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25. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

12.09. - 14.09.2008, Düsseldorf

Hörscreening bei Kindern im Alter von 4–6 Jahren mit dem Adaptiven Auditiven SprachTest AAST

Vortrag

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Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 25. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. Düsseldorf, 12.-14.09.2008. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2008. Doc08dgppV23

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/meetings/dgpp2008/08dgpp27.shtml

Published: August 27, 2008

© 2008 Coninx.
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Zusammenfassung

Hintergrund und Fragestellung: Bei hörgeräte- und/oder CI-versorgten Kindern mit peripheren Hörstörungen sowie bei Kindern mit Verdacht auf AVWS, ist die Messung der Sprachwahrnehmung in Störgeräusch von großer praktischer Bedeutung. Eine schnelle, einfache und kindgerechte Methode um diese Messung – eventuell auch als Screening – durchzuführen lag nicht vor. Deswegen wurde ein neues Verfahren entwickelt und erprobt.

Methode: Das Hörtestverfahren AAST – Adaptiver Auditiver SprachTest [1] – erfasst die Sprachhörschwelle (SRT) in Ruhe und in Störgeräusch, d.h. für die im Alltag, in der Schule oder im Kindergarten relevanten Hörleistungen. Er ist ein globaler Test und schließt top-down Prozesse ausdrücklich mit ein.

AAST erfüllt durch seine Konstruktion bereits die wichtigsten Kriterien eines Screeningsinstruments: einfach einsetzbar (automatisierter Ablauf), kurze Testzeit (<1 Minute pro Ohr), niedrige falsch-positiv Rate (Standarddeviation und Test-Retest <5 dB). Zudem ist AAST gleichermaßen gut geeignet für Sprachtests in Ruhe und in Störgeräusch.

Um die Portabilität zu erhöhen und die Komplexität zu reduzieren, wurde AAST auf die PDA-Plattform (pocket PC) konvertiert. Kinder können über das touch-screen durch Antippen der Bilder antworten. Um AAST noch weniger empfindlich für unkontrollierbare Störgeräusche vor Ort (in Schulräumen) zu machen, wurde in der PDA-Version zusätzlich ein noise-rejection protocol implementiert.

Ergebnisse: Bei Vorscreenings mit N=167 Kindern (N=334 Ohren) wurden die AAST-Normwerte in Ruhe und Störschall bestätigt. Die Standardabweichung war 5,0 dB in Ruhe und 2,7 dB in Störschall. Auffällige Ohren (SRT mehr als 2*StdAbw erhöht) wurden in Ruhe bei 4,2% und in Störschall bei 2,7% festgestellt.

Bis Sommer 2008 wird ein Schulscreening in Polen abgeschlossen sein. Die Ergebnisse dieses Screenings werden in der Präsentation mit eingebunden werden.


Text

Einleitung

Bei hörgeräte- und/oder CI-versorgten Kindern mit peripheren Hörstörungen sowie bei Kindern mit Verdacht auf AVWS ist die Messung der Sprachwahrnehmung in Störgeräusch von großer praktischer Bedeutung. Eine schnelle, einfache und kindgerechte Methode, diese Messung – eventuell auch als Screening – durchzuführen, stand jedoch nicht zur Verfügung. Daher wurde ein neues Verfahren entwickelt und erprobt. Zielgruppe sind Kinder von 3–4 Jahren und älter.

Das Verfahren AAST (Adaptiver Auditiver SprachTest, [1]) soll für Screeningzwecke geeignet gemacht werden. In vielerlei Hinsicht waren dazu keine oder nur geringe Anpassungen notwendig. Die Testzeit von 2 Minuten pro Ohr jedoch sollte deutlich reduziert werden.

Material – Das AAST-Verfahren als Test

Das Hörtestverfahren AAST erfasst die Sprachverständnisschwelle (Speech Recognition Threshold – SRT) in Ruhe und in Störgeräusch, d.h. für die im Alltag, in der Schule oder im Kindergarten relevanten Hörleistungen.

AAST ist mit 6 Testwörtern (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]) ein geschlossenes Testverfahren und weist somit entsprechende Vorteile auf: individuell-adaptives Test-Tempo, Randomisierung der Testwörter, geringe Lerneffekte, automatische Datenspeicherung und minimaler Einfluss von z.B. Wortschatz und Artikulationsfähigkeit [2]. Durch die Konstruktion mit n=6 Wörtern werden top-down Prozesse ausdrücklich mit einbezogen, um so auch eine hohe Praxisrelevanz herzustellen. Das Verfahren ist adaptiv: nach einer richtigen Antwort wird das nächste Wort 5 dB leiser und nach einer falschen Antwort 10 dB lauter angeboten (in Störgeräusch 3 bzw. 6 dB). So adaptiert das Verfahren automatisch an die individuelle Sprachverständnisschwelle.

In Standardform wird das Verfahren nach 7 Fehlern bzw. Wendepunkten in dem adaptiven Ablauf beendet. Der erste Wendepunkt wird als potenzielles Anlaufproblem betrachtet und bleibt in der weiteren Analyse unberücksichtigt. Die Schwelle wird aus den Wendepunkten 2 bis 7 berechnet.

Material – Das AAST-Verfahren als Screening

AAST erfüllt durch seine Konstruktion bereits die wichtigsten Kriterien eines Screeninginstruments: das Verfahren kann – wegen des automatisierten Ablaufs – von nicht hoch-qualifiziertem Personal verwendet werden, die Testzeit ist kurz (<1 Minute pro Ohr) und die falsch-positiv Rate ist niedrig, da die Standarddeviation weniger als 5 dB beträgt [1]. Zudem ist AAST gleichermaßen gut geeignet für Sprachtests in Ruhe und in Störgeräusch.

