gms | German Medical Science

50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds)
12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie (dae)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie
Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie

12. bis 15.09.2005, Freiburg im Breisgau

Intervallkarzinome im Modellprojekt Mammographie-Screening Weser-Ems - erste Analysen

Meeting Abstract

  • Iris Urbschat - Epidemiologisches Krebsregister Niedersachsen, Oldenburg
  • Joachim Kieschke - Epidemiologisches Krebsregister Niedersachsen, Oldenburg
  • Sandra von Gehlen - OFFIS, Oldenburg
  • Andreas Thiel - Carl von Ossietzky Universität, Oldenburg
  • Gerold Hecht - Mammographie-Screening Weser-Ems, Wittmund
  • Peter Jensch - OFFIS, Carl von Ossietzky Universität, Oldenburg

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. 50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. Freiburg im Breisgau, 12.-15.09.2005. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2005. Doc05gmds348

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Published: September 8, 2005

© 2005 Urbschat et al.
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Text

Einleitung

Im Vorfeld zur bundesweiten Einführung des Mammographie-Screenings findet seit Mai 2002 das Modellprojekt Mammographie-Screening (MSWE) in der Region Weser-Ems statt. Mit dem Ziel der Brustkrebsfrüherkennung wird in 16 ausgewählten Gemeinden allen 50-69jährigen Frauen ein qualitätsgesichertes Mammographie-Screening auf der Grundlage der 'European guidelines for quality assurance in mammography screening' [1] angeboten. Als wichtiger Qualitätsparameter des Mammographie-Screenings gilt u.a. die Häufigkeit von Intervallkarzinomen. Anhand dieser Brustkrebserkrankungen, die in dem Intervall zwischen unauffälliger Screening-Mammographie und dem nächsten Screeningtermin auftreten, lassen sich erste Aussagen zur Wirksamkeit des Mammographie-Screenings im Hinblick auf eine spätere Mortalitätssenkung ableiten. Intervallkarzinome sind nur durch Abgleich mit epidemiologischen Krebsregistern zu ermitteln. Für die Evaluation von Intervallkarzinomen im MSWE wird ein Abgleich der Teilnehmerinnendaten mit dem Epidemiologischen Krebsregister Niedersachsen (EKN) durchgeführt [2], [3]. Sowohl Häufigkeit als auch medizinische Parameter der ermittelten Intervallkarzinome sollen dargestellt werden.

Methodik

Bezugsbevölkerung für das MSWE sind ca. 22.600 50-69jährige Frauen, die seit Mai 2002 schriftlich im 2jährlichen Intervall zum Mammographie-Screening eingeladen werden. Der Datenabgleich erfolgt für alle Frauen, die bis Mai 2004 an der ersten Screeningrunde des MSWE teilgenommen haben (ca. 13.000 Teilnehmerinnen). Der Abgleich mit der Gesamtdatenbank des EKN erfolgt auf pseudonymisierter Ebene unter Anwendung des Kontrollnummernsystems der epidemiologischen Krebsregister. Als Intervallkarzinom wird eine dem EKN gemeldete Brustkrebserkrankung dann definiert, wenn sie bei einer Teilnehmerin des MSWE auftritt, die im Screening als unauffällig befundet wurde (keine Weiterbetreuung im Assessment). Brustkrebserkrankungen von Frauen, die im Assessment weiterbetreut wurden, gelten dann als Intervallkarzinom, wenn die Diagnosestellung mindestens 4 Monate nach dem Screening-Datum stattfand und keine Direktmeldung des MSWE im EKN vorliegt. Erste Ergebnisse beziehen sich auf den Datenabgleich vom Juli 2004. Die Vollzähligkeit des EKN beträgt für Brustkrebs über 90%, sodass wissenschaftlich aussagekräftige Ergebnisse möglich sind.

Ergebnisse

Im Datenabgleich vom Juli 2004 (Beobachtungszeit 6 – 25 Monate) lassen sich 6 Intervallkarzinome ermitteln, was knapp 0,05% aller Screeningteilnehmerinnen entspricht. Fünf davon treten in den ersten 12 Monaten nach Screening auf, eines nach mehr als 12 Monaten. Die T-Stadien der Intervallkarzinome differieren zwischen T1b und T2. Weitere medizinische Parameter werden dargestellt.

