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GMS Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS)

ISSN 1860-9171

E-Learning in der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie: elektronisches Lehrbuch und interaktive Fallpräsentation mit XML

E-learning in Oral and Maxillofacial Surgery: E-book and interactive case presentation with XML

Originalarbeit

  • corresponding author Martin Boeker - Abteilung Medizinische Informatik, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Deutschland
  • author Jörg Tchorz - Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Deutschland
  • author Alexander Streicher - Abteilung Medizinische Informatik, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Deutschland
  • author Ralf Gutwald - Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Deutschland
  • author Rüdiger Klar - Abteilung Medizinische Informatik, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Deutschland
  • author Rainer Schmelzeisen - Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Deutschland

GMS Med Inform Biom Epidemiol 2006;2(3):Doc15

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/journals/mibe/2006-2/mibe000034.shtml

Published: November 23, 2006

© 2006 Boeker et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution License (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.en). You are free: to Share – to copy, distribute and transmit the work, provided the original author and source are credited.


Zusammenfassung

Die Mund-, Kiefer und Gesichtschirurgie (MKG) stellt eine der vier Säulen des klinischen Kurrikulums der zahnärztlichen Ausbildung dar. Trotz großer Nachfrage in der Studentenschaft gibt es bisher nur wenige E-Learning-Angebote in diesem Bereich. Hier wird die Entwicklung eines E-Learning-Angebotes in der MKG vorgestellt, das systematisches Lehrbuchwissen mit klinisch praktischem Fallwissen kombiniert.

Auf Grundlage einer Nutzer- und Bedarfsanalyse innerhalb der zahnmedizinischen Studentenschaft konnte eine hohe Bereitschaft festgestellt werden, mit E-Learning zu arbeiten. Als besonders wichtige Eigenschaften wurden genannt: Suchfunktionen, Lernfragen, inhaltliche Verbindung von systematischen mit Fallwissen, Einbettung multimedialer Medien und Übersichtlichkeit. Um diese Anforderungen zu erfüllen werden die Inhalte eines etablierten Lehrbuches der MKG zusammen mit Fällen aus der eigenen Poliklinik über eine einheitlichen Web-basierte Plattform präsentiert. Inhaltliche Verbindung zwischen klinischen Fällen und systematischen Inhalten sind dabei jederzeit navigier- und suchbar. Auf Basis einer XML Fallrepräsentation, die entsprechend der medizinischen Fallstruktur entwickelt wurde, sind bisher 15 Fälle implementiert worden.

Der hier vorgestellte Ansatz ist gegenüber klassischen Fall-basierten Lernprogrammen relativ „leichtgewichtig“ und mit deutlich geringerem Entwicklungsaufwand verbunden. Dennoch können zentrale Aspekte des Fall-basierten Lernens erfüllt werden, ohne auf die Systematik des Lehrbuchwissens verzichten zu müssen. Da die verwendeten XML Strukturen standardisiert (DocBook) oder hinreichend generisch sind, ist eine Verwendung in anderen medizinischen Disziplinen mit geringem Aufwand möglich.

Abstract

The Oral and Maxillofacial Surgery (OMF) is one of the four main subjects in the clinical curriculum of dental medicine in Germany. Despite of the large collegiate demand there are only few e-learning offers in this subject now. Here, we present the development of an E-Learning facility in the subject of OMF, that combines systematical knowledge with case based clinical knowledge.

A high disposition to work with E-learning was asserted in the student body with a structured questionary in a user and demand analysis. As important issues in E-learning students mentioned: search functionality, learning questions, links between systematical textbook knowledge and clinical case knowledge, embedding multimedial sources and the clarity of navigation. An established OMF textbook in combination with clinical cases are presented in an integrated web platform to achieve these demands. Links between XML case representation and systematical knowledge are navigable and searchable. Based on the representation that has been developed on the structure of medical cases as so far 15 case were implemented.

