusern in Form von so genannten Providerportalen zu beobachten [17]. Der Datenaustausch vollzieht sich zwischen den Leistungserbringern (derzeit noch xDT [18] im Bereich der ambulanten Versorgung, zunehmend durch CDA und das bestehende HL7[19], [20] im Bereich der Klinik und durch CDISC [21] als Austauschformat von Forschungsdaten zu den IT-Systemen der Versorgung.

Erste Erfahrungen mit diesen Schnittstellenformaten zeigen Probleme bei der komplizierten Anbindung von heterogenen IT-Systemen in technischer, rechtlicher und vor allem organisatorischer Hinsicht. Die elektronische Gesundheitskarte bietet zukünftig im Bereich der freiwilligen Anwendungen die Möglichkeit einer elektronischen Akte für Patienten mit chronischer Erkrankung, prospektiv auch für die Teilnehmer an klinischen Studien innerhalb des Kompetenznetzes Angeborene Herzfehler. Jedoch ist hier abzuwarten, wie schnell die Ausgestaltung der eGK voranschreiten wird.

Die Aufbereitung von medizinischen Daten für Patienten (z.B. in einem Patientenportal) in Verbindung mit Informationen über die Krankheit des Patienten steht dabei im Mittelpunkt.

Durch die konsequente Verwendung eines bewährten IT-Systems aus der Versorgung [22] und dessen Öffnung für neue Anwendungen [17] lassen sich bereits Studiendaten aus dem AHF-Netzwerk im CDISC-Format patientenorientiert präsentieren.

Diese Arbeit wurde gefördert durch das Kompetenznetz Angeborene Herzfehler und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF, Fördernummer 01G10210).


Literatur

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