gms | German Medical Science

49. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds)
19. Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Medizinische Informatik (SGMI)
Jahrestagung 2004 des Arbeitskreises Medizinische Informatik (ÖAKMI)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie
Schweizerische Gesellschaft für Medizinische Informatik (SGMI)

26. bis 30.09.2004, Innsbruck/Tirol

Entscheidungsanalyse zur Kosteneffektivität von Disease-Management Programmen bei Patienten mit Herzinsuffizienz

Meeting Abstract (gmds2004)

  • corresponding author presenting/speaker Alexander Goehler - Charite, CVK, Med. Klinik m.S. Kardiologie, Berlin, Deutschland
  • Rainer Dietz - Charite, CVK, Med. Klinik m.S. Kardiologie, Berlin, Deutschland
  • Karl-Josef Osterziel - Charite, CVK, Med. Klinik m.S. Kardiologie, Berlin, Deutschland
  • Uwe Siebert - ITA-MGH, Harvard Medical School, Boston, USA

Kooperative Versorgung - Vernetzte Forschung - Ubiquitäre Information. 49. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 19. Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Medizinische Informatik (SGMI) und Jahrestagung 2004 des Arbeitskreises Medizinische Informatik (ÖAKMI) der Österreichischen Computer Gesellschaft (OCG) und der Österreichischen Gesellschaft für Biomedizinische Technik (ÖGBMT). Innsbruck, 26.-30.09.2004. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2004. Doc04gmds163

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Published: September 14, 2004

© 2004 Goehler et al.
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Text

Einleitung

Herzinsuffizienz stellt einen der Hauptgründe für einen nicht elektiven Krankenhausaufenthalt der über 65-Jährigen in der westlichen Bevölkerung dar [1] und verursacht 1-2 % der jährlichen Kosten in europäischen Gesundheitssystemen, wobei hiervon zwei Drittel auf den stationären Bereich entfallen [2], [3], [4]. Trotz großer Fortschritte in der Pharmakotherapie der Herzinsuffizienz bleiben Mortalitäts- und Hospitalisationsraten jedoch weiterhin hoch. Einen möglichen Erklärungsansatz hierfür bieten Faktoren wie unzureichende Krankheitskenntnis und mangelnde Compliance seitens der Patienten sowie therapeutische Unsicherheit der behandelnden Hausärzte [5]. Aus diesem Grund wurden in verschiedenen Zentren multidisziplinäre Disease-Management Programme (DMP) entwickelt. In einer Metaanalyse von 16 randomisierten Studien zu DMPs konnten wir zeigen, dass diese zu einer signifikanten Reduktion von Mortalität und Rehospitalisation führen können [6]. 8 Studien beinhalteten eine Kostenanalyse und sprachen für die kosteneffektivität von DMPs. Allerdings ist eine Verallgemeinerung dieser Aussagen aufgrund der limitierten Datenlage nur eingeschränkt möglich und der Einfluss von DMPs auf Überlebenszeiten wurde bislang nicht untersucht.

Unser Ziel war es, in einer entscheidungsanalytischen Modellierung den Einfluss von DMPs auf Lebenserwartung und lebenslange medizinische Kosten zu evaluieren.

Methoden

Wir entwickelten ein Markov-Modell [7], um bei Patienten mit Herzinsuffizienz die klinischen Outcomes und Kosten für die (1) konventionelle Therapie und (2) DMP zu vergleichen. Da die Anzahl der Hospitalisationen den wichtigsten Indikator für Krankheitsprogression und Prognose darstellt [8], wählten wir im Modell 5 Markov-Zustände, die die Anzahl bisheriger Hospitalisierungen angeben (h=1 bis h=4+), und den Zustand Tod [Abb. 1]. Die gesamte Kohorte startete im Stadium „keine Hospitalisation" (h=0). Erwartete Kosten und gewonnene Lebensjahre wurden in monatlichen Zyklen über einen Zeitraum von 20 Jahren berechnet. Während jedes Zyklus hatten alle lebenden Patienten ein bestimmtes Risiko (1) außerhalb des Krankenhauses (KH) zu versterben, (2) hospitalisiert zu werden und wieder entlassen zu werden oder (3) hospitalisiert zu werden und dann im KH zu versterben. Patienten, die weder verstarben noch hospitalisiert wurden, begannen den nachfolgenden Zyklus im selben Stadium wie im Zyklus zuvor. Zur Berechnung der altersabhängigen Wahrscheinlichkeit für die konventionelle Therapiestrategie hospitalisiert zu werden und/oder zu versterben nutzten wir Daten des SOLVD Registry [9] unter Beachtung einer entsprechenden Risikoreduktion durch die heute zusätzlich übliche Therapie mit Beta-Blockern. Zusätzlich berücksichtigten wir die durchschnittliche altersabhängige Sterbewahrscheinlichkeit. Für die Reduktion des Mortalität- und des Hospitalisationsrisikos verwendeten wir die gepoolten Schätzer unserer Meta-Analyse [6]. Aufgrund der begrenzten Datenlage in Europa zu ambulanten und stationären Ressourcenverbräuchen (inkl. Krankenhausverweildauer) basierten wir diese Parameter auf australischen Studien [10], [11]. Der mittlere Preis für das DMP betrug € 370 pro Patient. Erste Langezeituntersuchungen zeigten, dass der Effekt der DMP auch über den Zeitraum der eigentlichen Intervention andauern kann, dennoch basierte unsere Basisfallanalyse auf der konservativen Annahme, dass, dass sich alle positiven Effekte nach Beendigung der Intervention (1 Jahr) sofort einstellen. In einer Sensitivitätsanalyse untersuchten wir den Einfluss der Dauer des DMP-Effekts.