Compared to classical attempts of case-based learning the presented effort is relatively “lightweight”, however, associated with reduced development effort. Central aspects of case based learning are accomplished without abandoning the systematic textbook knowledge. The XML structures are standardized (DocBook) or generic so that utilization is possible in variable contexts.


Einleitung

Als wichtige ebenso in der Medizin wie auch in der Zahnmedizin angesiedelte Disziplin stellt die Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (MKG) eine der vier Säulen des klinischen Kurrikulums in der Ausbildung zum Zahnarzt in Deutschland dar. Die Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie ist ein sich dynamisch entwickelndes Fach mit hohem Lehr- und Lernaufwand, das sich besonders gut für die elektronische Aufarbeitung als E-Learning eignen sollte, da ihre diagnostische Methoden im Wesentlichen auf elektronischen bildgebenden Verfahren beruhen und der diagnostisch-therapeutische Prozess gut strukturierbar ist. Wir stellen hier die Entwicklung zu einem umfassenden E-Learning-Angebot im Bereich der MKG bestehend aus einer interaktiven Fallsammlung und einem elektronischen Lehrbuch für Studierende der Zahnmedizin am Universitätsklinikum Freiburg dar. Die eingesetzten Techniken basieren auf offenen Standards und sind derartig konzipiert, dass sie leicht auf andere medizinische Bereiche übertragbar sind.

Im Bereich der Zahnmedizin insgesamt gibt es bisher nur wenige E-Learning-Angebote. So wurden bei Abfrage zweier Datenbanken zu multimedialen Lerneinheiten, KELDAMed [1] und LRSMed [2], im Juni 2006 in der Kategorie „Zahnmedizin“ nur 13 bzw. 28 Angebote gefunden, von denen keines einen spezifisch Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgischen Fokus aufweist. In der Kategorie „Chirurgie“ (gesamt 35 bzw. 42) wurden nur zwei lediglich mit dem Gebiet der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie thematisch verwandte Angebote gefunden: zur Thematik der Behandlung von Gaumenspalten (http://www.cleft.ie) und der radiologischen Diagnostik von Gesichtsschädelfrakturen (http://www.mevis.de/~hhj/Mittelgesichtsfrakturen/MGF.html). Mit den Projekten cranionline [3] (http://www.virtualcampus.ch/display.php?lang=2&pid=87&projid=3042&details=on) und cranionline trauma (http://co.hfz-basel.ch/) stehen allerdings zwei spezifische E-Learning-Angebote im Bereich der MKG für Studierende des Virtuellen Campus Schweiz und der Virtuellen Hochschule Bayern zur Verfügung.

Das Kurrikulum der Zahn-, Mund- und Kieferchirurgie in Freiburg basiert auf der Präsentation von authentischen Patientenfällen in der Vorlesung, wobei durch die Dozenten ein klinisches Bild mit systematischem Wissen und Handlungswissen verbunden wird. Diesem Schema folgend sollen in dem hier vorgestellten E-Learning-Angebot Patientenfälle gemeinsam mit dem entsprechend zugehörigem systematischen Wissen aus einem Lehrbuch als E-Book in einer einheitlichen elektronischen Plattform dargestellt werden. Die Architektur des Lernsystems ermöglicht es den Lernenden sich individuell sowohl vom einzelnen Fall als auch vom Lehrbuchwissen ausgehend eine umfassende Sicht auf den Lehrstoff zu erarbeiten. Dadurch wird eine Integration von praktisch-klinischer Erfahrung mit systematischem Lehrbuchwissen ermöglicht, die anders kaum zu erreichen ist. Die Lernenden sollen nicht nur durch Vernetzung von Fall- mit systematischem Wissen zu aktivem Lernen angeregt werden, sondern zukünftig auch durch die Integration von „interaktiven Elementen“ wie Aufgaben, Fragen und weiterführenden Medien.

Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob nicht bekannte und z.T. auch am Universitätsklinikum Freiburg etablierte Fall-basierte Lernprogramme [4] wie CAMPUS [5], [6], [7], Casus [8], [9] und andere [10], [11], [12], [13], [14], auch in dem hier dargestellten Kontext geeignet sind, die MKG Fälle zu präsentieren. Aufgrund folgender Einwände wurde die Entwicklung einer eigenen Fallpräsentation bevorzugt:

1.
Die oben genannten Fall-basierten Lernprogramme folgen meist dem Konzept des Problem-orientierten Lernens mit einem festgelegten Ablauf, durch das eine relativ zeitaufwändige (und gründliche) Aufarbeitung der Fälle gewährleistet wird. Für das E-Learning im MKG Bereich liegt der Schwerpunkt aber eher auf der Fallpräsentation unter Einbeziehung multimedialer Daten, die es den Lernenden ermöglichen soll, sich in der vorhanden Fallbasis flexibel zu bewegen und sich die gewünschten Elemente nach eigenen Bedürfnissen zusammenzustellen.
2.
Als wichtige Komponente des E-Learning-Angebotes sind die Fälle eng mit einem elektronischen Buch „verlinkt“, was in einer einheitlichen Plattform einfacher zu erreichen ist, als unter Nutzung eines „externen“ Fall-basierten Lernprogramms.
3.
Die Fallerstellung kann in „klassischen“ Fall-basierten Lernprogrammen sehr aufwändig sein, wie eigene Erfahrungen mit der CAMPUS Plattform gezeigt haben [4], [15]. In der konkreten Lehrsituation ist es für unser Konzept ausreichend auf die Mitarbeit von studentischen Hilfskräften zurückzugreifen, um die Fälle und Medien basierend auf einem festgelegten Schema relativ geringer Komplexität aufzubereiten.

Methoden

Nutzeranalyse

Zur Analyse des Bedarfs wurde initial eine anonymisierte Befragung von ca. 110 Studenten der Zahnmedizin im 1. bis 4. klinischen Semester mit einem Fragebogen durchgeführt. Gegenstand der Befragung waren neben allgemeinen Angaben zum Geschlecht, Alter und Fachsemester die persönliche Ausstattung mit Computer und Internetnetzugang, sowie die eigene Einschätzung der Kenntnisse und Häufigkeit von Computer- und Internetnutzung.

Bezüglich der eigentlichen Zielsetzung des Projektes wurden Interessen und Haltungen der Studenten bezüglich E-Learning erfragt:

a) Vornutzung von E-Learning im Studium

b) Bewertung des Sinns des Computereinsatzes in der Lehre

c) erwartete Funktionen und voraussichtliche eigene Nutzung eines E-Book

d) Bedeutung von Patientenfällen für das eigene Lernen

e) Bereitschaft mit einem E-Learning-Programm zu arbeiten, das Fälle mit einem E-Book kombiniert

f) Bereitschaft ein solches E-Learning-Programm zu kaufen und angemessene Kosten

g) Anteil des computergestützten Lernens am gesamten Lernen

Fallgewinnung, Aufarbeitung und Präsentation

Der Kursus und die Vorlesung Mund-, Kiefer und Gesichtschirurgie werden am Universitätsklinikum Freiburg bei einer Semesterstärke von 20-40 Studenten vom 1. bis zum 4. klinischen Semester durchgeführt. Im Verlauf des Kurses stellt jeder Student ein bis zwei Patienten mit Erkrankungen oder Verletzungen, die in der Klinik und Poliklinik der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie am Universitätsklinikum Freiburg behandelt wurden, in der Hauptvorlesung „Poliklinik“ vor. Zur Dokumentation und als Leistungsnachweis wird die Patientenvorstellung in einer Microsoft Powerpoint Präsentation durch die Studenten festgehalten. Die Struktur der Fallvorstellung ist durch eine Musterpräsentation weitgehend festgelegt und repräsentiert den Verlauf der klinischen Datenerhebung und des Behandlungsverlaufs bei Reduktion auf die für die Lehre wesentlichen Aspekte der Fälle. Ein wichtiger Bestandteil der Fallpräsentation sind neben den textuellen Daten eingebettete Photos, digitale Bilder bildgebender Verfahren und Filme, die in verschiedenen Bild und Videoformaten vorliegen (Abbildung 1 [Abb. 1]). Derzeit stehen ca. 200 Fälle als MS PowerPoint Präsentation zur Verfügung.

