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Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Geschäftsmodelle für wissenschaftliche Zeitschriften

Business models for scholarly journals

Fachbeitrag

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GMS Med Bibl Inf 2008;8(1):Doc10

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/journals/mbi/2008-8/mbi000107.shtml

Published: June 26, 2008

© 2008 Kirchgäßner.
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Zusammenfassung

In diesem Beitrag wird die Entwicklung der Geschäftsmodelle für wissenschaftliche Zeitschriftenliteratur diskutiert. Ausgangspunkt ist das Abonnementmodell, wie es sich in den letzten Jahrzehnten herausgebildet hat. Auf diesem aufbauend wurden die Paket- und Konsortialmodelle entwickelt. Parallel dazu wurden für Datenbanken Geschäftsmodelle entwickelt, die die Preise an der Größe und den Zugriffsmöglichkeiten ganzer Institutionen orientierten. Diese Modelle wurden auf die Lizenzverträge für Zeitschriften übertragen, um den Wegfall der Mehrfachexemplare in den großen Bibliotheken zu kompensieren. Alle diese Geschäftsmodelle berücksichtigen nicht die unterschiedliche Nutzung von Zeitschriften. Um zu vermeiden, dass die Bibliotheken künftig nur noch „rentable“ Zeitschriften lizenzieren, deren Kosten pro genutztem Artikel nicht zu hoch liegen, sind neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Schlüsselwörter: Zeitschriftenmarkt, Informationsmarkt, Zeitschriftenfinanzierung, Wissenschaftliche Zeitschriften

Abstract

The paper discusses progression of business models for the acquisition of scholarly journals. It starts with the subscription model which established oneself over the last decades. Based on this, package models and consortia models were developed. At the same time a business model was developed for databases calculating prices on size and access possibilities of whole institutes. Licences for e-journals took over this type of business model in order to compensate for cancelled print doublets. However, all these models do not account for the unequal usage of journals. In the future new business models have to be developed or libraries will only subscribe to cost-efficient journals in order to avoid high costs per article download.

Keywords: journal market, information market, financing journal acquisition, scholarly journals


Geschäftsmodelle für wissenschaftliche Zeitschriften

Einleitung

Gedruckte Zeitschriften wurden gekauft und verkauft, es fand ein ganz regulärer Handel statt. Und die Nutzung der von den Bibliotheken gekauften Exemplare durch die Bibliotheksbenutzer war durch das Urheberrecht kaum beschränkt, sofern die Inhalte nicht plagiiert wurden. Mit dem Wechsel der Zeitschriften in die elektronische Welt wurde alles, was mit diesen Zeitschriften zu tun hat, in Frage gestellt. Die leichte Kopierbarkeit und die vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten elektronischer Materialien führten dazu, dass die bisherigen Geschäftsmodelle immer fragwürdiger werden.

Das Abonnementmodell

Das Abonnementmodell beinhaltet, dass die Kosten der Zeitschrift über die Erlöse aus dem Verkauf der gedruckten Exemplare zu decken sind. Bereits in diesem Modell gibt es große Unterschiede. Publikumszeitschriften werden so kalkuliert, dass alle Abnehmer den gleichen Preis bezahlen, der Umsatz resultiert dann aus dem einheitlichen Preis mal der Summe der verkauften Exemplare. Da die Einzelpreise für die großen naturwissenschaftlichen Zeitschriften schon seit Jahren so angestiegen sind, dass Privatpersonen sie kaum mehr bezahlen konnten, wurden diese (zum vollen Preis) fast ausschließlich von wissenschaftlichen Institutionen bezogen. Die Verlage haben daraufhin gespaltene Preise eingeführt: die Institutionen bezahlen die Kosten für die Erstellung und Produktion der Zeitschriften und die Privatpersonen bezahlen nur noch die Druckkosten für die zusätzlich zu druckenden Exemplare. Diese Politik der gespaltenen Preise gab (und gibt) es in sehr unterschiedlichen Formen, abhängig davon wie groß der Anteil der an Privatpersonen verkauften Abonnements ist und welche Ziele der Verlag oder die Herausgeber verfolgen. Eine spezielle Form, Mittel zu privatisieren, die die Öffentlichkeit für die Forschung zur Verfügung gestellt hat, entwickelten einige Fachgesellschaften: Sie konnten durch die fachliche Monopolstellung ihrer Zeitschrift hohe Gewinne erwirtschaften, die für Zwecke der Gesellschaft genutzt wurden und werden. Werden bei manchen Gesellschaften den Mitgliedern die von dieser herausgegebenen Zeitschriften kostenfrei oder für eine geringe Gebühr überlassen, nutzen einige Gesellschaften diese Einnahmen, um auch weitere Tätigkeiten dieser Gesellschaften weitgehend aus den Erlösen von Zeitschriften zu finanzieren.

