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125. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie

Deutsche Gesellschaft für Chirurgie

22. - 25.04.2008, Berlin

Medizin im Spannungsfeld zwischen Humanität und Wettbewerb - ein aktuelles Meinungsbild

Meeting Abstract

  • corresponding author C.J. Krones - Chirurgische Klinik der RWTH Aachen, Aachen, Deutschland
  • R. Rosch - Chirurgische Klinik der RWTH Aachen, Aachen, Deutschland
  • G. Steinau - Chirurgische Klinik der RWTH Aachen, Aachen, Deutschland
  • V. Schumpelick - Chirurgische Klinik der RWTH Aachen, Aachen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Chirurgie. 125. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. Berlin, 22.-25.04.2008. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2008. Doc08dgch8801

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/meetings/dgch2008/08dgch541.shtml

Published: April 16, 2008

© 2008 Krones et al.
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Einleitung: Alterspyramide, medizinischer Fortschritt und die institutionelle Begrenzung der Ressourcen erzeugen im Deutschen Gesundheitssystem einen erheblichen Kostendruck. Befördert durch Politik und private Anbieter finden sich so viele Kliniken mittlerweile im Spagat zwischen humanitärem Versorgungsauftrag und ökonomischem Wettbewerb wieder. Der Patient tritt dagegen als Hilfe suchender Leistungsempfänger zunehmend in den Hintergrund. Zweck der Studie war es deshalb ein aktuelles Meinungsbild der Patienteneinstellung zum fortschreitenden Klinikwettbewerb zu erheben.

Material und Methoden: In einem Zeitraum von 6 Wochen wurden dazu stationäre Patienten des UK Aachen telefonisch zum Thema befragt. Ausgeschlossen waren Personen unter 18 Jahren, Intensivpatienten, monitorpflichtige Patienten der Intermediate Care, Patienten der geschützten Psychiatrie und Personen mit Auskunftssperre. Das strukturierte Interview umfasste 9 geschlossene Fragen mit vorgegebenen Antwort-Alternativen. 1 Frage konnte durch freie Angaben ergänzt werden. In den Antwortklassen waren semiquantitative Beurteilungen, Einzel- und Mehrfachnennungen und Gewichtungen zugelassen. Aus 1149 Datensätzen wurden 524 Interviews erfolgreich ausgewertet. Das Geschlechtsverhältnis war mit 245 Frauen (47%) und 279 Männern (53%) ausgeglichen. Von den Befragten befanden sich zum Zeitpunkt des Telefoninterviews 42% (n=220) in nicht-operativen Kliniken und 58% (n=304) in operativen Kliniken. Die Altersverteilung des Klientels spiegelte mit dem typischen Gipfel zwischen 60 und 79 Jahren die klassische Krankenhausbelegung in Deutschland wider

Ergebnisse: 53% der Befragten lehnten eine wichtige Rolle der Wirtschaftlichkeit bei zukünftigen medizinischen Entscheidungen ab. 68% forderten grundsätzlich ein deutliches Überwiegen der Humanität. 68% erwarteten durch den zunehmenden Wettbewerb persönliche Nachteile. Die Akzeptanz wirtschaftlich dominierter Entscheidungen lag auch für planbare Behandlungen maximal bei 69%. Als Hauplasttragende der Reform wurden das Pflegepersonal (92%), die Patienten (89%) und die Ärzte (79%) gesehen. Genannt wurden hier vor allen Dingen Zuzahlungen und Arbeitsverdichtungen. Das Handlungsmandat zum Erhalt humanitärer Grundsätze wurde vorherrschend Politik (92%) und Ärzteschaft (91%) übertragen. Als Erfolg versprechende Stellschrauben waren der Einsatz von Generika (76%), der vermehrte Eionsatz von ärztlichem Hilfspersonal (64%) und die Verkürzung der Liegezeiten (63%). 79% prospektierten ein verändertes Patienten- und Arztbild. Dabei überwogen eindeutig Verlustängste in den Bereichen Selbstbestimmung, (74%) Therapiefreiheit (78%)und Vertrauen (72%). Der Patient wird zum Kunden (89%) und Krankheit zum Kostenfaktor (92%). Mehr Mündigkeit erwarteten dagegen nur die Hälfte der Befragten (53%).

Schlussfolgerung: Die Mehrheit der Patienten lehnt das Gebot der Wirtschaftlichkeit in medizinischen Entscheidungen trotz des bereits eingesetzten Wettbewerbs immer noch ab. Gerade bei zukünftigen Patientengenerationen dominieren eindeutige Verlustängste. Man erwartet weit überwiegend Nachteile, deren Last die Hauptakteure des Gesundheitssystems – Patienten, Pflegepersonal und Ärzte – zu tragen haben. Dringend notwendige ökonomische Reformen werden damit vom Patienten als schwächstem Glied der Kette mehrheitlich nicht mitgetragen. Der unabdingbar einsetzende Wettbewerb benötigt zur Verbesserung der Akzeptanz von allen Beteiligten eine intensive Öffentlichkeitsarbeit.