Der XML Dokumententyp wurde durch ein RelaxNG Schema festgelegt, das die Fallstruktur repräsentiert. Diese Struktur ist hinsichtlich einer Verwendung in anderen Fachbereichen möglichst generisch gehalten (Abbildung 2 [Abb. 2]). Bisher wurden 15 Fälle aus den PowerPoint Präsentationen mit Hilfe studentischer Mitarbeiter nach XML konvertiert, wobei die Arbeitszeit je nach Komplexität des Falles ca. 2-4h/Fall betrug.

Die Präsentation der Fälle erfolgt für den Nutzer über Standard Webbrowser und ist Server-seitig durch ein XML Präsentations Framework implementiert (s.u.).

Elektronisches Buch

Zur Bereitstellung systematischen Wissens in Verbindung mit den Fällen wird ein E-Book implementiert. Grundlage ist das Freiburg-Hannoversche Standardwerk der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie [16], das freundlicherweise vom Verlag zur Benutzung als elektronisches Buch innerhalb des Universitätsklinikums Freiburg zur Verfügung gestellt wurde.

Zielsetzung der elektronischen Aufarbeitung dieses umfangreichen Lehrbuches ist die Konvertierung in den XML DocBook Standard [17], [18]. DocBook formatierte XML Dokumente können ebenfalls über XSLT Transformation (eXtensible Stylesheet Language Transformation) durch das beschriebene XML Präsentations Framework dargestellt werden. Ein Vorteil des DocBook Standards, der ursprünglich zur Strukturierung technischer Dokumentationen entwickelt wurde, ist die Verfügbarkeit einer Reihe von effizienten Werkzeugen zur Verarbeitung von DocBook formatierten Texten, wie u.a. XSLT Stylesheets. Damit kann bei der Entwicklung eigener Anwendungen auf bewährte Techniken zurückgegriffen werden.

Leider lag der Lehrbuchtext einschließlich Graphiken lediglich in Form von Desktop Publishing Dateien vor, so dass nur die Layoutinformation des Buches direkt nach XML exportiert werden konnten. Aus diesem Grund müssen Tabellen und der Index des Buches aufwändig nachbearbeitet werden. Die Darstellung des Buches orientiert sich an modernen Standards mit Navigation in Form einer Baumstruktur, Index und Volltextsuche.

Die Verbindungen zwischen Fällen und Lehrbuchwissen werden in einer eigenen unabhängigen Ressource entwickelt, die dynamisch erst bei der Präsentation der Fälle bzw. dem Lehrbuch abgerufen werden kann.

Architektur: XML-Präsentation mit Cocoon

Zur graphischen Darstellung der Fälle und der Lehrbuchinhalte wird das XML Präsentations Framework Cocoon der Apache Foundation in der Version 2.1.9 genutzt (http://cocoon.apache.org). Cocoon ist als Java Servlet implementiert und wird in einem Servlet Container wie Tomcat (http://tomcat.apache.org) oder Jetty (http://jetty.mortbay.org) ausgeführt. Ein eigenständiger HTTP-Server wird nicht benötigt, da beide Servlet Container diese Funktionalität bereitstellen. Die Kombination von Tomcat/Cocoon bzw. Jetty/Cocoon ermöglicht es eine Reihe von standardisierten Techniken im Umfeld von Java und XML zu verwenden, mit denen alle Anforderungen an interaktive Webanwendungen erfüllt werden. Ebenso unterstützt die Architektur des Frameworks ein inkrementelles Vorgehen im Entwicklungsprozess. Tomcat, Jetty und Cocoon unterliegen der Apache Lizenz und sind Open Source.

