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51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (gmds)

10. - 14.09.2006, Leipzig

Validierte Referenzdaten für die bildbasierte Computer Assistierte Hämatologie

Meeting Abstract

  • Sebastian Mues-Hinterwäller - Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen IIS, Erlangen
  • Thomas Wittenberg - Fraunhofer IIS, Erlangen

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (gmds). 51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Leipzig, 10.-14.09.2006. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2006. Doc06gmds236

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Published: September 1, 2006

© 2006 Mues-Hinterwäller et al.
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Einleitung und Fragestellung

Die Steigerung der Effektivität und der Effizienz in einem Labor geht einher mit gesetzlichen Änderungen im Gesundheitswesen, einer Fokussierung der Tätigkeitsfelder der Labor-Mitarbeitern sowie eine damit verbundene Spezialisierung auf bestimmte Fragestellungen, wie beispielsweise auf die Hämatologie. Entsprechend rücken organisatorische Maßnahmen in einem Labor wie beispielsweise die Qualitätssicherung oder Anpassung und Änderungen von Routineabläufen in das Zentrum der Aufmerksamkeit von Laborbetreibern. In diesem Kontext sind Bestrebungen zu sehen, die Abläufe und Prozesse im Labor so weit als möglich zu automatisieren bzw. den Experten bei der Differenzial-Diagnose zu unterstützen bzw. so weit wie möglich zu entlasten. Ein typisches Beispiel für eine derartige Prozessumstellung und Automatisierung ist die Erstellung eines Differentialblutbildes. Ein solches Differentialblutbild ist eine gängige Untersuchung im Laborbetrieb und wird i.d.R. täglich von jedem Patienten eines Krankenhauses angefordert und erstellt. Hierbei werden die weißen Blutkörperchen (Leukozyten) des menschlichen Blutes nach ihren Unterarten und Häufigkeiten gezählt. Die unterschiedliche Verteilung der einzelnen Leukozytenarten erlaubt dem behandelnden Arzt Rückschlüsse auf evtl. Ursachen von Krankheiten und lassen sowohl Diagnose als auch Therapiemöglichkeiten erkennen. Die Anfertigung eines solchen Differentialblutbildes geschieht heute routinemäßig in den Laboren der Kliniken und wird hier von einem durchflusszytometrischen Automaten übernommen. Bei unauffälligen Blutbildern kann mit Hilfe der Durchflusszytometrie ein automatisches Blutbild sicher erstellt werden. Jedoch kommen die aktuellen Geräte mit abnormalen Blutbildern nicht zurecht und das Differentialblutbild muss in einem zweiten Schritt manuell unter dem Mikroskop durch eine entsprechend qualifizierte Fachkraft erstellt werden. Aktuell müssen in den Krankenhäusern in Deutschland ca. 40 % aller Differentialblutbilder manuell erstellt werden. Um diese zusätzliche Untersuchung so weit wie möglich zu unterstützen, werden heutzutage in großen Labors sog. Laborstrassen mit einer aufeinander abgestimmten Kombination von Ettiketierungs-, Ausstrich- und Färbeautomaten eingesetzt, deren letzter Schritt in der Verarbeitungskette sog. Mikroskopbasierte Computer-Assistierte Diagnose-Systeme (CAD) bilden [1]. Während die Färbe- und Ausstrichautomaten im wesentlich ohne Expertenwissen auskommen, sind die mikroskopbasierten CAD System im höchsten Masse abhängig von Expertenwissen, um die Laborkräfte entsprechend bei der Diagnose zu unterstützen. Im Rahmen dieser Arbeit sollen Konzepte vorgestellt werden, um derartiges Expertenwissen nahtlos und systematisch in das hämatologische Computer-Assistierte Mikroskopie-System HemaCAM™ zu integrieren, bzw. um im Bedarf zusätzliches Wissen über eine aufgenommenen Probe von einem Experten via einer Internetkonsultation zu erhalten.

Material und Methoden

Das HemaCAM -System ist in der Lage, in drei unterschiedlichen Modi mit entsprechenden Benutzergruppen zu agieren, in (a) einem Trainingsmodus, (b) einem CAD- Modus sowie einem Konsultationsmodus. Für alle drei Modi sind die ersten Schritte der Aufnahme- und –Bildverarbeitungsprozesse identisch. Diese Schritte bestehen aus dem Einlegen einer ausgestrichenen und gefärbten Blutprobe auf einem Glasträger unter das Mikroskop, dem automatischen Abfahren des Objektträgers unter einem Objektiv mit niedriger optischer Auflösung zur Suche nach einer vorgegebenen Anzahl von Leukozyten (z.B. n=100), das Anfahren jedes einzelnen dieser Leukozyten mit einer höheren optischen Auflösung, deren Aufnahme und Digitalisierung sowie einer vollautomatischen Bildsegmentierung der Leukozyten in den Bildern [2]. Alle vom System digitalisierten Zellbilder werden lokal abgespeichert. Das reine "sammeln" der 100 Leukozyten übernimmt das System voll automatisch und bietet dabei einen definierten Ablauf und ein reproduzierbares Ergebnis. Ab dieser Stelle trennen sich die drei Modi.

