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51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (gmds)

10. - 14.09.2006, Leipzig

Nutzung gemeinsamer IT Strukturen im Rahmen der Integrierten Versorgung: aktueller Stand and Pläne aus Sicht der deutschen Krankenhäuser

Meeting Abstract

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  • Ursula Hübner - Fachhochschule Osnabrück - University of Applied Sciences, Osnabrück

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (gmds). 51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Leipzig, 10.-14.09.2006. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2006. Doc06gmds306

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Published: September 1, 2006

© 2006 Hübner.
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Einleitung und Fragestellung

Die Integrierte Versorgung (IV) im engeren Sinne, d.h. Verträge nach §§ 140a ff, hat im Verlauf des Jahres 2005 einen deutlichen Anstieg erfahren. Ausgehend von 643 in Q1 2005 stieg die Zahl der IV-Verträge bis Ende 2005 auf 1984 [1]. Die IV ist gekennzeichnet durch einen hohen Anspruch an abgestimmte Prozesse und an die Aktualität der Patientendaten [2]. Dies setzt einen reibungslosen Informationsfluss zwischen den beteiligten Organisationen und eine gemeinsame Steuerung von Arbeitsabläufen voraus. Bereits in der Vergangenheit wurde das Fehlen relevanter medizinischer Daten beim Übergang eines Patienten von einer Versorgungseinrichtung in eine andere bemängelt, z.B. [3]. In der derzeitigen Diskussion um IV scheint das Thema informationelle Vernetzung jedoch eher nachrangig behandelt zu werden. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie hoch der tatsächliche aktuelle Nutzungsgrad von elektronischen Medien zur Kommunikation in einer vertraglich gestalteten Kooperation ist und abgeleitet aus den Plänen für die Zukunft, mit welcher Priorität IT-Themen behandelt werden.

Material und Methoden

Da Krankenhäuser eine zentrale Rolle in der IV spielen [4] und deren IT am weitesten entwickelt ist, soll die oben gestellte Frage am Paradigma der Krankenhäuser beantwortet werden. In der Zeitspanne von November 2005 bis Januar 2006 wurde daher eine bundesweite schriftliche Befragung aller deutschen Akutkrankenhäuser (n=2181) im Rahmen des Projektes „IT-Report Gesundheitswesen“ durchgeführt. Angeschrieben wurden in jedem Haus die Krankenhausleitung, bestehend aus ärztlicher Direktion, Geschäftsführung und pflegerischer Direktion. Ziel der Befragung war es, den aktuellen Stand der IT-Ausstattung und die zukünftigen Entwicklungen zu erfassen. Dabei bildeten Fragen zur IV – neben Fragen zur Elektronischen Patientenakte – den wesentlichen Schwerpunkt. Gefragt wurde insbesondere nach der Art der Verträge, den Kooperationspartnern, den Plänen für den Ausbau der Verträge und dem derzeitigen und dem geplanten Einsatz von elektronischen Medien zur Kommunikation zwischen den Partnern.

Ergebnisse

Von den angeschriebenen 2181 Häusern antworteten 335, was einer Rücklaufquote von 15,4% entspricht. Insgesamt nahmen 364 Personen an der Studie, da aus einigen Häusern mehrere Personen antworteten. Häuser aller Bettenklassen, Krankenhaustypen, Trägerschaften und in allen Bundesländern beteiligten sich an der Studie. Die Verteilung der teilnehmenden Häuser entsprach der geographischen Verteilung innerhalb Deutschlands (Chi-Quadrat-Test nicht signifikant). Von den teilnehmenden Häusern gaben 33,7% an, keine Kooperation zu haben, 14,1% eine Kooperation auf Basis der gesetzlichen Regelungen, 41,2% auf Basis eines Kooperationsvertrages und 11,0% sowohl auf Basis der gesetzlichen Regelung wie auf Basis eines sonstigen Vertrages. Tabelle 1 [Tab. 1] zeigt den Prozentsatz der derzeitigen Verträge und zusätzlich geplante Neuverträge aufgegliedert nach ausgewählten Vertragspartnern. Verläuft die Rangreihenfolge Stand heute vom Labor (Rang 1) bis zur Arztpraxis (Rang 5), so ändert sich die Gewichtung hinsichtlich der Zunahme neuer Verträge in den nächsten 2 Jahren. Dabei werden Arztpraxen und andere Krankenhäuser eine größere Rolle spielen, hinzukommen Rehakliniken und Medizinische Versorgungszentren (Ränge 3 und 4 nicht in Tabelle 1 [Tab. 1] aufgeführt). Gefragt nach dem derzeitig innerhalb der Verträge genutzten Kommunikationsmedium (Tabelle 2 [Tab. 2]) geben maximal knapp 1/3 der befragten Häuser mit IV Verträgen an, rein elektronisch zu kommunizieren - mit dem höchsten Prozentsatz für das externe Labor und den Arztpraxen am unteren Ende der Rangreihe (Rang 9).

