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21. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGPP

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie

10. bis 12.09.2004, Freiburg/Breisgau

Stimmqualität nach Larynektomie: Korrelation mit röntgenkinematographischen Befunden

Vortrag

  • author presenting/speaker Steffi Johanna Brockmeier - Technische Universität München, HNO-Klinik, Ambulanz für Phoniatrie und Pädaudiologie, München, Deutschland
  • author Dörte Halfpap - Bundeswehrkrankenhaus Ulm, Abteilung HNO, Ulm, Deutschland
  • author Christian Hannig - Technische Universität München, HNO-Klinik, München, Deutschland
  • author Wolfgang Arnold - Technische Universität München, HNO-Klinik, München, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 21. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGPP. Freiburg/Breisgau, 10.-12.09.2004. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2004. Doc04dgppV42

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Published: September 9, 2004

© 2004 Brockmeier et al.
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Zusammenfassung

Schlechte funktionelle Ergebnisse nach Larnyektomie sind durch die logopädische Therapie nur eingeschränkt zu bessern. Ziel der Studie war es durch Korrelation von Antomie und Funktion eine Grundlage für eine eventuelle sekundäre operative Stimmverbesserung zu schaffen. Patienten: 36 Patienten; Stimmmodus: Flüstersprache 3, Elektrolarynx 3, Provox®-Prothese 20; Ösophagusersatzstimme 10. Stimmlichen Leistungsfähigkeit: RBH-Skalierung, Postlaryngektomietest nach Pfrang und Zenner; Worte pro Atemzug und Worte pro Minute; maximale Phonationsdauer des Vokals „a"; Umfang der Stimmdynamik in dB und Halbtonschritten beim Reihensprechen und beim Phonieren des Vokals „a"; Anzahl der stimmhaften Samples in % beim Phonieren des Vokals „a". Gesamtscore aus 17 Parametern. Anatomische Strukturen mittels Videokinematographie: Länge der Pseudoglottis (PG); Querdurchmesser der PG; Querdurchmesser HWK3; Einschnürkoeffizient: PG-Querdurchmesser/Durchmesser HWK 3; Form der Pseudoglottis (plump/schlank). Statistik: Spearman-Korrelation. Der Gesamtscore und eine Reihe der Subscores der Stimmqualität korrelierte signifikant positiv mit dem Querdurchmesser der Pseudoglottis (Korrelationskoeffizient p = 0,359) und dem Einschnürquotienten der Pseudoglottis (p = 0,432). Die gefundene Korrelation kann Basis für eine operative Intervention sein.


Text

Einleitung

Malignome des Kehlkopfes sind mit ca. 40% die häufigsten Kopf-Hals-Tumore. Die therapeutisch häufig unumgängliche Laryngektomie hat für die Patienten massive psychische und physische Belastungen zur Folge. Vor allem der Verlust der natürlichen Stimmfunktion, und die dadurch eingeschränkte Kommunikationsfähigkeit bedeutet für sie eine deutliche Beeinträchtigung der Lebensqualität. Neben der onkologischen Heilung durch Laryngektomie ist es daher ein wichtiges Ziel, dem Patienten wieder zu einer tragfähigen Ersatzstimme zu verhelfen. Hierfür stehen heute drei wesentliche Methoden der Stimmrehabilitation zur Verfügung: 1. Die rein konservative Anbildung einer Ösophagusstimme; 2. apparative Methoden wie der Elektrolarynx Servox; 3. das operative Anlegen einer Sprechfistel mit Stimmprothese (z.B. Provox®-Prothese) zwischen Trachea und Ösophagus. Der Erfolg einer Stimmrehabilitation nach Laryngektomie ist zum heutigen Zeitpunkt schlecht vorhersehbar. Zahlreiche Faktoren beeinflussen das Erlernen von Ersatzstimmechanismen. In bisherigen Studien wurden z.B. Alter und Kommunikationsstatus vor der Laryngektomie sowie häufigere Prothesenwechsel und kürzere Prothesentragedauer bei Patienten mit Provox®-Prothese als wichtige das Ergebnis nach der Operation beeinflussende Faktoren identifiziert [1]. Ebenso gelten fortgeschrittene Tumorstadien, extensivere Resektion, postoperative Komplikationen, Kombination von Chirurgie und Strahlentherapie sowie Lappenplastiken des Pharynx als prognostisch ungünstig für die postoperativ erreichbare Stimmqualität [2], [3].

