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Navigierte Knieendoprothetik: wo RCT drauf steht, ist leider nicht immer RCT drin. Ergebnisse einer systematischen Literaturrecherche, Meta-Analyse und IPD-Meta-Regression
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Published: | September 28, 2006 |
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Fragestellung: Die Navigation hat sich bei Operationen an der Wirbelsäule und den großen Gelenken, insbesondere jedoch der Knieendoprothetik etabliert. In einer jüngeren Literaturübersicht wurden wissenschaftliche Untersuchungen unter dem überraschenden Hinweis zusammengefasst, dass es sich bei allen um prospektiv-randomisierte Studien (RCT) handeln sollte.
Methodik: Es wurden alle zitierten Originalartikel sowie deren Mehrfach- und Folgepublikationen gewonnen. In den Datenbanken Medline, Embase, Scisearch und dem Cochrane-Zentralregister wurde nach aktuellen RCT gesucht. Zwei unabhängige Beobachter bewerteten die Zufallszuteilung anhand von im Methodenteil genannten Kriterien (z.B. maskierte Randomisierungsliste, verschlossene Umschläge). Die quantitative Zusammenfassung von Surrogat- (z.B. mechanische Beinachse) und patientenzentrierten Endpunkten (z.B. WOMAC-Skala) erfolgte bei Angabe von Mittelwerten durch random-effects-Meta-Analyse (REMA), bei Verfügbarkeit von Histogrammen durch Individual-Patient-Data Meta-Regression (IPDMR) im generalisierten linearen Modell mit maximum-likelihood-Schätzung.
Ergebnisse: Aus 408 Zitaten konnten 32 vergleichende Studien zwischen konventioneller und navigierter Knie-TEP gewonnen werden. Nach Ausschluss von bis zu fünf Doppelpublikationen standen 13 vergleichende Studien (n=1920) für die REMA, neun für die IPDMR (n=1609) zur Verfügung. Lediglich vier wurden bei nahezu perfekter Beobachter-Übereinstimmung (kappa=0,88) als RCT beurteilt (n=283). Es fiel durchgängig die mangelnde Kenntnis über das Prinzip der Zufallszuteilung auf (z.B.: „…die Patienten wurden nach der Verfügbarkeit des Instrumentariums randomisiert (!) … dies generierte gleiche Gruppengrößen (!)“, „…zur Randomisierung erfolgte auf eine konventionell implantierte Prothese zum nächsten Operationstermin zwingend eine navigierte Operation.“). Die IPDMR erbrachte keine Evidenz für eine Abweichung der mechanischen Beinachse nach navigierter Implantation (0,02°, 95% Konfidenzintervall [KI] -0,10–0,14°); in der konventionell operierten Population lag diese bei 0,60° Varus (95% KI 0,41–0,80°, p<0,001). Die gewichtete Mittelwertdifferenz (WMD) wurde bei stark heterogenen Ergebnissen (chi2-Test p=0,006) in der REMA auf 0,42° (95% KI 0,12–0,73°, p=0,006) geschätzt. Wurden nur die tatsächlichen RCT betrachtet, nivellierte sich dieser Effekt (WMD 0,17°, 95% KI -0,16–0,50°, p=0,322). Nur zwei Studien (n=149) untersuchten patientenzentrierte Endpunkte; in den WOMAC-Subskalen bestanden keine Unterschiede zwischen den Interventionen.
Schlussfolgerungen: Die verfügbaren Studien zur navigierten Knieendoprothetik weisen substanzielle Mängel in der Planung, Auswertung und Interpretation der Ergebnisse auf; marginale, klinisch zweifelhafte Vorteile in mechanistischen Endpunkten sind stark anfällig gegenüber systematischen Fehlern. Derzeit lässt sich kein konsistenter Vorteil der navigierten gegenüber der konventionellen Implantationstechnik ableiten.