In der ersten Phase der Entwicklung der elektronischen Zeitschriften investierten die großen Verlage erhebliche Summen in die Entwicklung ihrer elektronischen Publikationen. Die Kosten dieser Entwicklung holten sie in den neunziger Jahren wieder herein, indem sie Preiserhöhungen für die Zeitschriftenabonnements durchsetzten, die weit über den Kostensteigerungen lagen. Dies war und ist weiterhin möglich, da jeder Zeitschriftentitel, der in der Fachwissenschaft als qualitativ hochwertig angesehen wird, eine monopolartige Stellung innerhalb ihrer Wissenschaftsdisziplin hat: Die Wissenschaftler sind darauf angewiesen, ihre Beiträge in möglichst hochrangigen Zeitschriften zu veröffentlichen, wenn sie beruflich vorwärts kommen wollen. Die großen Wissenschaftsverlage haben diese Monopolstellung außerdem dazu genutzt, die Renditen der Zeitschriften auf über 20 bis zu 35 Prozent am Umsatz zu erhöhen.

Die elektronischen Parallelausgaben wurden in den ersten Jahren „kostenfrei“ zu den Papierausgaben mitgeliefert. Jeder Abonnent einer solchen Zeitschrift konnte einen Zugang zur elektronischen Version der Zeitschrift bekommen. Auch die abonnierenden Institutionen bekamen für ihren Bereich den Zugang und konnten diesen meist allen ihren Angehörigen und Nutzern zur Verfügung stellen. Wurden die Parallelausgaben nicht kostenfrei zur Verfügung gestellt, wurde ein geringer Aufschlag für den Bezug der elektronischen Parallelausgabe berechnet, da die Zeitschrift über die Abonnements bereits bezahlt war. Viele Verlage führten die Parallelausgaben erst kostenfrei ein und verlangten nach einigen Jahren für die elektronischen Parallelausgaben Aufschläge.

Die hohen Kostensteigerungen und die gleichzeitig durch Sparmaßnahmen der Unterhaltsträger stagnierenden Literaturetats in den neunziger Jahren zwangen die Bibliotheken, die die Abonnements für ihre Institutionen beschafften, in großen Einrichtungen – vor allem in den Universitäten - Mehrfachabonnements abzubestellen. Dies wurde auch dadurch ermöglicht, dass bereits mit einem gedruckten Exemplar einer Zeitschrift der Zugriff auf die elektronische Parallelausgabe für die ganze Einrichtung bereitgestellt werden konnte. Dadurch wurden die überproportionalen Einnahmesteigerungen der Verlage zum Teil wieder aufgefangen. Es entwickelte sich eine Spirale von Abbestellungen und Preissteigerungen: Stiegen die Preise, musste abbestellt werden, um die verbleibenden Zeitschriftentitel bezahlen zu können. Wurde in größerem Umfang abbestellt, kompensierten die Verlage die wegfallenden Abonnementseinnahmen durch erhöhte Preissteigerungen, um die Kosten zu decken und ihre Gewinnziele zu erreichen.

Paketlösungen und Konsortialmodelle

Bereits vor der Einführung elektronischer Parallelausgaben gab es Zeitschriftenpakete: In einigen Bereichen wurde angeboten, thematisch zusammengehörende Zeitschriften zu einem Gesamtpreis zu beziehen, der bis zur Hälfte der Summe aller Einzelpreise reduziert sein konnte. Die Gesellschaften oder Verlage konnten damit die Existenz aller in einem solchen Paket zusammengefassten Zeitschriften sichern, da die Abnehmer bei Abbestellung einzelner Zeitschriften kaum etwas gespart hätten und die Verlage die weniger rentabeln Zeitschriften aus den Erlösen der hochrentablen Zeitschriften querfinanzieren konnten.

Einzelne Zeitschriftentitel aus den Paketangeboten konnten dann nicht mehr abbestellt werden, Es konnte aber nicht verhindert werden, dass trotzdem ganze Pakete abbestellt (und dann höchstens noch eine oder zwei ganz wichtige Zeitschriften weitergeführt) wurden. Auch bewirkte dies keine Verkaufsabsicherung für die große Anzahl von Einzeltiteln, die in keinem Paket eingebunden waren.

Infolge der hohen Preissteigerungen und der Schwierigkeit, dass elektronische Zeitschriften nicht mehr einfach eingekauft werden konnten sondern für die elektronische Nutzung Lizenzverträge abgeschlossen werden müssen, fanden sich die Bibliotheken in meist regional organisierten Gruppen zusammen, um durch größere Marktmacht die Preisentwicklung beeinflussen zu können. Die Verlage gingen auf diese Verhandlungen ein, da auch für sie die Verhandlungen mit wenigen Bibliotheksgruppen zweckmäßiger erschienen als mit jeder Bibliothek Verträge einzeln auszuhandeln. In diesen Verhandlungen wurde von den Verlagen angeboten:

  • gedeckelte Preissteigerungen für jeweils das gesamte zu verhandelnde Paket und
  • der sogenannte Cross Access, das bedeutet, dass alle Teilnehmer an einer solchen „Konsortium“ genannten Einkaufsgemeinschaft auf alle elektronischen Ausgaben zugreifen können, die in einer der beteiligten Bibliotheken gehalten werden.