Die grundlegende Funktionsweise von Jetty/Cocoon ist in Abbildung 3 [Abb. 3] dargestellt. Das zentrale Steuerungselement von Cocoon ist die sog. Sitemap, über die festgelegt werden kann, (1) aus welchen Quellen Eingangsdaten gelesen werden, (2) an welche Subprozesse Eingabedaten übergeben werden und (3) in welcher Form die Ausgabe erfolgt. So ist es möglich in „Pipelines“ Prozesse hintereinander zu koppeln und in verschiedenem Kontext wieder zu verwenden. Als einfaches Beispiel soll hier die Umwandlung der XML-Falldaten nach HTML dargestellt werden: anhand der durch den Webserver übermittelten Kombination aus Ziel-URI und Parametern wird durch die Sitemap gesteuert, aus welchen Ressourcen (Dateisystem-, XML-Datenbank, etc.) die XML-Quelldaten geladen werden. Die XML-Falldaten werden im nächsten Schritt durch dynamisch ausgewählte XSLT Stylesheets in das gewünschte Ausgabemedium HTML transformiert und an den Client übermittelt. Neben der regulären Ausgabe als HTML Webseite an den Browser sind auch andere Formate wie etwa PDF oder reiner Text möglich.


Ergebnisse und Diskussion

Nutzeranalyse: Die Nutzeranalyse wurde im Sommersemester 2006 an allen der ca. 120 Studierenden des 1. bis 4. klinischen Semesters durchgeführt, die an der Vorlesung „Klinik und Poliklinik der Mund-, Kiefer und Gesichtschirurgie“ am Universitätsklinikum Freiburg teilnahmen. 107 Fragebögen konnten ausgewertet werden, was einer Rücklaufquote von ca. 89% entspricht.

Von den 55 weiblichen (51,4%) und 52 männlichen Studenten (48,6%) befanden sich 33 im 1., 36 im 2., 24 im 3. und 14 im 4. klinischen Semester. 89,7% der Studenten besaßen einen eigenen PC und insgesamt hatten 93,5% im häuslichen Bereich Zugang zu einem PC. Von den 100 Studierenden, die einen eigenen PC oder Zugang zu einem häuslichen PC besaßen, hatten 13 keinen häuslichen Internetanschluss. Insgesamt konnten schon 57 Studierende mit einem schnellen häuslichen Internet Zugang (DSL oder LAN) arbeiten.

65,4% der Studierenden schätzten ihre Computerkenntnisse als mindestens durchschnittlich ein (sogar 38,3% als gut und besser). 79,4% der Studierenden hatten bereits Erfahrung mit computerunterstützten Lernmedien gesammelt, wobei ein relativ breites Angebot an E-Learning-Angeboten genutzt wurde (Lern-CDs, Vorlesungen und Skripten aus LMS, Prüfungsvorbereitung, elektronische Atlanten, Arzneimitteldatenbanken). 93,5% der befragten Studierenden halten E-Learning (auch weiterhin) für sinnvoll.

Wie hoch die Bedeutung der Patientenvorstellung für die Studierenden ist, kann an folgenden Zahlen abgelesen werden. Spezifisch hinsichtlich der Lehre in der MKG Chirurgie befragt, messen der Patientenvorstellung in der Poliklinik 87,9% der Studierenden einen mindestens durchschnittlichen Stellenwert zu (sogar 73,8% einen hohen und sehr hohen). Der überwiegende Anteil der Studierenden würde gern ein E-Book für ihre Ausbildung nutzen (91,6%). Dabei haben die Studierenden hinsichtlich der Funktionalität und Eigenschaften eines E-Books bzw. eines E-Learning-Angebotes Suchfunktionen, Lernfragen, Links, die Einbettung multimedialer Inhalte und die übersichtliche Gestaltung als besonders wichtig charakterisiert. 86% der Studierenden würden gern mit einem E-Learning-Angebot arbeiten, das multimediale Fallpräsentation mit einem E-Book verbindet. Dabei können sich 88,5% der Studierenden vorstellen mehr als 20% ihrer Lernzeit mit einem derartigen Programm zu arbeiten. 71,1% der Befragten würden ein solches Programm kaufen, wobei 41,3% von diesen mehr als 30€ investieren würden.

