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Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie
72. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie, 94. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie und 49. Tagung des Berufsverbandes der Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie

22. - 25.10.2008, Berlin

Tempo 130, Null-Promille, Airbag? Gefühlte Effektivität von Verkehrssicherheitsmaßnahmen

Meeting Abstract

  • U. Schmucker - Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Greifswald, Germany
  • C. Ottersbach - Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Greifswald, Germany
  • M. Frank - Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Greifswald, Germany
  • G. Matthes - Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Greifswald, Germany
  • A. Ekkernkamp - Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Greifswald, Germany

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie. 72. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie, 94. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie, 49. Tagung des Berufsverbandes der Fachärzte für Orthopädie. Berlin, 22.-25.10.2008. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2008. DocWI41-1547

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/meetings/dkou2008/08dkou233.shtml

Published: October 16, 2008

© 2008 Schmucker et al.
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Einleitung: Eine Vielzahl von Maßnahmen zur Unfallvermeidung und Reduzierung der Verletzungsschwere sind bekannt (z.B. Gesetze, Airbag, Fahrerassistenzsysteme, Tempolimits, Aufklärungskampagnen). Es konnte gezeigt werden, dass die subjektive Beurteilung / emotionale Komponenten einen signifikanten Einfluss auf deren reale Effektivität haben. Eine Untersuchung an einer jungen Stichprobe bezüglich der subjektiven Einschätzung der Wirksamkeit solcher auch öffentlich diskutierter Maßnahmen wurde bisher nicht veröffentlicht.

Methodik: 1000 Studenten zweier Hochschulen wurde ein Fragebogen mit n=39 Items zur freiwilligen Beantwortung vorgelegt (u.a. epidemiologische Angaben, Unfallanamnese, Maßnahmen). Die 14 items zu möglichen Interventionen (technische, gesetzliche, präventive Maßnahmen) mussten bezüglich ihrer Wirkung auf die Effektgröße „Reduzierung der Häufigkeit von Verkehrsunfällen mit Personenschaden“ quantifiziert werden: sehr schwacher Einfluss, schwacher Einfluss, starker Einfluss, sehr starker Einfluss.

Ergebnisse: 972 vollständig ausgefüllte Fragebögen einer relativ homogenen Stichprobe (22,9+2,9 Jahre, 57% männlich) gingen in die Analyse ein. Die Gesamtstichprobe beurteilte die folgenden Maßnahmen mit „sehr starker“ oder „starker“ Einfluss: Technische Maßnahmen u.a.: digitale Fahrerassistenzsysteme 69%, Atemalkohol-gekoppelte Wegfahrsperre 73%, Unfalldatenschreiber 35%. Gesetzliche Maßnahmen u.a.: vollständiges Alkoholverbot 66%, absolutes Handy-Verbot am Steuer 35%, Tempolimit 130 auf Autobahnen 26%, spezielle Tempobegrenzungen für Fahranfänger 24%, Leistungstest für Fahrer 65 Jahren 74%, Führerschein ab 16 Jahren 28%.Edukative Maßnahmen u.a.: verpflichtende Fahrsicherheitstrainings 62%, Schulfach Prävention 43%. 36 % kennen EuroNCAP ("europäische Sicherheitsnorm für Neufahrzeuge"), als MUSS für ein eigenes Fahrzeug werden am häufigsten Frontalairbag (91%), ABS (90%) und Seitenairbag (63%) genannt.17% waren bereits an einem VKU mit Personenschaden beteiligt, 13% wurden dabei selbst verletzt. 87% halten sich für einen überdurchschnittlich guten Fahrer, 69% fahren "gerne schnell", 35% fuhren unter Alkoholeinfluss, als hohe Fahrgeschwindigkeit wird ein Median von 180 km/h angegeben. Detaillierte Ergebnisse der Subgruppen (positive Unfallanamnese, Selbsteinschätzung als "gute Fahrer", positive Alkoholanamnese u.a.) sowie zusätzliche statistische Verfahren werden im Vortrag präsentiert.

Schlussfolgerungen: Es besteht ein signifikanter mismatch zwischen subjektivem und objektiv fassbarem Gefährdungs- bzw. Sicherheitspotential. Insbesondere solche Maßnahmen, welche die individuelle Handlungsfreiheit unmittelbar einschränken (z.B. Tempolimits), werden als wenig wirksam beurteilt - obwohl Ihre Wirksamkeit objektiv als wesentlich effektiver eingeschätzt werden muss als z.B. restriktive Alkoholmissbrauchsregeln ohne hohe Kontrolldichte. Es erscheint zielführend, die subjektive / emotionale Komponente durch "versteckte" Maßnahmen zu minimieren.