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51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (gmds)

10. - 14.09.2006, Leipzig

Unterstützung für die Durchführung epidemiologischer Studien - Modys - eine Datenbankapplikation

Meeting Abstract

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  • Achim Reineke - BIPS, Bremen
  • Sönke Knut Voß - BIPS, Bremen
  • Heidi Asendorf - BIPS, Bremen

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (gmds). 51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Leipzig, 10.-14.09.2006. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2006. Doc06gmds180

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/meetings/gmds2006/06gmds186.shtml

Published: September 1, 2006

© 2006 Reineke et al.
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Einleitung

Der Einsatz moderner IT-Systeme und geeigneter Konzepte für die Durchführung epidemiologischer Studien hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Im Umfeld knapper Finanzmittel müssen Werkzeuge zur Rationalisierung und Effektivierung der Abläufe und des Informationsmanagements entwickelt werden. Zunehmend komplexere Studienverläufe sind ohne geeignete IT-Lösungen nicht mehr beherrschbar. Das BIPS verfügt über eine Reihe von IT-Werkzeugen, die über viele Jahre entwickelt, verbessert und in verschiedenen Studien eingesetzt wurden. Eines dieser Werkzeuge ist Modys, eine Datenbankapplikation zur EDV-technischen Unterstützung in der Feldphase einer Studie. Modys ist eine Weiterentwicklung der bisher im Institut eingesetzten Systeme, zurückgehend auf die ersten Implementierungen in dBaseIII+ und das Terminverwaltungs- und Informationssystem (Tevis) [1], das über mehrere Jahre in verschiedenen Studien eingesetzt wurde.

Problembeschreibung

An Studien, wie sie im BIPS durchgeführt werden, können mehrere tausend Probanden beteiligt sein. Abhängig vom Studientyp (Fall-Kontroll-Studien, Kohortenstudien etc.) werden die Probanden ermittelt, kontaktiert, zur Teilnahme an der Studie motiviert und interviewt. Dazu müssen die Daten der Probanden verwaltet, Anschreiben verschickt, telefonische Nachfragen eingeleitet und der Rücklauf von den Probanden erfasst, dokumentiert und verwaltet werden. Der komplette Interviewbetrieb ist abzuwickeln, bestehend aus der Organisation der Interview- und evtl. notwendiger Untersuchungstermine (z.B. durch einen Arzt), der Verwaltung der InterviewerInnendaten und der Abrechnung von Interviewvergütungen. Zusätzlich sind Funktionen notwendig, um jederzeit einen Überblick über den Stand der Erhebung und den Studienverlauf zu ermöglichen. Auch wenn sich die Abläufe zumindest innerhalb der Studientypen ähneln, können sie nicht soweit standardisiert werden, dass die erstellten Programme und Funktionen aus vorhergehenden Studien unverändert übernommen werden können. Die ständig wechselnden Anforderungen und die unterschiedlichen Verfahren in der Durchführung der einzelnen Studien, stellen hohe Anforderungen an die Flexibilität der eingesetzten IT-Werkzeuge. Um die Werkzeuge effektiv einsetzen zu können, muss der Anteil, der neu erstellt bzw. angepasst werden muss, so klein wie möglich gehalten werden. Ein wichtiger Aspekt ist auch die Wartbarkeit des Systems. Die Anzahl und Komplexität der zu entwickelnden Komponenten wie Formulare und Module sollte so gering wie möglich gehalten werden. Redundanzen im Programmcode sollten unbedingt vermieden werden, um das System überschaubar und damit auch weniger fehleranfällig zu gestalten.