Diskussion

Die Evaluation von Intervallkarzinomen ist ein wichtiger Qualitätsparameter des Mammographie-Screenings; sie ist Bestandteil der Krebsfrüherkennungs-Richtlinien, die vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen beschlossen wurden [4]. Für die Ermittlung von Intervallkarzinomen konnte im EKN der pseudonymisierte Datenabgleich von 13.000 Screeningteilnehmerinnen erfolgreich unter Einhaltung von datenschutzrechtlichen Bestimmungen technisch umgesetzt werden. Mit den bis Juli 2004 identifizierten 6 Intervallkarzinomen liegt die Häufigkeit bei knapp 0,05% aller Teilnehmerinnen und damit noch unter der von Becker [5] angegebenen Häufigkeit von 0,06% im ersten Jahr nach Screening und 0,08% im zweiten Jahr nach Screening. Die Häufigkeit wird sich mit dem nächsten Datenabgleich (Juli 2005) voraussichtlich weiter erhöhen. Aus den zum Abschluss einer Screeningrunde zu ermittelnden Intervallkarzinomraten sind frühe Vorhersagen bezüglich eines mortalitätsreduzierenden Effektes des Screenings möglich [6].

Für die nachgehende Qualitätssicherung der Intervallkarzinome in die Gruppen 'true interval', 'radiologically occult', 'minimal signs', 'false negative' und 'unclassifiable' ist eine Rückmeldung der im EKN identifizierten Fälle an die Screeningeinheit unbedingt erforderlich. Diese personenbezogene Rückmeldung ist z.Z. nicht im niedersächsischen Krebsregistergesetz vorgesehen. Eine Umfrage unter allen deutschen Krebsregistern ergab, dass die Problematik bundesweit besteht. Das auch in den Krebsfrüherkennungs-Richtlinien festgeschriebene Verfahren zur Qualitätssicherung ist damit derzeit nicht durchführbar; für die Evaluation des bundesweiten Mammographie-Screenings sind diesbezüglich dringend die gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen.

Hinsichtlich der Klassifikationskriterien von Intervallkarzinomen besteht Diskussionsbedarf. Standards sind zu definieren für die Klassifikation von Frauen, die vorzeitig von der Screeningeinheit zu einer Kontrollmammographie einbestellt werden (early recall) oder die sich an den nachfolgenden Screeningrunden unregelmäßig oder sehr selten beteiligen. Die Auswirkung eines Klassifikationsbias auf die Evaluation soll diskutiert werden.


Literatur

1.
Perry N, Broeders M, de Wolf C, Törnberg S, Schouten LJ. European guidelines for quality assurance in mammography screening. Third Edition, Europe Against Cancer, European Communities, 2001
2.
Appelrath, HJ, Michaelis J, Schmidtmann I, Thoben W. Empfehlung an die Bundesländer zur technischen Umsetzung der Verfahrensweisen gemäß Gesetz über Krebsregister (KRG). Informatik, Biometrie und Epidemiologie in Medizin und Biologie 1996, 27 (2), 101-110
3.
Urbschat I, Kieschke J, v Gehlen S, Thiel A, Jensch P. Contribution of the epidemiological cancer registry in Lower Saxony for the evaluation of the mammography screening project in Weser-Ems. Biometrical Journal 2004, 46, Suppl, 111 [www.krebsregister-niedersachsen.de]
4.
Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung; Bekanntmachung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über eine Änderung der Richtlinien über die Früherkennung von Krebserkrankungen (Krebsfrüherkennungs-Richtlinien). 15.12.03, Deutsches Ärzteblatt 2004, Ausgabe A, Beilage (Heft 4)
5.
Becker N. Erfahrungen bei der wissenschaftlichen Nutzung von Krebsregisterdaten. Bundesgesundheitsblatt 2004, 47; 444-450
6.
Day N, McCann J, Camilleri-Ferrante C, Britten P, Hurst G, Cush S, Duffy S. Monitoring interval cancers in breast screening programmes: the East Anglian experience. J Med Screen 1995; 2, 180-185