Der weitaus größte Teil kommuniziert per Papier oder in einer Mischform. Von den derzeitigen elektronischen Medien überwiegt eMail. Lediglich beim Labor liegt der Modalwert bei „Integriertem Informationssystem“ (Tabelle 3 [Tab. 3]). Die Pläne für die nächsten zwei Jahre zeigen die Absicht in sehr vielen Häusern, auf elektronische Medien umzustellen gerade auch in der Kommunikation mit Arztpraxen und weiterhin mit dem externen Labor (Tabelle 2 [Tab. 2]). Gefragt nach dem Potenzial von IV für das jeweilige Haus, geben 54 % „hoch“ oder „sehr hoch“ an, 41 % dagegen „niedrig“ oder „sehr niedrig“. Der Rest ist unentschlossen.

Diskussion

Dass integrierte IT für Integrierte Versorgung essentiell ist, hat den Charakter einer Binsenweisheit. Dennoch sprechen die Zahlen in Deutschland eine andere Sprache. Zwar gibt es bereits eine nicht unerhebliche Zahl von Kooperationen (67,3%), zählt man die Verträge nach §§140a ff und allgemeine Kooperationsverträge zusammen, der Einsatz rein elektronischer Kommunikation ist jedoch derzeit noch stark beschränkt. Wenn elektronisch kommuniziert wird, dann in der Regel über eMail. Die Pläne für die nächsten zwei Jahre deuten allerdings einen starken Wandel an. Dort zeigt sich mit Werten bis zu 73,9% für die rein elektronische Kommunikation mit dem Labor ein klares Bekenntnis zum digitalen Medium. Offensichtlich gilt der Grundsatz Technologie folgt der Struktur. Vertragliche Rahmenbedingungen müssen zunächst geschaffen werden, damit der informationelle Zusammenschluss stattfinden kann. Die Pläne der Häuser zeigen auch, dass der Zuwachs an neuen Verträgen geringer ist als der Zuwachs an Informations- und Kommunikationstechnologie. Es scheint, dass die Häuser eher ihre bestehende Kooperationsstruktur verbessern als neue Verträge anfassen wollen.

Die Bedeutung von IT als wesentlichem Erfolgsfaktor wurde bereits in den USA erkannt [5]. Dabei ist eine konzeptionelle einheitliche Umsetzung für eine gesamte IV Versorgungsstruktur auch in den USA ein Merkmal, das nur auf erfahrene Integrated Delivery Networks (IDNs) zutrifft. Auch nur in solchen IDNs hat das Management seine Führungsrolle in der Entscheidung über den Einsatz von IT-Systemen, gerade auch von klinischen Systemen, erkannt [6]. Offensichtlich durchleben die deutschen IV Strukturen, die sich ja gerade erst am Anfang befinden, dieselbe Entwicklungsgeschichte wie in den USA. Dass dies so ist, hat es vermutlich mit der Bewertung von IT im Allgemeinen zu tun. Diese wird vorrangig als mechanistisches Instrument gesehen, nicht als Vehikel der Verbesserung von Kommunikations- und Arbeitsstrukturen in und zwischen Organisationen. Integrierte IT-Strukturen sind aber das Pendant zu einer psychologischen Einflussgröße, sie sind nämlich ein sensibler Gradmesser für das Vertrauen, das zwischen Einrichtungen herrscht [5]. Heute hält man per Papier und eMail Abstand zu den anderen Partnern, denn nur in den wenigsten Fällen sind Informationssysteme integriert, geschweige denn man nutzt eine gemeinsame IT. So gesehen stehen Strukturen der IV in Deutschland tatsächlich noch am Anfang – in Sachen IT und in Sachen Vertrauen. Jedoch kann sich das Bild mit dem geplanten Anstieg von rein elektronischer Kommunikation wandeln. Dies zu hinterfragen ist Ziel einer Serie von derzeit durchgeführten Experteninterviews mit Krankenhäusern, mittels derer die quantitativen Daten durch qualitative Daten über Gründe und Hintergründe des Medieneinsatzes innerhalb von IV Strukturen ergänzt werden sollen. Stellt sich doch u.a. die Frage, ob die derzeit verfügbare Technologie den Ansprüchen einer IV-Wirklichkeit entspricht.

Danksagung

Wir danken dem Land Niedersachsen für die finanzielle Unterstützung des Projektes „IT-Report Gesundheitswesen“.


Literatur

1.
http://www.bqs-register140d.de/. Zugegriffen am 15.3.2006
2.
Wegweiser GmbH (Hrg.). eHealth Deutschland 2005/2006, September 2005 Berlin. www.wegweiser.de.
3.
Hübner U, Weber T, Giehoff C, Wagner W, Hackeloer D. Integrierte Versorgung: Untersuchung der Beschaffenheit von Patientendaten bei Zuweisung über Institutionsgrenzen. Informatik, Biometrie und Epidemiologie in Medizin und Biologie. 2002;33(2-3):334-335.
4.
Schräder WF, Zich K. Das Krankenhaus als Motor für Integration in der medizinischen Versorgung. In: Klauber J, Robra BP, Schellschmidt H, Hrg. Krankenhaus-Report 2005. Stuttgart: Schattauer; 2006.
5.
Janus K, Amelung VE. Integrierte Versorgungssysteme in Kalifornien: Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren der ersten 10 Jahren und Impulse für Deutschland. Gesundheitswesen. 2004;66: 649-55.
6.
Weiner B, Savitz L, Bernard S, Pucci L. How Do Integrated Delivery Network Systems Adopt and Implement Clinical Information Systems? Health Care Manage Rev. 2004;29(1):51-66.