Anforderungen

Der tägliche Einsatz der bisher verwendeten Systeme zeigte an verschiedenen Stellen Defizite auf. Die Flexibilität einzelner Programmbestandteile reichte für eine schnelle, problemlose Anpassung an eine neue Studie noch nicht aus. Die Benutzerführung war nicht immer konsistent und die Dokumentation des Verlaufes für den einzelnen Probanden war für Auswertungen nur schwer verwertbar. Basierend auf den erworbenen Erfahrungen wurde ein Nachfolgesystem konzipiert und implementiert. Ziel der Entwicklung war die Optimierung der betrieblichen Abläufe und die Entlastung der Mitarbeiter von Routineaufgaben, insbesondere:

  • Bedienungskomfort für den Anwender: Die notwendigen Tätigkeiten müssen menügeführt / -gesteuert erfolgen können. Für die Benutzung sollen keine fortgeschrittenen Anwenderkenntnisse (z.B. Serienbrieferstellung in Word) und in keinem Fall Programmierkenntnisse erforderlich sein.
  • Anwenderunterstützung: Die Ablaufsteuerung, die Generierung von Anschreiben, die Dokumentation usw. müssen vollständig automatisiert erfolgen. Für Aufgaben, die nicht automatisiert ablaufen können, muss das System dem Anwender alle erforderlichen Informationen übersichtlich zur Verfügung stellen.
  • Flexibilität: Die Anpassung an eine neue Studie soll möglichst ohne eine Neu- bzw. Umprogrammierung einzelner Bestandteile erfolgen können.
  • Standardisierung der Abläufe und der Arbeitsumgebung: Für sich wiederholende Arbeitsschritte sollen über die verschiedenen Studien hinweg gleiche Formulare mit gleichen Funktionalitäten bereitgestellt werden
  • Übersicht über den Studienverlauf: Zu jedem Zeitpunkt müssen Informationen über den Verlauf der Studie wie die Anzahl der durchgeführten Interviews, die Verweigererrate, die offenen Kontakte usw. abrufbar sein. Die gesammelten Informationen müssen ausgewertet werden können (Response-Statistiken etc.).
  • Qualitätssicherung und Qualitätskontrolle: Alle Vorgänge und Aktionen zu jedem Probanden müssen protokolliert und ausgewertet werden können.
  • Wartbarkeit: Das System muss erweiterbar sein und mit im Institut vorhandenem Know How gepflegt werden können.

Die Erarbeitung der Anforderungsdefinitionen und die Festlegung der Zielkriterien erfolgt in enger Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern aus dem Arbeitsbereich des Instituts in dem das System eingesetzt wird. Die dort vorhandene Expertise für die reale Durchführung einer Erhebung kann so in die Entwicklung einbezogen werden. Verbesserungsvorschläge werden fachübergreifend diskutiert und wenn möglich in neuen Versionen des Systems umgesetzt.

Umsetzung

Um das komplexe Prozedere einer Erhebung EDV-technisch abbilden zu können, wurde es in einzelne Vorgänge und Aktionen unterteilt. Diese werden als Stationen im System abgebildet. Jeder Proband ist abhängig von seinem jeweiligen Bearbeitungsstatus in einer solchen Station. Die Stationen sind über ihre Ein- und Ausgänge miteinander verbunden und ergeben eine baumartige Struktur. Die einzelnen Stationen bestehen für den Benutzer sichtbar aus Bearbeitungsmasken, in denen die jeweils notwendigen Tätigkeiten ausgeführt werden können. Die Einrichtung und Konfiguration der Stationen erfolgt dabei ausschließlich über Einträge in verschiedenen Konfigurationstabellen, in denen auch die Zusammenstellung und Reihenfolge der Stationen festgelegt werden kann. Änderungen im Programmcode sind nicht erforderlich. Neue Stationen können jederzeit definiert und in die bestehende Struktur eingebunden werden. Jede Station bildet für sich eine geschlossene Einheit und wird durch eine Reihe von Parametern definiert. Für unterschiedliche Aktionen gibt es jeweils angepasste Stationstypen. Derzeit sind z.B. Typen für die Erzeugung von Serienbriefen, für die Rücklaufkontrolle, für die Erstellung von Übersichtsberichten, für die Anzeige von Bearbeitungslisten und spezielle Stationstypen für die Ablaufsteuerung implementiert. Das System kann jederzeit durch weitere Stationstypen ergänzt werden. Die Reihenfolge der Stationen ist im Prinzip frei konfigurierbar. Dazu sind lediglich die entsprechenden Einträge in den Tabellen zu ändern. Verschiedene Konfigurationsformulare unterstützen den Anwender bei diesen Tätigkeiten und ermöglichen so eine schnelle Anpassung an Änderungen im Studienablauf oder für eine neue Studie.