Im Gegenzug mussten sich die Bibliotheken verpflichten, keine der im Vertrag enthaltenen Zeitschriften mehr abzubestellen. Zugelassen wurde höchstens eine Abbestellquote, die prozentual deutlich unter der vereinbarten Preissteigerung lag. Damit konnten die Verlage in diesen Verträgen ein kontinuierliches Ansteigen der Umsatzerlöse sicherstellen.

Kostenmodelle für Datenbanken

In diesen Jahren wurden von verschiedenen Anbietern Datenbanken entwickelt. Dies sind Datensammlungen, die in besonderer Weise strukturiert und aufbereitet sind, damit sie nach unterschiedlichsten Kriterien maschinell durchsucht werden können. Diese Datenbanken wurden zuerst auf Großrechnern erstellt und konnten im Fernzugriff in der ersten Form über Telefonleitungen mit speziellen Recherchesprachen genutzt werden. Im zweiten Schritt wurden sie auf CD-ROM zur Verfügung gestellt, so dass sie auf Einzelplatzrechnern, später in lokalen Netzwerken bereitgestellt und genutzt werden konnten. Nachdem das Internet soweit entwickelt war, dass mit dem WWW ein universelles Werkzeug für den Fernzugriff zur Verfügung stand, wurden die Datenbanken für die Online-Nutzung im Web bereitgestellt. Die Bibliotheken erwarben für ihre Institutionen Lizenzen, damit ihre Nutzer diese Datenbanken im Netz der jeweiligen Einrichtung direkt am eigenen Arbeitsplatz nutzen konnten.

Die Kostenmodelle für diese Datenbanken waren von vornherein darauf ausgelegt, dass jeweils für eine ganze Institution ein Nutzungsvertrag abgeschlossen wurde. Damit waren Mehrfachverkäufe wie früher die Mehrfachexemplare der Zeitschriften nicht mehr möglich. Um trotzdem für unterschiedlich große Einrichtungen eine Preisdifferenzierung zu erreichen und anzubieten, wurden zwei Wege beschritten:

  • Die Anzahl der parallelen Zugriffe wurden beschränkt und die Preise wurden in Abhängigkeit von der Anzahl der zulässigen parallelen Zugriffe festgesetzt.
  • Die Art und die Größe der vertragsschließenden Einrichtung wurde in die Preisbildung einbezogen. Für Universitäten, Forschungseinrichtungen und Wirtschaftsunternehmen wurden unterschiedliche Preise festgelegt, und diese Preise wurden nach Größe der vertragsschließenden Einrichtungen gestaffelt. So kann zum Beispiel in einem Kostenmodell festgelegt sein, dass Universitäten mit bis zu 10.000 Angehörigen der ersten Preiskategorie, die Universitäten mit 10.000 bis 20.000 Angehörigen der zweiten Preiskategorie und die Universitäten mit mehr als 20.000 Angehörigen der dritten (und teuersten) Preiskategorie zugeordnet werden.

Institutionenabhängige Geschäftsmodelle

In den Lizenzverträgen, die heute zwischen den Bibliotheken und Verlagen abgeschlossen werden, werden vielfach noch die Abonnementspreise zugrunde gelegt, die vormals für die gedruckten Zeitschriften bezahlt wurden. In den so aufgebauten Lizenzverträgen bezahlen alle Bibliotheken die aus den Kalkulationen der Preise für die Druckerzeugnisse abgeleiteten und in den Konsortialvereinbarungen festgeschriebenen Preise. Für die Verlage wie für die Bibliotheken wurde dies zum Problem:

  • Die Verlage, die früher an große Universitäten Mehrfachexemplare verkaufen konnten, erhalten von den großen wie den kleinen Universitäten den gleichen Erlös. Dies hatte und hat bei hohen Kostensteigerungen die Folge, dass kleinere Universitäten jeweils ihr einziges Exemplar einer Zeitschrift abbestellen mussten, während die großen Universitäten ihre Mehrfachexemplare reduzierten. Haben die Verlage den Einnahmeverlust durch Abbestellung der Mehrfachexemplare nicht über die Preiserhöhungen kompensiert, stieg der Preisdruck und der Abbestellzwang bei den Bibliotheken nicht in dem Ausmaß wie bei höheren Preissteigerungen. Dann konnten zwar die kleineren Bibliotheken mehr Abonnements und damit eine größere Titelvielfalt erhalten, aber die Erlöse aus den großen Universitäten, die ihre Mehrfachexemplare gekündigt hatten, trugen deutlich weniger zur Finanzierung der Zeitschriften bei als früher.
  • Die kleineren Bibliotheken ihrerseits wehren sich dagegen, dass sie die hohen Zeitschriftenpreise bezahlen sollen, die aus den Preiserhöhungen folgen, die die Verlage zur Kompensation für den Wegfall der Einnahmen aus Mehrfachexemplaren in den großen Universitäten festsetzen.