Mit relativ wenig Aufwand können für AAST andere Sprach- oder Dialektversionen erstellt werden. So können auch Kinder mit Migrationshintergrund durch Testleiter gescreened werden, die diese Fremdsprache nicht beherrschen.

Um die Portabilität zu erhöhen und die Komplexität zu reduzieren, wurde die ursprüngliche PC-Version von AAST auf die PDA-Plattform (pocket PC) konvertiert. Kinder können über das Touchscreen durch Antippen der Bilder antworten.

Um AAST noch weniger empfindlich für unkontrollierbare Störgeräusche vor Ort (z.B. im Schulgebäude) zu machen, wurde in der PDA-Version zusätzlich ein „noise-rejection protocol" implementiert. Für jedes verwendete Kopfhörer-Modell wird ein kritischer Schalldruckpegel in der AAST-Software abgespeichert. Über das im PDA eingebaute Mikrophon wird der Störgeräuschpegel in-situ eingeschätzt. Übersteigt dieser Wert in einem für das angebotene Testwort kritischen Zeitfenster diesen kritischen Schalldruckpegel, wird die Antwort des Kindes ignoriert. Das nächste Wort wird auf dem gleichen Schalldruckpegel angeboten. So werden störgeräusch-bedingte Messfehler vermieden; das Screening dauert allerdings länger.

Methode

Es galt, die Messzeit von 2 Minuten pro Ohr für Screeningzwecke wesentlich zu verkürzen. Dazu wurden in einer Pilotuntersuchung mit N=167 Kindern im Alter von 11-12 Jahren die AAST-Normwerte in Ruhe und Störschall erfasst. Dabei wurde das Standardverfahren verwendet.

Die gespeicherten Daten für 334 Ohren wurden retrospektiv analysiert. Schwellenwerte wurden erneut berechnet, indem das Verfahren (fiktiv) nach N Fehlern gestoppt wurde (N=1 bis N=7). Das Weglassen des ersten Fehlers hatte keinen Einfluss auf die errechneten Schwellenwerte und wurde daher nicht mehr ignoriert, sondern regulär in die Berechnung mit einbezogen.

Ergebnisse

Die Ergebnisse werden in Abbildung 2 [Abb. 2] zusammengefasst. Horizontal wird die Fehleranzahl als Abbruchkriterium dargestellt, vertikal die Mittelwerte und die Standarddeviation der 334 Hörschwellen. Die Änderung des Abbruchkriteriums führt erst bei N=3 zu einer deutlichen Steigerung der Standarddeviation von 4,5 dB auf 5,3 dB. Der Mittelwert ändert sich erst bei N=2.

Diskussion

Auf der Basis dieser Befunde wurde entschieden, das adaptive Verfahren in AAST nach drei Fehlern zu stoppen. Die Sprachverständnisschwelle wird aus den ersten drei Wendepunkten berechnet.

Anschließend wurden die Screenings für das linke und rechte Ohr in einem kombinierten „Duplotest“ zusammengefügt. Jedes Testwort wird willkürlich dem linken oder rechten Ohr angeboten; dabei werden die adaptiven Verfahren für beide Ohren getrennt geführt und ausgewertet.

Das AAST-Screeningverfahren wurde dann in einem Screeningprogramm in Ost-Polen bei N=14.724 Kindern im Alter von 6–7 Jahren verwendet. Die durchschnittliche Screeningzeit für zwei Ohren betrug insgesamt 1 Minute und 50 Sekunden. Bei 8,4% der Ohren wurde ein positives Screeningergebnis ermittelt (bei einem Kriteriumwert von 40 dB).

Bei den restlichen 91,6% der Ohren betrug der Mittelwert 21,1 dB (alterskorrigiert: 13,1 dB) und die Standarddeviation 9,5 dB. Der um 13,1 dB erhöhte Mittelwert kann verursacht werden durch nicht kompensierte Störgeräusche während des Screenings und/oder altersabhängige Effekte, die eine Übertragung des Screeningverfahrens von 11–12-jährigen Kindern auf 6–7-jährige Kinder nicht erlauben. Das würde auch erklären, warum die Standarddeviation deutlich höher ist als die erwarteten 5,3 dB.

Detaillierte Analysen der adaptiven Abläufe in einzelnen Ohren haben häufiger „frühe Fehler“ gezeigt. Bei einem Abbruchkriterium von nur einem Fehler hat das eine große Auswirkung auf den errechneten Schwellenwert. Demzufolge wird das Screeningverfahren AAST optimiert, indem der erste Fehler unter bestimmten Bedingungen doch wieder ignoriert wird und das Screening erst nach dem vierten Fehler aufhört. Diese geänderte Version muss noch in der Praxis erprobt werden.


Literatur

1.
Coninx F. Konstruktion und Normierung des Adaptiven Auditiven Sprach-Test (AAST). In: 100 Jahre Phoniatrie in Deutschland. 22. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie, 24. Kongress der Union der Europäischen Phoniater. Berlin, 16.-18.09.2005. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2005. Doc 05dgppV19. http://www.egms.de/en/meetings/dgpp2005/05dgpp045.shtml External link
2.
Tschopp K. Vergleich von offenen und geschlossenen Antwortsystemen in der Sprachaudiometrie. Audiologische Akustik. 1992;2:76-82.