Um die Wartbarkeit des Programmcodes zu verbessern, wurden generische Formulare und Programmmodule entwickelt. Alle Stationen eines Typs verwenden die gleichen Formulare und Module. Mit diesem Ansatz konnte die Anzahl der für die Steuerung des Studienverlaufes notwendigen Formulare auf weniger als zehn begrenzt werden, unabhängig davon, wie komplex der abzubildende Studienverlauf ist.

Für die Dokumentation des Studienverlaufes, also den Weg eines jeden Probanden durch den Baum, wurde eine Dokumentationskomponente entworfen. Sie besteht aus einer zusätzlichen Tabelle, in die über definierte Funktionen standardisierte Einträge erfolgen. Der Aufruf der Protokollfunktionen ist in die Module zur Ablaufsteuerung integriert und wird automatisch ausgeführt. Parameter wie der Zeitpunkt des Kontaktes mit Datum und Uhrzeit, der Name des Anwenders, die kontaktierte Person und das Ergebnis des Kontaktes bzw. der Aktion werden protokolliert.

Eine Statistikkomponente wertet diese Einträge aus und stellt Funktionen zur Erstellung von Response- und anderen häufig benötigten Statistiken zur Verfügung. Mit der erzeugten Datenbasis sind aber auch speziellere Auswertungen möglich, wie die Ermittlung der durchschnittlichen Anzahl benötigter Kontakte bis zum Erreichen des vollständigen Interviews, aufgeschlüsselt nach Wochentagen und Uhrzeiten. Die gesammelten Daten dienen außerdem zur Qualitätssicherung und Qualitätskontrolle. Es ist jederzeit möglich, den Verlauf der Kontaktaufnahme für jeden einzelnen Probanden nachzuvollziehen. Mögliche auch systematische Fehler im Procedere können erkannt und behoben werden. Zudem sind für die Planung neuer Studien genauere Annahmen über den notwendigen Aufwand und die benötigte Zeit möglich.

Fazit und Ausblick

Modys und seine Vorgängersysteme wurden in verschieden großen Fall-Kontroll- und Kohorten-Studien eingesetzt. Das Konzept hat sich in der Praxis bewährt. Komplexe Studienverläufe konnten durch das modulare Konzept problemlos abgebildet werden. Die Einrichtung des Systems für ein normal komplexes Projekt setzt weder vollständige Kenntnis über die internen Strukturen noch zusätzliche Programmierarbeiten voraus. Die Zeit, die für die Konfiguration notwendig ist, konnte drastisch reduziert werden. Die Anzahl der benötigten Formulare und Module wurde durch die Mehrfachnutzung verringert. Erweiterungen und Fehlerkorrekturen können so einfacher durchgeführt werden. Der Einsatz des Systems leistet einen wichtigen Beitrag zur Qualitätssicherung und zur Optimierung der Abläufe.

Bisher wurden schon ein Reihe von Modulen für unterschiedliche Tätigkeiten wie die Suche und Vergabe von Telefonnummern, die Serienbrieferstellung, ein integrierter Kalender für die Terminplanung, eine Erfassungskomponente für die Dokumentation von direkten Kontakten mit den Probanden, Komponenten für die Verwaltung der InterviewerInnen- und Probandendaten und ein Wiedervorlagesystem realisiert. Weitere Module werden noch hinzukommen. Aktuell haben die Planungen zur Erweiterung von Modys für die Nutzung in unterschiedlichen Sprachen begonnen. Das System soll in den nächsten Jahren in einer großen europaweiten Studie eingesetzt werden.


Literatur

1.
Reineke, A. et al.: Terminverwaltungs- und Informationssystem TEVIS. 6. Fachtagung des Verbandes medizinischer Dokumentare e.V. Ludwigshafen, 1999