Im Trainingsmodus werden die unklassifizierten „Rohdaten“ (d.h. die Bilder der einzelnen Leukozyten) zunächst in einem MPEG-7-ähnlichen Format abgespeichert. Alle Bilder einer Probe werden anschließend auf einem sog. Klassifikationsserver zur Verfügung gestellt, und können dort von berechtigten Experten über das Internet unter Verwendung eines Webbrowsers vorklassifiziert werden [3]. Für jede Zelle einer Probe werden die Klassifikationsvorschläge aller Experten gesammelt, bei Übereinstimmung der Meinungen wird die entsprechende Information in die Referenzdatenbank des HemaCAM-Systems übernommen. Anderenfalls wird entweder die Zelle aus der Stichprobe entfernt oder die Konfliktsituation über ein Konzil gelöst. Das Ergebnis der Trainingsphase ist eine mehrfach vorklassifizierten und validierte Referenzbilddatenbank, auf deren Basis das System dann im CAD-Modus agiert.

Im CAD-Modus werden die aufgenommenen Bilddaten auf der Basis der Referenzbilddatenbank automatisch vom HemCAM-System klassifiziert und auf einem Server abgespeichert. Die Klassifikationsresultate können dem klinischen Benutzer in geeigneter Form mit einem Webbrowser und einer am Netzwerk angeschlossenen Arbeitsstation präsentiert werden. Der Benutzer ist dann in der Lage, die Klassifikationsvorschläge des Systems zu bestätigen oder ggf. einzelne Leukozyten via Drag & Drop Technik nachzuklassifizieren. Abschließend wird vom Benutzer die zugehörige Diagnose erstellt. Nach dieser Befundungsphase werden alle Bild- und Diagnosedaten mit den zugehörigen demographischen Daten des Patienten aus dem Laborinformationssystems zusammengeführt und in einem XML Format auf einen Server geschrieben und stehen dem KIS zur Verfügung.

In den Fällen der täglichen Routine, in der die Diagnose-Erfahrung des Laborpersonals keine eineindeutige Befundung von einer Zelle zulässt, kann letztendlich der Konsultations-Modus verwendet werden. Entsprechend werden alle Daten einer Probe markiert, zusammengepackt und innerhalb des Systems an einen anderen Experten verschickt, um dessen Meinung einzuholen. Im Gegenzug lassen sich derartig Meinungen für seltene Fälle leicht in die Referenzbilddatenbank integrieren. Ein Erweiterung dieses Konsultations-Modus ist Möglichkeit, anonymisiert interessante Fälle zu sammeln und in einer Internetkonferenz mit Experten diskutieren. Für diese Art der Expertenrunde steht ein von der Fa. Horn Imaging entwickeltes System zur Verfügung, das auch für ähnliche Zwecke eingesetzt wird und etabliert ist.

Diskussion

Durch die Integration und Nutzung eines automatisierten und systematischen Systems für die bildbasierte Erstellung eines Differenzialblutbildes in den Laborablauf sowie der Möglichkeit zusätzliche externe Expertenmeinungen abzurufen, kann eine erhöhter Standardisierung in der Differenzierung von Blutproben erreicht werden, da strategische Ressourcen effektiver eingesetzt werden können und Arbeitsablaufe klar definiert und dokumentiert sind. Darüber hinaus kann durch die geschickte Nutzung solcher Systeme eine Refenzbild- bzw. Wissensdatenbank mit validierten Zell-Bildern bzw. Fällen erstellt und etabliert werden. Diese mehrfach validierten Referenzdatenbanken lassen sich nicht nur für eine Computer-Assistierter Diagnose einsetzen, sondern können zudem für Lehrzwecke eingesetzt werden. Eine weitere Nutzung dieser Referenzbilddatenbank ergibt sich durch die Möglichkeit eines sog. "Zellretivials" zur Entscheidungsfindung während der Differenzierung. In diesem Fall können für eine fragliche Referenzzelle über geeignete Ähnlichkeitsmasse mit Hilfe von sog. Content-Based Image–Retrival-Verfahren ähnliche vorklassifizierte Referenzzellen aus der Datenbank abgerufen und dem Benutzer präsentiert werden [4]. Die Computer Assistiere Mikroskopie im Bereich der Differenzial – Blutbild Analyse schafft so für das Labor die Flexibilität, mehr Leistungen anzubieten, ohne zusätzliche zeitliche und personelle Ressourcen zu binden.


Literatur

1.
Kuziela H, Pouwels C, Luthe H, Grobe M, Ehrlich B, Obergfell A, Wittenberg T, Schmidt R. Automatisches Differential-Blutbild anhand digitalisierter mikroskopischer Aufnahmen . In: Boenick U, Bolz A, Hrsg. Proc’s DGBMT. 2004. vol 49-2-2. Biomedizinische Technik. 38. DGBMT Jahrestagung BMT. 2004, 22.-24. Technische Universität Ilmenau. 2004: 922 – 923.
2.
Wittenberg T, Kuziela H, Mues-Hinterwäller S, Münzenmayer C, Couronné R. Active Computer Vision: A necessary Paradigm for Computer Assisted Diagnosis. In: Kalender W, Hahn E, Schulte A, Hrsg. Proc’s of the jointly held Congresses ICMP 2005 and BMT 2005. Vol50(1) of Biomedizinische Technik. 2005: 294 – 296.
3.
Grobe M, Kuziela H, Münzenmayer C, Wittenberg T, Schmidt R. Erstellung von klassifizierten Referenzdatensätzen durch Experten für die Evaluierung von Algorithmen. In : Boenick U, Bolz A, Hrsg. Proc’s DGBMT 2004. vol 49-2-2. Biomedizinische Technik. 38. DGBMT Jahrestagung BMT. 2004, 22.-24. Technische Universität Ilmenau. 2004: 916 – 917.
4.
Münzenmayer C, Hirsch A, Paulus D, Wittenberg T. Diagnostic reasoning supported by content-based image retrieval. In: Proc's of the Workshop 'Mixed-reality as a challenge to image understanding and artificial intelligence'. Koblenz. 2005.