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21. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGPP

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie

10. bis 12.09.2004, Freiburg/Breisgau

Veränderung des Stimmvibratos während der professionellen Gesangsausbildung: eine Longitudinalstudie

Vortrag

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  • author presenting/speaker Dirk Mürbe - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden, Klinik und Poliklinik für HNO-Heilkunde, Dresden, Deutschland; Studio für Stimmforschung der Musikhochschule "Carl Maria von Weber" Dresden, Dresden, Deutschland
  • Gert Hofmann - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden, Klinik und Poliklinik für HNO-Heilkunde, Dresden; Studio für Stimmforschung der Musikhochschule "Carl Maria von Weber" Dresden, Dresden, Deutschland
  • Johan Sundberg - Dept. of Speech, Music and Hearing, Royal Institute of Technology, Stockholm, Schweden

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 21. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGPP. Freiburg/Breisgau, 10.-12.09.2004. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2004. Doc04dgppV51

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/meetings/dgpp2004/04dgpp80.shtml

Published: September 9, 2004

© 2004 Mürbe et al.
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Zusammenfassung

Vibrato wird als eine wesentliche Qualität der professionellen Singstimme angesehen. Das sängerische Vibrato entwickelt sich während der Ausbildung, ohne dass übereinstimmende Ansichten über das Erlangen eines ausgeglichenen Vibratos vorliegen. Obwohl die Kenntnisse über das Vibrato der Singstimme zugenommen haben, fehlen longitudinale Daten zur Veränderung der individuellen Vibratocharakteristik.

Bei 22 Gesangsstudenten wurde zu Beginn der professionellen Ausbildung das Stimmvibrato untersucht. Die Probanden sangen einen Dreiklang in langsamem Tempo auf den Vokal [a] mit geringer und mittlerer Stimmstärke. Weitere Messwiederholungen wurden bei zusätzlicher Maskierung des auditiven feedback durch ein über Kopfhörer zugeführtes Maskierungsgeräusch durchgeführt. Nach dreijährigem Gesangsstudium wurden die Probanden anhand des initialen Testprotokolls erneut untersucht.

Bei statistisch unveränderter Vibratofrequenz zeigte sich nach professioneller Ausbildung eine verbesserte Stabilität der Vibratoschwingungen im Vergleich zur Untersuchung zu Studienbeginn. Auch die Messungen geringer und mittlerer Stimmstärke unterschieden sich hinsichtlich der Stabilität der Vibratofrequenz. Durch Maskierung des auditiven feedback ergab sich keine signifikante Veränderung der Vibratocharakteristik.


Text

Einleitung

Vibrato wird als eine wesentliche Qualität der professionellen Singstimme angesehen. Physikalisch gesehen entspricht das Vibrato einer periodischen, nahezu sinusförmigen Modulation der Phonationsfrequenz, die zusätzlich durch periodische Änderungen des Gesamtschalldruckpegels gekennzeichnet ist [1].

Das sängerische Vibrato entwickelt sich während der Gesangsausbildung, ohne dass übereinstimmende Ansichten über das Erlangen eines ausgeglichenen Vibratos vorliegen. Dabei ist charakteristisch, dass für ein sängerisch akzeptables Vibrato eine Vibratogeschwindigkeit zwischen 5.5 und 7.5 Schwingungen pro Sekunde vorliegen muss [2]. Aus gesangspädagogischer Sicht wird häufig postuliert, dass die Geschwindigkeit der Frequenzmodulation individuell unveränderlich ist [2]. Obwohl die Kenntnisse über das Vibrato der Singstimme zugenommen haben, fehlen longitudinale Daten zur Veränderung der individuellen Vibratofrequenz.

