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51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (gmds)

10. - 14.09.2006, Leipzig

Wirkung arbeits- und gesundheitsbedingter Einflussfaktoren auf die Arbeitsfähigkeit von Lehrern

Meeting Abstract

  • Reingard Seibt - Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Technische Universität Dresden, Deutschland
  • Diana Heduschka - Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Technische Universität Dresden, Deutschland
  • Diana Dutschke - Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Technische Universität Dresden, Dresden
  • Silvia Spitzer - Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Technische Universität Dresden, Dresden
  • Klaus Scheuch - Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Technische Universität Dresden, Dresden

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (gmds). 51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Leipzig, 10.-14.09.2006. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2006. Doc06gmds201

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Published: September 1, 2006

© 2006 Seibt et al.
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Text

Einleitung

Lehrer leiden häufiger als andere Berufsgruppen unter Erkrankungen, die sich auf hohe psychische Belastungen und chronische Überbeanspruchung in ihrem Beruf zurückführen lassen. Die Folgen spiegeln sich u.a. in verminderter Arbeitsfähigkeit (Af) wieder. Daher sollte untersucht werden, durch welche arbeits- und gesundheitsbedingten Faktoren sich Lehrer mit niedriger bzw. hoher Arbeitsfähigkeit unterscheiden.

Methoden

An der Studie beteiligten sich im Rahmen des Modellprojektes LANGE LEHREN 436 Grund-, 360 Mittelschul- und 278 GymnasiallehrerInnen (n = 1074; Männer: 13,8 %) aus Sachsen. Der Altersdurchschnitt der Stichprobe beträgt 47±7 Jahre. Zur Erfassung der Af diente der Fragebogen Work Ability Index [6]. Der WAI setzt sich aus 7 Subskalen zusammen, die Aussagen zur Verausgabung durch die bisherige Arbeit und zum Gesundheitszustand (Erkrankungen, Fehltage) liefern, und zu einem Gesamtscore WAI zusammengefasst werden. Dieser umfasst den Bereich von niedriger (7-36 Punkte) bis hoher Af (37-49 Punkte). Einflussfaktoren wurden über einen Fragebogen zur lehrerspezifischen Berufsanamnese [4], den Questionnaire Effort-Reward Imbalance (ERI) [5], den General Health Questionnaire (GHQ-12) [2] und den Beschwerdenfragebogen (BFB) [1] erhoben. Die Identifizierung relevanter Prädiktoren der Af erfolgte mittels Chaid-Analyse (Entscheidungsbaum) [3].

Ergebnisse

Die Af der Lehrer befindet sich mit 38±6 Punkten (gut) an der Grenze zur niedrigen Af; 37% aller Lehrer weisen niedrige (32±4 Punkte) und 63% hohe Af (41±3 Punkte) auf. Davon geben Gymnasiallehrer den höchsten (41%), Mittelschullehrer (33%) den geringsten Anteil niedriger Af an (p=.096). Lehrerinnen (39%) berichten häufiger als Lehrer (27%) niedrige Af. Hinsichtlich arbeitsbedingter Einflussfaktoren unterscheiden sich Lehrer mit niedriger vs. hoher Af weder hinsichtlich der Anzahl wöchentlicher Unterrichtstunden sowie der Anzahl unterrichteter Klassen und Jahrgangsstufen noch hinsichtlich der durchschnittlichen Klassengröße. Jedoch weisen Lehrer mit hoher Af einen höheren Zeitaufwand für schulbezogene Verantwortungen u.a. in der Tätigkeit als Direktor oder Fachberater (3,0 vs. 2,5 Zeitstunden; p = .000) bei einem geringeren Zeitaufwand für außerunterrichtliche Aufgaben wie Korrekturarbeiten oder Vor- und Nachbereitungen des Unterrichts (18,6 vs. 20,1 Zeitstunden; p=.003) auf. Lehrer mit niedriger Af arbeiten länger im Beruf (26 vs. 23 Jahre; p=.000) und berichten ein ungünstigeres arbeitsbezogenes Aufwand-Nutzen-Verhältnis (ERI: 0,7 vs. 0,6; p=.000). Hinsichtlich gesundheitsbedingter Einflussfaktoren finden sich bei Lehrern mit niedriger Af mehr physische und psychische Beschwerden (BFB: 16 vs. 7; p=.000), und sie sind psychisch stärker beeinträchtigt (GHQ-12: 15 vs. 11 Punkte; p=.000). Die häufigsten ärztlich diagnostizierten Krankheiten (Subskala 3, WAI) sind bei Lehrern mit niedriger Af Erkrankungen des Bewegungsapparates (55 vs. 21%; p=.000), des Herz-Kreislauf-Systems (33 vs. 10 %; p=.000) sowie psychische Erkrankungen (25 vs. 1 %; p=.000). Als entscheidende Prädiktoren für hohe Af ergaben sich eine geringe Anzahl physischer und psychischer Beschwerden, ausgewogene Effort-Reward-Balance sowie ein geringer Zeitaufwand für außerunterrichtliche Aufgaben; niedrige Af steht hingegen mit einer hohen Beschwerdenanzahl, stärker beeinträchtigter psychischer Gesundheit und einem langjährigen Erwerbsalter im Zusammenhang (Abbildung 1 [Abb. 1]).

Schlussfolgerungen

Arbeits- und gesundheitsbedingte Gefährdungen müssen frühzeitig erkannt und im Zusammenhang betrachtet werden, um so die Af von Lehrkräften langfristig erhalten und fördern zu können. Präventive Maßnahmen sind am Bedarf der Schule zu orientieren.


Literatur

1.
Höck K, Hess H. Beschwerdenfragebogen (BFB). Berlin: Deutscher Verlag der Wissenschaften; 1975.
2.
Linden M, Maier W, Achberger M, Herr R, Helmchen H & Benkert O. Psychological Disorder and their treatment in general praxis in Germany Results of a World Health Organization (WHO) study. Nervenarzt 1996; 67:205-215.
3.
Magidson J. The CHAID Approach to Segmentation Modeling: CHI-squared Automatic Interaction Protection. In: Bagozzi R. Advanced Methods of Marketing Research. Cambridge, Mass.: Blackwell; 1994: 118-159.
4.
Seibt R. Berufsanamnese. Unveröffentlicht; 2005.
5.
Siegrist J. Der Fragebogen zur Messung beruflicher Gratifikationskrisen (ERI). Ergo-Med 2003; 27, 5: 134-136.
6.
Tuomi K, Ilmarinen J, Jahkola A, Katajarinne L & Tulkki A. Work Ability Index (WAI). Helsinki: Finnish Institute of Occupational Health; 1998. Dt. Übersetzung: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin BAuA; 2003; Cugier, B. (Übers.): Arbeitsbewältigungsindex - Work Ability Index. 2. Aufl. Bremerhaven: Wirtschaftsverlag NW (Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: Übersetzung, Ü 14).