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51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (gmds)

10. - 14.09.2006, Leipzig

Reliabilität und Validität der histopathologischen Befundung von Stanzbiopsien unter Verwendung der B-Klassifikation – Design und Methoden der DIOS-Studie

Meeting Abstract

  • Alexander Kluttig - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale)
  • Pietro Trocchi - Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale)
  • Anke Heinig - Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale)
  • Hans-Jürgen Holzhausen - Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale)
  • Werner Böcker - Universität Münster, Münster
  • Thomas Löning - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg
  • Andrea Schmidt-Pokrzywniak - Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale)
  • Christoph Thomssen - Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale)
  • Andreas Stang - Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (gmds). 51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Leipzig, 10.-14.09.2006. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2006. Doc06gmds219

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Published: September 1, 2006

© 2006 Kluttig et al.
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Text

Einleitung und Fragestellung

Aufgrund der anstehenden Einführung eines deutschlandweiten qualitätsgesicherten Mammographie-Screenings wird in Zukunft der Anteil der mammographisch-detektierten kleinen Veränderungen der Brust zunehmen. Zur Abklärung solcher Läsionen wird vor der Durchführung einer offenen Biopsie unter Vollnarkose in der Regel eine Stanzbiopsie durchgeführt. Die histopathologische Klassifikation stanzbioptischer Befunde richtet sich hierbei nach der B-Kategorisierung (B1-B5), die in den Leitlinien der EU und der deutschen S3-Leitlinie empfohlen wird [1], [2]. Typischerweise werden Patientinnen mit B1-B2 lediglich nachverfolgt, während Patientinnen mit B3-B5 Läsionen in der Regel offen bioptisch im Rahmen einer Operation abgeklärt werden. Eine Fehlklassifikation von Befunden B1-B2 versus B3-B5 kann dazu führen, dass Patientinnen unnötig offen operiert werden (falsch-positive Rate) bzw. nicht operiert werden, obwohl sie abklärungsbedürftige Befunde aufweisen (falsch-negative Rate). Bisher gibt es nur wenige Erfahrungen zur Abschätzung der Validität und Reliabilität der B-Kategorisierung. Primäres Studienziel ist die Ermittlung der Konstruktvalidität (Sensitivität und Spezifität) sowie die Ermittlung des positiven und negativen prädiktiven Wertes der histopathologischen B-Kategorisierung von stanzbioptischem Brustgewebe. Potentielle Determinanten von falsch-positiven und falsch-negativen Befunden sollen ermittelt werden. Ein weiteres Studienziel ist die Untersuchung der Inter- und Intraobserver Variabilität (Reliabilität) und deren potentiellen Determinanten.

Material und Methoden

Es sollen ca. 800 Frauen, die aufgrund eines bildgebenden Verfahrens der Brust (Mammographie, Ultraschall, MRT) als abklärungsbedürftig eingestuft werden und an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg mit Hilfe von Stanzbiopsien histopathologisch abgeklärt werden, in die Studie eingeschlossen werden. Die Fallzahl von 800 Frauen ergibt sich aus folgenden Annahmen: a) der wahre Anteil der Frauen mit B3-B5 betrüge 0.20, b) der erwartete kappa-Wert sei 0.80, c) die Präzision der kappa-Schätzung solle mit einem Abstand vom Punktschätzer zum oberen und unteren 95% Konfidenzlimit von 0.05 einhergehen, d) das Konfidenz-Level betrüge 0.95 und e) die Berechnung erfolge zweiseitig. Unter diesen Annahmen ergibt sich für die Fragestellung der Interobserver-Variabilität eine Fallzahl von 886 Frauen. Für die übrigen Fragestellungen lag die Fallzahlkalkulation unter dieser Zahl.

