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51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (gmds)

10. - 14.09.2006, Leipzig

Berücksichtigen Leitlinien die aktuelle Evidenzlage? Ein Vergleich von Leitlinienempfehlungen mit den Ergebnissen einer systematischen Übersichtsarbeit zu kurzwirksamen Insulinanaloga unter Berücksichtigung patientenrelevanter Outcomes

Meeting Abstract

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  • Anne Kathrin Stich - Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, Köln
  • Ulrich Siering - Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, Köln
  • Hanna Kirchner - Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, Köln

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (gmds). 51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Leipzig, 10.-14.09.2006. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2006. Doc06gmds316

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Published: September 1, 2006

© 2006 Stich et al.
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Einleitung und Fragestellung

Vor dem Hintergrund steigender Verordnungszahlen wurde das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) beauftragt, den Nutzen kurzwirksamer Insulinanaloga (kIa) im Vergleich zu Humaninsulin bei Typ 2 Diabetes Mellitus (DMT2) zu bewerten. Im Februar 2006 wurde diese systematische Übersicht veröffentlicht [1]. Am Beispiel der systematischen Übersicht wurde untersucht, ob die Kernempfehlungen von Behandlungsleitlinien für DMT2 denen der aktuell besten Evidenz entsprechen und ob diesbezüglich ein Zusammenhang mit der Qualität der Leitlinien besteht.

Material und Methoden

Es wurde eine systematische Recherche nach Behandlungsleitlinien zum DMT2 für den Zeitraum 1999 – 2005 durchgeführt. Diese erfolgte in den Datenbanken Embase und Medline, der Internetseite „leitlinien.de“ sowie in der Leitliniendatenbank des Guidelines International Network (G-I-N). Die Suche erfolgte nach auf Deutsch, Englisch, Niederländisch, Französisch oder Spanisch publizierten Leitlinien. Ausgeschlossen wurden Leitlinien zu Schwangerschaftsdiabetes oder spezifischen diabetesbedingten Folgeerkrankungen. Zwei Reviewer (1) prüften die methodische Qualität der Leitlinien nach den AGREE-Kriterien, (2) erstellten eine Übersicht zu patientenrelevanten Outcomes (u. a. Mortalität, Morbidität, Hyper- und Hypoglykämien, Lebensqualität), (3) prüften die Evidenzbasierung der Aussagen zu kIa, (4) verglichen die Aussagen mit den Ergebnissen des Reviews.

Ergebnisse

Es wurden 89 Diabetesleitlinien identifiziert. 21 machen Aussagen zu kIa. Davon befürworten 10 Leitlinien grundsätzlich diese Therapieform, 9 sehen keine ausreichende Evidenzlage für eine Empfehlung und 2 Leitlinien machen unspezifische Aussagen.

15 Leitlinien beurteilen die Auswirkungen der kIa hinsichtlich des patientenrelevanten Endpunkts Hyper- und Hypoglykämieraten. Davon beschreiben 5 die Evidenzlage als zu gering, um ihre Anwendung zu befürworten und stimmen damit mit den Aussagen unseres Reviews überein. 10 Leitlinien sehen abweichend eine Überlegenheit der kIa gegenüber Humaninsulin. 5 der Leitlinien mit Aussagen zu Hyper- und Hypoglykämieraten besitzen eine gute methodische Qualität. Davon stimmen zwei mit den Aussagen unseres Reviews überein. Zehn der Leitlinien weisen eine geringe methodische Qualität auf. Nur 3 dieser zehn Leitlinien treffen Aussagen zum Nutzen von raIs in Bezug auf Hyper- und Hypoglykämieraten, die mit der aktuellen Evidenzlage übereinstimmen.

Lediglich 4 der 21 Leitlinien äußern sich zum patientenrelevanten Endpunkt Mortalität. Alle 4 sehen zu wenig Evidenz, um kIa zu empfehlen und stimmen mit den Ergebnissen unserer systematischen Übersicht überein. Nur 2 Leitlinien machen Aussagen zur Lebensqualität und sehen einen Vorteil für die Lebensqualität bei kIa. Diese Aussage steht im Gegensatz zu aktuellen Studienergebnissen. Beide Leitlinien besitzen eine schlechte methodische Qualität.

Diskussion

Etwa die Hälfte der Leitlinien mit Aussagen zu kIa empfehlen diese und weichen so von der aktuellen Evidenzlage ab. Nur fünf der Leitlinien mit Aussagen zu Hyper- und Hypoglykämieraten bei kIa stellen die aktuelle Evidenzlage zu diesem patientenrelevanten Endpunkt korrekt dar. Mit Ausnahme der Hyper- und Hypoglykämieraten werden patientenrelevante Endpunkte nur in wenigen Leitlinien differenziert dargestellt. Bezüglich der inhaltlichen Empfehlungen bestehen insgesamt nur geringe Unterschiede zwischen Leitlinien von hoher und niedriger Qualität.


Literatur

1.
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen: Kurzwirksame Insulinanaloga zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 – Abschlussbericht. [Auftrag A05-04] Version 1.0 Stand: 15. Dezember 2005.