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51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (gmds)

10. - 14.09.2006, Leipzig

Einsatz semantischer Netze in der medizinischen Dokumentation

Meeting Abstract

  • André Sander - ID Gesellschaft für Information und Dokumentation im Gesundheitswesen mbH, Berlin
  • Wera Schalimowa - ID Gesellschaft für Information und Dokumentation im Gesundheitswesen mbH, Berlin
  • Inga Kohlhof - ID Gesellschaft für Information und Dokumentation im Gesundheitswesen mbH, Berlin
  • C. Peters - ID Gesellschaft für Information und Dokumentation im Gesundheitswesen mbH, Berlin
  • Daniel Diekmann - ID Gesellschaft für Information und Dokumentation im Gesundheitswesen mbH, Berlin

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (gmds). 51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Leipzig, 10.-14.09.2006. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2006. Doc06gmds294

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/meetings/gmds2006/06gmds339.shtml

Published: September 1, 2006

© 2006 Sander et al.
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Text

Einleitung und Fragestellung

Für die Diagnosen- und Leistungserfassung bieten Codiersysteme seit Jahren eine kontinuierlich optimierte Textsuche. Dies erfordert eine fortwährende Anpassung, die durch neue Anforderungen aus der Klinik und gesetzliche Anforderungen bedingt sind. Seit einigen Jahren besteht ein reger Diskurs über den Einsatz von semantischen Funktionalitäten in Codiersystemen. Dabei sollen semantische Textsuche-Strategien die Suchergebnisse einerseits in höherer Qualität darstellen und andererseits den Arzt bei der Codierung wirkungsvoll entlasten.

Für die semantische Abbildung ist eine automatische Textanalyse notwendig, die u.a. Funktionen zur Abkürzungsexpansion (auch durch Anwender steuerbar), die Normierung von Schreibvarianten, eine Auto-Korrektur, Auto-Vervollständigung u. v. m. erfordert. Zur Vereinfachung der Codierung von klassifikatorisch schwierigen, komplexen sowie entgeltrelevanten Themenbereichen ist die Nutzung einer klinischen Terminologie sinnvoll, die in ihrem Detaillierungsgrad über Klassifikationen wie ICD-10 oder OPS-301 hinausgeht [1], [2]. Am Beispiel des Diabetes mellitus wird gezeigt werden, dass eine terminologisch strukturierte semantische Codierung die Qualität der Codierung verbessert und so ein wirkungsvoller Beitrag zur Entlastung des codierenden Personals angeboten werden kann.

Material und Methoden

Die semantische Suche selbst erfolgt mittels der automatischen Abbildung in die medizinische Nomenklatur Wingert NC[3] auf Basis von Segmentierung (morphologische Analyse), Parsing (syntaktische Analyse) und Indexierung sowie der Heranziehung des medizinisch-semantischen Netzes unter Nutzung der Wingert NC. Vorhandene Untersuchungen zu Benutzereingaben (n>25.000) in der Codierung haben ergeben, dass die von den Anwendern eingegeben Informationen in aller Regel nicht ausreichen, um genau einen Code zu definieren. Lösungen, die ein einstufiges Verfahren suggerieren, fordern den Nutzer auf, in einem Dialogverfahren Verfeinerungen vorzunehmen, d. h. der Nutzer muss mit Mausklicks die ursprüngliche Suchanfrage weiter präzisieren. Die automatische Analyse von Freitext ist damit z. B. nicht möglich, da die klinische Definition fast ausnahmslos exakter ist als die Angaben einer Klassifikation.