Die wichtigsten Ergebnisse der Befragung sind in Abbildung 4 [Abb. 4] zusammengefasst. Verglichen mit früheren Befragungen unter Medizinstudenten sind die Zahnmedizinstudenten besser technisch ausgestattet und in höherem Maße bereit, auch elektronisch zu lernen [4], [19]. Gemessen an den Befragungsergebnissen kann ein Bedarf der Zahnmedizinstudenten an E-Learning-Angeboten in ihrem Fach und besonders der MKG Chirurgie eindeutig festgestellt werden. Die Studierenden haben dabei durch Erfahrung mit anderen elektronischen Medien eine klare Vorstellung davon gewonnen, was ein derartiges Angebot an Funktionalität mitbringen sollte.

Fall-Struktur, -Aufarbeitung und Präsentation: Die Klinik für Mund-, Kiefer und Gesichtschirurgie hat in den vergangenen Jahren einen Fundus von über 200 Patientenfällen mit einer festgelegten Struktur als Microsoft Powerpoint Präsentation angelegt. Auf Grundlage dieser in der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie erarbeiteten Fallstruktur wurde eine XML Fallstruktur als RelaxNG Schema entwickelt (Abbildung 2 [Abb. 2]). Bisher wurden in diesem Schema ca. 15 Fälle implementiert. Der Aufwand für eine eingearbeitete wissenschaftliche Hilfskraft einen Fall aus Powerpoint mit einem XML Editor in eine XML Repräsentation zu übertragen ist mit 2-4h/Fall vergleichsweise gering und hängt im Wesentlichen von den multimedialen Komponenten ab (Formate, Bezeichnungen). Es ist deshalb zunächst geplant den bestehenden Workflow auch weiterhin beizubehalten und auf Basis von Microsoft Powerpoint Präsentationen als „Eingangsformat“ zu arbeiten. In späteren Ausbaustadien des Projektes könnte eine automatisierte Konvertierung oder eine Autorenkomponente sinnvoll sein.

Erste Darstellungen der Fälle verwenden eine Baumstruktur zur Navigation durch die Fälle und bieten eine strukturierte Darstellung an. Multimediale Elemente wie Bilder und Filme sind integriert (Abbildung 5 [Abb. 5]). Die Fallauswahl erfolgt über eine Auswahlseite bzw. über eine Volltextsuchfunktion.

Elektronisches Lehrbuch: Die Bedeutung linearer E-Learning-Formen wie elektronischer Bücher für die Medizin ist hoch und wird häufig unterschätzt. Sie erlauben es komplexe Inhalte in der Form zu präsentieren wie der Autor sie hinsichtlich des größten Nutzens für die Lernenden gestaltet hat [20]. Als inhaltliche Grundlage eines elektronischen Lehrbuches steht ein renommiertes Werk [16] zur Verfügung, dessen elektronische Versionen der Verlag zur Aufarbeitung als E-Book zur Nutzung im Universitätsklinikum Freiburg freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Die Konvertierung in den anerkannten XML basierten Publikations Standard DocBook [17], [18], der auch zur Darstellung von Inhalten über das Web geeignet ist, gestaltet sich aufwändig und erfolgt über mehrere Zwischenstufen.

Ein Vorteil gerade einer DocBook Variante ist das Bestehen einer Vielzahl von Werkzeugen zur Weiterverarbeitung von DocBook formatierten Inhalten. Mit DocBook ist die dynamische Präsentation von Inhalten möglich, wie sie inzwischen im Internet aus einer Vielzahl von Dokumentationen und elektronischen Büchern bekannt ist.