Es gibt jedoch nur wenige Untersuchungen darüber, welche anatomischen Strukturen Voraussetzung für das Erlangen einer suffizienten Stimmfunktion nach einer Laryngektomie sind. Diese Fragestellung erscheint wichtig um eine Grundlage für weiterführende Untersuchungen zu schaffen, ob durch bestimmte chirurgische Methoden die Vorraussetzungen für eine gute Stimmrehabilitation zu schaffen sind.

Material und Methode

Wir haben im Zeitraum von März 2001 bis Oktober 2001 36 Patienten im Rahmen der routinemäßigen Tumornachsorge untersucht, deren Laryngektomie 5 bis 107 Monate, im Durchschnitt 47,6 Monate, zurücklag (Median: 43 Monate). Es handelte sich dabei um 32 Männer und 4 Frauen im Alter von 42 bis 74 Jahren (Durchschnittsalter: 58,7 Jahre; Median: 58 Jahre). Zum Zeitpunkt der Untersuchung waren alle Patienten rezidivfrei. 3 Patienten verständigten sich mit Flüstersprache, 3 mit Elektrolarynx, 20 mittels Provox®-Prothese und 10 Patienten verwendeten ausschließlich die Ösophagusersatzstimme. Die Stimmqualität wurde von drei professionellen Stimmuntersuchen nach RBH skaliert. Die stimmliche Leistungsfähigkeit wurde nach den folgenden 14 objektiven Parametern beurteilt: Zahl der verstandenen Worte und Sätze im Postlaryngektomietest nach Pfrang und Zenner; Worte pro Atemzug und Worte pro Minute beim Vorlesen des Textes „Nordwind und Sonne"; maximale Phonationsdauer des Vokals „a"; Umfang der Stimmdynamik in dB beim Phonieren der Zahlen 1 - 10, der 12 Monatsnamen, der 7 Wochentage und des Vokals „a" sowie der dabei jeweils erreichte Tonumfang in Halbtonschritten; ferner noch die Zahl der stimmhaften Samples in % beim Phonieren des Vokals „a". Aus den insgesamt 17 Parametern der Stimmuntersuchungen wurde ein Gesamtscore gebildet, der eine abschließende Beurteilung der Stimmqualität und einen Vergleich der Patienten untereinander ermöglichte.

Weiterhin wurden alle Patienten zum Zeitpunkt der Untersuchung gebeten, den 66 Fragen umfassenden, geringfügig modifizierten EORTC QLQ-C30 Fragebogen zur Beurteilung der Lebensqualität auszufüllen und auch hier wurde ein Gesamtscore gebildet.

Aus verschiedenen Gründen, z.B. wegen dysphagischer Beschwerden oder Ausschluss eines Tumorrezidives, wurde bei allen 36 Patienten im Rahmen der Nachsorgeuntersuchung ein Ösophagusbreischluck durchgeführt. Dieser wurde mittels Videokinematographie mit 25 Bildern pro Minute aufgezeichnet und im Anschluss unter folgenden Gesichtspunkten beurteilt: Länge der Pseudoglottis (PG) in cm; Querdurchmesser des HWK (Halswirbelkörper) 6 in cm; Quotient aus Länge PG und Querdurchmesser HWK 6 (um vergleichbare Werte bei unterschiedlicher Aufnahmetechnik und Vergrößerungen zu erhalten); Querdurchmesser der PG in cm; Querdurchmesser HWK 3 in cm; Quotient aus PG-Querdurchmesser und Durchmesser HWK 3 (= Einschnürquotient); Form der Pseudoglottis (subjektive Einteilung in plump oder schlank). Die statistische Auswertung der Daten erfolgte mittels Korrelation nach Spearman (Signifikanzniveau α < .05) unter Anleitung eines Statistikers.