Methode

Bei 22 Gesangsstudenten (13 weiblich, 9 männlich) wurde zu Beginn der professionellen Gesangsausbildung an der Dresdner Musikhochschule „Carl Maria von Weber" die Frequenz des Vibratos der Stimme untersucht. Die Probanden sangen einen vorgegebenen Ton in bequemer Stimmlage und mittlerer Stimmstärke auf den Vokal /a/ mit einer Phonationsdauer von ca. 8 Sekunden. Weitere Messwiederholungen wurden bei zusätzlicher Maskierung der auditiven Rückkopplung durch ein über Kopfhörer zugeführtes, breitbandiges weißes Rauschsignal einer Intensität von 100 dB durchgeführt, so daß das Hören der eigenen Stimme nicht mehr möglich war. Das Stimmsignal wurde mit einem Mikrofon (ECM-959DT SONY, Tokyo, Japan) (Abstand zum Mund 0.3 m) aufgenommen und mittels DAT (TCD-D10, SONY, Tokyo, Japan) gespeichert. Zunächst wurde der Phonationsfrequenzverlauf der aufgenommenen Testsequenzen mit Hilfe der Analysesoftware Soundswell® (HITECH, Täby, Schweden) bestimmt. Anhand des Phonationsfrequenzverlaufes wurde die mittlere Vibratofrequenz mit dem Korrelogrammodul von Soundswell® bestimmt. Da systematische Veränderungen der Vibratofrequenz zu Beginn und Ende der Stimmgebung bei ausgehaltener Phonation beschrieben sind [3], wurden Signalabschnitte von je 2 Sekunden zu Phonationsbeginn und -ende für die Bestimmung der Vibratofrequenz nicht berücksichtigt. Nach dreijährigem Gesangsstudium wurden die Probanden anhand des initialen Testprotokolls erneut untersucht.

Ergebnisse

Bezüglich der Frequenz der Vibratoschwingungen zeigte der Vergleich der Daten vor und nach professioneller Gesangsausbildung keine systematische Veränderung, die Gruppenmittelwerte betrugen für beide Untersuchungsbedingungen 5.5 Hz [Abb. 1]. Auch die Analyse der einzelnen Probanden zeigte nur geringfügige Schwankungen der jeweiligen individuellen Vibratofrequenz. Die maximale Vibratofrequenz aller untersuchten Probanden betrug 6.7 Hz, die minimale Vibratofrequenz 4.8 Hz. Die Standardabweichungen der mittleren Vibratofrequenz ergaben nach der Ausbildung geringere Werte, was eine höhere Stabilität der Vibratoschwingungen widerspiegelt [Abb. 2]. Durch Maskierung des auditiven feedback ergab sich keine systematische Veränderung der Vibratofrequenz.

Diskussion

Die vorliegenden Daten stützen die Hypothese einer individuell relativ unveränderlichen Vibratofrequenz beim Singen, die sich auch nach mehrjähriger professioneller Gesangsausbildung kaum ändert. Die Untersuchungen bestätigen den beschriebenen schmalen Frequenzbereich, in welchem ein künstlerisch akzeptables Vibrato der Singstimme angesiedelt sein muss, wobei in unserer Untersuchungsserie Vibratofrequenzen zwischen 4.8 und 6.7 Hz ermittelt wurden. Die Regularität dieser Modulation verbesserte sich durch die stimmliche Ausbildung und kann als Zeichen gesangstechnischer Güte angesehen werden. Die Studie bestätigte das Ergebnis anderer Untersucher, dass die Ausschaltung der auditiven Rückkopplung mittels Maskierung die Vibratofrequenz nicht beeinflusst [4].


Literatur

1.
Dejonckere PH, Hirano M, Sundberg J. Vibrato. Singular Publishing Group, San Diego, 1995
2.
Sundberg J. Die Wissenschaft von der Singstimme, Orpheus-Verlag Bonn, 1997
3.
Prame E. Measurements of the vibrato rate of ten singers. J Acoust Soc Am 1994; 96: 1979-84
4.
Schultz-Coulon HJ. The neuromuscular phonatory control system and vocal function. Acta Otolaryngol 1978; 86: 142-53