Als wesentliches Ziel des hier vorgestellten integrierten E-Learning-Angebotes ist die Verknüpfung von systematischen Lehrbuchwissen mit konkreten klinischen Fällen definiert. Diese „Links“ werden in einer zentralen Ressource gepflegt, deren Informationen dynamisch in die Fall-Präsentation bzw. das E-Book eingebettet werden.

Aus Sicht der Lehrenden und Lernenden ist die Einbettung von interaktiven Elementen in das E-Learning-Angebot eine weitere wichtige Eigenschaft. Bestehend auf einer Sammlung von Fragen, mit Antwortmöglichkeiten und Kommentaren werden diese zukünftig flexibel (durch den Lernenden steuerbar) zu den Inhalten des E-Book dargestellt.

Datenschutz und ärztliche Schweigepflicht: Ein Problem der Einbindung multimedialer Inhalte in E-Learning-Angeboten ist die mögliche Verletzung des Datenschutzes und der Sondergeheimnisse (ärztliche Schweigepflicht). Gerade in der Mund-, Kiefer und Gesichtschirurgie stellt dieser Umstand einen besonders schwierigen Sachverhalt dar, da die diagnostische Qualität von durch Balken anonymisierten Bildern und Filmen teilweise deutlich reduziert ist.

Das hier dargestellte Projekt soll in einer ersten Ausbaustufe zunächst nur im Intranet der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie zugänglich sein, so dass nur Ärzte und Studenten Zugriff haben. Für spätere Entwicklungsstadien, in denen eventuell auch externe Studenten oder Ärzte in der Weiterbildung auf die Angebote zugreifen dürfen, müssen in Bezug auf den Datenschutz kritische Bilder und Daten anonymisiert oder entfernt werden. Weiterhin wird infolgedessen eine Nutzerverwaltung mit rollenbasiertem Zugriffskonzept nötig.

Zukünftige Entwicklungen: Das hier vorgestellte Projekt befindet sich in einem noch frühen Stadium seiner Entwicklung und bietet viel Raum für weitere Verbesserungen und Erweiterungen:

  • Die Fälle und der volle Umfang des Lehrbuches werden elektronisch verfügbar gemacht.
  • Die Fälle werden um Interaktionsmöglichkeiten va. Fragen ergänzt.
  • Die Präsentationsformen, Navigations- und Suchmöglichkeiten sowohl in der Falldarstellung als auch im E-Book werden erweitert und verbessert.
  • Im Wintersemester 2006/07 soll das hier vorgestellte E-Learning-Angebot erstmalig im Kurrikulum integriert und evaluiert werden.
  • Öffnung bzw. Teilöffnung der Angebote für Ärzte in der Weiterbildung und Studenten anderer Fakultäten, wobei damit verbundene urheberrechtliche und datenschutzrechtliche Schwierigkeiten zunächst bearbeitet werden müssen.

Fazit

Im Bereich der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie gibt es bisher nur wenige einer beschränkten Nutzergruppe zugängliche E-Learning-Angebote, obwohl eine starke Nachfrage in der Studentenschaft besteht. Wir stellen hier eine E-Learning-Kombination aus E-Book und Fallpräsentation für die Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie vor, die systematisches Wissen eines Lehrbuches mit klinischen Fall-Präsentationen verbindet. Diese Lösung nutzt dabei allerdings nicht bereits etablierte Problem-orientierte Lernprogramme, sondern setzt auf eine eigene XML basierte Web-Präsentation basierend auf Open Source Software.

Bisher konnten mit diesem Ansatz ca. 15 Fälle implementiert und erste Präsentationsformen realisiert werden, so dass eine Evaluation für das WS 2006/07 geplant ist. Weiterentwicklungen haben eine Vervollständigung der Fallbasis und Verbesserung der Interaktivität zum Ziel. Als mittelfristiges Ziel stellt sich die Etablierung eines Frameworks zur einfachen Fallpräsentation in der Medizinischen Aus- und Weiterbildung dar.


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