Ergebnisse

Der Gesamtscore der Stimmqualität korrelierte signifikant mit dem Querdurchmesser der Pseudoglottis (Korrelationskoeffizient p = 0,359) und dem Einschnürquotienten der Pseudoglottis (p = 0,432). Das bedeutet, je größer der Querdurchmesser der Pseudoglottis und damit der Einschnürquotient waren, desto besser war auch die Gesamtstimmqualität. Dieser Zusammenhang zwischen Stimmqualität und Pseudoglottisquerdurchmesser fand sich auch in den subscores der Untersuchung zur stimmlichen Leistungsfähigkeit. Es korrelierten die maximal erreichte Stimmdynamik in dB beim Phonieren der Zahlen 1 - 10 mit Pseudoglottisquerdurchmesser (p = 0,449) und Einschnürquotient (p = 0,447). Das heißt, Patienten mit einer breiteren Pseudoglottis im Querdurchmesser erreichten im Schnitt einen höheren Schalldruckpegel. Auch bei den subjektiven Parametern Behauchtheit und Heiserkeit zeigte sich: Je größer Pseudoglottisquerdurchmesser und Einschnürquotient desto weniger heiser und behaucht klang die Stimme (Behauchtheit und PG - Querdurchmesser: p = 0,439; Behauchtheit und Einschnürquotient: p = 0,367; Heiserkeit und Querdurchmesser: p = 0,381; Heiserkeit und Einschnürquotient: p = 0,384). Es ergibt sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen plump/schlank und Stimmqualität. Im Gegensatz zu früheren Studien ließen sich jedoch keine signifikanten Zusammenhänge zwischen Alter, Geschlecht, Bestrahlung, maximaler Strahlendosis in Gray sowie Tumorstadium und der Stimmqualität feststellen. Ebenso fand sich kein Zusammenhang zwischen Länge der Pseudoglottis bzw. Quotient Länge Pseudoglottis und Querdurchmesser HWK6 oder Form der Pseudoglottis und der Stimmqualität. Bei den Patienten, die mittels Ruktussprache oder Provox-Prothese kommunizierten, war der Pseudoglottisquerdurchmesser größer als bei denen, die Flüstersprache oder Servox anwandten. Es besteht kein Zusammenhang zwischen dem Ersatzstimmmechanismus und der Länge oder der Form der Pseudoglottis.

In unserer Studie zeigt sich, dass der Durchmesser der Pseudoglottis einen wesentlichen Einfluss auf die nach Laryngektomie erreichte Stimmqualität hat. In einem nächsten Schritt soll nun zusammen mit den HNO-Chirurgen nach einer geeigneten Methode gesucht werden um den Durchmesser der Pseudoglottis primär oder sekundär operativ zu beeinflussen.


Literatur

1.
Baumann, Hotz, Zbären: Ergebnisse der Stimmrehabilitation mit Provox - Prothesen; Schweiz Med Wochenschr 2000; 130 (Suppl. 116): 77 - 79
2.
Jacobson, M.C.; Franssen, E.; Birt, B.D.; Davidson, M.J.; Gilbert, R.W.: Predicting postlaryngectomy voice outcome in an era of primary tracheoesophageal fistulization: A retrospective evaluation; J Otolaryngol 1997 Jun; 26 (3): 171 - 179
3.
Sopko, J.; Wey, W.; Faust, H.: Zur Klinik der Ösophagusersatzstimme; HNO 1977 Dec; 25 (12): 433 - 435