Das verwendete Konzept basiert auf einem semantischen Netz und ist damit unabhängig von Klassifikationen auch für Prozeduren und Medikamente nutzbar [4]. Darüber hinaus macht dies eine internationale Verwertbarkeit möglich. Zur Lösung der Herausforderungen im Hinblick auf Mehrfachcodierung oder die Komplexität der Deutschen Kodierrichtlinien wurde eine Verbindung mit Regelwerken geschaffen, die in der Arden-Syntax implementiert worden sind [5], [6]. Die regelbasierte semantische Codierung berücksichtigt auch nicht-medizinische, administrative Parameter. Relevante Codes werden automatisch erzeugt und zur Auswahl vorgeschlagen. Mit dieser durchgängigen Nutzung einer Standardterminologie, die auf einer Standard-Ontologie basiert, ist die Applikation auch im Hinblick auf jährliche Klassifikationswechsel zukunftssicher. Mit diesem Verfahren ist es darüber hinaus möglich, direkt aus medizinischen Freitexten codierrelevante Informationen zu extrahieren [7]. Im semantischen Netz werden im Gegensatz zu postkoordinierenden Systeme die Indizes in Tupeln abbildet. Damit lassen sich beliebig viele Aspekte medizinischer Ereignisse auch in komplexer Kombination exakt definieren. Auch weitere Terminologien, wie z. B. SNOMED CT, können mit dieser Methode abgebildet werden [8].

Ergebnisse

Durch die Verwendung des semantischen Netzes wird die Codierung erheblich beschleunigt und durch die Vermeidung typischer Fehler qualitativ verbessert. Das technologische Fundament der Applikation, das semantische Netz, eignet sich jedoch auch für weitergehende Anwendungen. Zukünftig werden relevante Dienste aus einem Terminologieserver heraus innerhalb von KIS nutzbar, die direkt in Modulen zur Arztbriefschreibung o. ä. integriert sind und z. B. über Methoden der Informationsextraktion codierrelevante Daten generieren. Damit steht eine praxistaugliche auf Standardterminologien basierende Lösung zur Verfügung, die auch für neuartige workflow-Lösungen im KIS Bereich einsetzbar ist.

Diskussion

Durch den Ansatz des semantischen Netzes gehen die Einsatzmöglichkeiten in der Dokumentation weit über die reine Textsuche zur Codierung in Klassifikationen hinaus. Durch die Komposition aus medizinischer Terminologie (Nomenklatur) und aufsetzendem Regelwerk lässt sich das System – insbesondere bei Nutzung in einem Terminologieserver – als Element der klinischen Prozesssteuerung einsetzen. Dieser über Klassifikationstexte hinausgehende Lösungsansatz ist sinnvoll, da z.B. für die Dokumentation von Medikamenten oder die Arztbriefschreibung Klassifikationen allein nicht ausreichen. Insgesamt gilt es zu bedenken, dass Software dem Arzt die explizite Auswahl bzw. Bestätigung eines Codes nicht abnehmen sollte, da erhebliche Konsequenzen mit einer codierten medizinischen Information verbunden sein können.

Mit diesem Ansatz können dokumentierende Medizinerinnen und Mediziner klinische Sachverhalte komplett in service-orientierten Softwarestrukturen definieren, wodurch der Überblick jederzeit erhalten bleibt und eine effektive und effiziente Codierung sichergestellt wird.


Literatur

1.
Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information. Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10-GM). Köln, 2005
2.
Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information. Operationen und Prozedurenschlüssel (OPS-301). Köln, 2005
3.
Wingert F. SNOMED Manual. Berlin, Heideberg: Springer, 1984.
4.
http://wido.de/amtl_atc-code.html (06.04.2006): Amtlicher ATC-Code.
5.
Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus gGmbH (InEK). Deutsche Kodierrichtlinien - Allgemeine und Spezielle Kodierrichtlinien für die Verschlüsselung von Krankheiten und Prozeduren. Version 2006. Siegburg, 2005
6.
http://cslxinfmtcs.csmc.edu/hl7/arden/ (06.04.2006): The Arden Syntax for Medical Logic Systems.
7.
Denecke K, Diekmann F, Kohlhof I: Verwendung syntaktischer Informationen zur Verarbeitung medizinischer Texte. In: Tagungsband der 12. Jahrestagung der gmds 2005
8.
http://www.snomed.org/ (06.04.2006): SNOMED Clinical Terms (SNOMED CT