Die Gewebeentnahme erfolgt entweder durch mammographisch-, sonographisch- oder MRT- gestützte Vakuumstanz- bzw. Hochgeschwindigkeitstanzbiopsien. Die entnommenen Gewebeproben werden durch die Pathologen des Instituts für Pathologie der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg befundet und nach der B-Klassifikation kategorisiert. Nachdem die Befundung durch die Pathologen in Halle abgeschlossen ist, werden die Gewebeproben an die Referenzpathologie Münster versandt. Hier erfolgt eine zweite mikroskopische Befundung mit zusätzlicher immunohistochemische Färbung. Der sich anschließende Vergleich der Erstbefunde und der Referenzbefunde erlaubt die Berechnung der Sensitivität, Spezifität sowie der prädiktiven Werte der B-Kategorisierung unter der Annahme, dass die Befundung durch die Pathologie Münster als Konstruktstandard anzusehen ist. Argumente für einen Konstruktstandard sind: 1) die Pathologie der Universität Münster ist Referenzzentrum für das nationenweite Mammographie-Screening; 2) der befundende Pathologe ist ein international renommierter Mammapathologe mit jahrzehntelanger Erfahrung in der Mammadiagnostik und diversen innovativen Forschungsansätzen; 3) von jeder Patientin wird eine immunhistochemische Färbung des Gewebes erfolgen,, welches eine verbesserte Differenzierung des Gewebes ermöglicht. Bei diskordanten Befunden, d.h. bei Abweichungen in der B-Klassifikation, erfolgt eine telefonische Konsensfindung zwischen den Pathologen in Halle und Münster.

Die Bewertung durch einen zweiten in Hamburg ansässigen Pathologen erlaubt eine Evaluation der Interobserver-Variabilität. Dafür werden die Gewebeproben nach der Referenzbefundung an das Referenzzentrum für Gynäkopathologie und Zytologie am Institut für Pathologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, gesandt. Die Befundung durch den Zweitbefunder erfolgt verblindet gegenüber dem Befund des Erstbefunders und des Referenzpathologen.

Nach Verstreichen einer Zeit von 6 Monaten wird durch die drei Pathologen der Universitäten Halle, Münster und Hamburg eine erneute Befundung der Gewebe erfolgen. Diese Befundung finden unter Verblindung statt. Die Auswertung dieser Daten ermöglicht die Abschätzung der Intraobserver-Variabilität bzw. Reliabilität. Hierfür werden den Pathologen dieselben Schnitte wie für die Erstbefundung zur Verfügung gestellt.

Bei Frauen, welche aufgrund eines histopathologisch gesicherten Befunds (z.B. in situ-Karzinom oder invasives Karzinom) nach der Biopsie offen reseziert werden, wird das entnommene Material zur histopathologischen Diagnosevalidierung als Goldstandard verwendet. Frauen ohne malignen Befund werden routinemäßig nachkontrolliert. Der sich aus dieser Konstellation ergebende Fall- oder Kontrollstatus wird für eine eingebettete Fall-Kontroll-Studie genutzt, indem über postalisch versendete Fragebögen interessierende Expositionen erhoben werden. Hierdurch können Risikofaktoren für Brustkrebserkrankungen, wie z.B. Rauchstatus oder familiäre Vorbelastung, untersucht werden. Im Rahmen einer Erweiterung der Diagnose-Studie zu einer Kohorten-Studie, wird eine weiterführende Nachverfolgung der untersuchten Frauen mit Erfassung des Vitalstatus und inzidenter Ereignisse angestrebt [3].

Die Planung der Studie erfolgt gemäß der GEP (Gute Epidemiologische Praxis) und orientiert sich an der STARD - Initiative. Die Studie soll bis Oktober 2008 abgeschlossen werden.

Schlussfolgerung

Neben der Ermittlung der Validität und Reliabilität der Befundung stanzbioptischem Mammagewebes soll die Studie dazu dienen, ein Trainingsset für Pathologen zu entwickeln. Dieses soll realistische Fälle, wie sie bei stanzbioptischen Befundungen zu beobachten sind, beinhalten. Die Erkenntnis zu Einflussfaktoren einer eingeschränkten Reliabilität und Validität soll für das deutschlandweite Mammographie-Screening genutzt werden. Das übergeordnete Ziel der Studie ist es, die Interdisziplinarität in der Brustkrebsforschung zu verstärken und den Wissens- und Ergebnistransfer zwischen den verschiedenen Forschungsbereichen zu verbessern.

Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Förderkennzeichen 01ZP0507


Literatur

1.
EC Working Group on Breast Screening Pathology. Quality assurance guidelines for pathology in mammography screening –non-operative diagnosis, Chapter 6. In: Perry N, Broeders M, de Wolf C, Törnberg S (eds). European guidelines for quality assurance in mammography screening. Third edition. European Union. 2001.
2.
Schulz KD, Albert US (Hrsg.). Stufe-3-Leitlinie Brustkrebs-Früherkennung in Deutschland. München, Wien, New York: Zuckschwerdt; 2003.
3.
Stang A, Jöckel KH. Appending epidemiological studies to conventional case-control studies (hybride case-control studies). Eur J Epidemiol. 2004;19:527-532