Ergebnisse

Die Basisfalluntersuchung betrachtete eine Kohorte herzinsuffizienter Patienten (NYHA III + IV > 80%) mit einem Durchschnittsalter von 73 Jahren und einem Frauenanteil von 27% [6]. 33% der hypothetischen Kohorte profitierte von einer Betablockertherapie und die positiven Effekte des DMP dauerten für ein Jahr an [6]. Die mit 3% diskontierten Ergebnisse sind in Tabelle 1 [Tab. 1] dargestellt. Das inkrementelle Kosten-Effektivitäts-Verhältnis (IKEV) betrug im Basisfall € 8.813 pro gewonnenes Lebensjahr (LYG).

Die Sensitivitätsanalyse [Abb. 2] erbrachte bei Andauern des DMP-Effekts über 5 Jahren eine Verbesserung der Lebenserwartung um ca. 5 Monate, während gleichzeitig durch verminderte Hospitalisierung und kürzere Krankenhausverweildauer das IKEV auf 4.021 €/LYG sank.

Diskussion

Die Ergebnisse der Analyse zeigten, dass DMPs selbst bei konservativen Annahmen zur Effektdauer als kosteneffektiv einzustufen sind. Mit einer Spannweite von 8813-4019 €/LYG liegt das IKEV für DMPs innerhalb eines gesellschaftlich akzeptierten Rahmens [12]. Die in Kostenrechnungen einiger Orginalstudien angedeutete Dominanz (effektiver und kostengünstiger) der DMP über die konventionelle Therapieform konnten wir in unserer Analyse mit der gegenwärtigen Datenlage nicht bestätigen. Weitere Analysen zum Einfluss einzelner Faktoren auf Kosteneffektivität von DMPs sind zukünftiger Forschungsbedarf. Inwieweit die australischen Kostendaten auf andere Gesundheitssysteme übertragbar sind bzw. inwieweit sich deutsche Kostendaten unterscheiden, ist ebenfalls in weiterer Forschung zu klären. Als Limitation ist festzustellen, dass unser Modell keine Lebensqualitäts (QALYs) berücksichtigt.


Literatur

1.
Rich, M. W., et al. Cost-effectiveness analysis in clinical practice: the case of heart failure. Arch Intern Med. 1999.
2.
Eriksson, H. Heart failure: a growing public health problem. J Intern Med. 1995.
3.
Ryden-Bergsten, T., et al. The health care costs of heart failure in Sweden. J Intern Med. 1999.
4.
McMurray, J. J., et al. Clinical epidemiology of heart failure: public and private health burden. Eur Heart J. 1998.
5.
Rich, M. W. Heart failure disease management: a critical review. J Card Fail. 1999.
6.
Göhler, A., et al. Meta-Analyse zu Disease-Management Programmen bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz. Eingereicht als wissenschaftlicher Beitrag zur GMDS Jahrestagung 2004.
7.
Sonnenberg, F. A., et al. Markov models in medical decision making: a practical guide. Med Decis Making. 1993.
8.
Wolinsky, F. D., et al. The risk of hospitalization for congestive heart failure among older adults. Med Care. 1997.
9.
Bourassa, M. G., et al. Natural history and patterns of current practice in heart failure. The Studies of Left Ventricular Dysfunction (SOLVD) Investigators. J Am Coll Cardiol. 1993.
10.
Stewart, S., et al. Effects of a multidisciplinary, home-based intervention on unplanned readmissions and survival among patients with chronic congestive heart failure: a randomised controlled study. Lancet. 1999.
11.
Stewart, S., et al. Home-based intervention in congestive heart failure: long-term implications on readmission and survival. Circulation. 2002.
12.
Hirth, R.A., et al. Willingness to pay for a quality-adjusted life year : in search of a standard. Med. Decis. Making. 2000.