Um dieser Entwicklung zu begegnen, übertrugen immer mehr Gesellschaften und Verlage das an der Größe der Institutionen orientierte Kostenmodell, das zuerst für die Datenbanken entwickelt wurde, auf ihre Zeitschriftenangebote.

Die Universitäten werden – wie bereits früher bei den Datenbankangeboten - in (meist drei bis fünf) Größenklassen eingeteilt, für die dann gestaffelte Preise festgelegt werden. Diese Größenklassen können für die gesamte Universität oder für fachliche Teilbereiche gebildet werden. Handelt es sich um fächerübergreifende Verlagspakete, ist meist die Anzahl aller Universitätsangehörigen die Berechnungsgrundlage. Wenn Zeitschriftenpakete Titel nur eines oder weniger Fächer enthalten, können diese Größenklassen auch von der Anzahl der Wissenschaftler und/oder der Studierenden in dem betroffenen Fach abhängen.

Dieses Geschäftsmodell behebt das Problem, dass die Preise unabhängig von der Größe und Finanzierungsmöglichkeit der beteiligten Bibliotheken festgelegt werden. Aber die Bibliotheken müssen für diese Angebote den gleichen Betrag bezahlen, unabhängig davon, ob die Zeitschrifteninhalte für die interessierten Wissenschaftler im Mittelpunkt ihres Interesses stehen und entsprechend intensiv genutzt werden, oder ob sie nur sporadisch genutzt werden, um die Überschneidungen mit anderen Fachsegmenten zu überprüfen oder fachübergreifende Fragen zu untersuchen.

Die Sackgasse der derzeitigen Geschäftsmodelle

Die technische Entwicklung, Zeitschriften elektronisch anzubieten, hat auch dazu geführt, dass heute die Nutzung der Zeitschriften viel besser gemessen werden kann als es früher möglich war. In einer Freihandbibliothek konnte die Nutzung der ausgelegten Zeitschriftenhefte nur durch aufwendige Erhebungen erfasst werden. Und die Ausleihe von Zeitschriftenbänden war und ist ein unzureichendes Maß für die Nutzung, da nicht festgestellt werden kann, ob nur das Inhaltsverzeichnis eingesehen oder wie viele Artikel gelesen und ausgewertet wurden.

Auf den Plattformen, auf denen die elektronischen Zeitschriften heute aufliegen, kann genau gemessen werden, welche Artikel aus welchen Zeitschriften wie oft abgerufen werden. (Dies ist immer noch kein Maß dafür, dass die Artikel wirklich genutzt wurden. Dies könnte allenfalls durch aufwendige Zitationsanalysen ermittelt werden. Aber die Anzahl der Volltextabrufe entspricht den Artikelkopien und den zur Einsichtnahme bestellten Zeitschriftenartikeln zur Zeit der Nutzung gedruckter Zeitschriften und bietet somit ein für die Nutzungsmessung brauchbares Maß.)

Aus diesen Nutzungsmessungen lässt sich genau errechnen, ob sich eine Zeitschrift für die Bibliothek und ihre Nutzer „rentiert“. Eine Zeitschrift ist in diesem Sinne „rentabel“, wenn die Anzahl der Volltextabrufe multipliziert mit den Kosten für einen kostenpflichtigen einzelnen Volltextabruf von der Verlagsseite (Pay per View) höher ist als der Preis für die Nutzung der elektronischen Zeitschrift im Vertragszeitraum. Immer dann, wenn die Kosten der Volltextabrufe direkt von der Verlagsseite (bei Einzelabrechnung) geringer sind als der Lizenzpreis für die unbeschränkte Nutzung der Zeitschrift, „lohnt“ es sich für die Bibliothek, die Zeitschrift nicht mehr zu lizenzieren sondern den Benutzern die Möglichkeit des Erwerbs einzelner Artikel einzuräumen und die Kosten dafür zu übernehmen. (Will man den Komfort mitberechnen, der dadurch gegeben ist, dass bei Lizenzierung der Zeitschriften die Nutzer die Artikel unkomplizierter „herunterladen“ können als bei Einzelartikelerwerb von den Verlagsseiten, kann man die „Rentabiblitätsschwelle“ niedriger ansetzen, indem man beispielsweise festlegt, dass eine Zeitschrift bereits dann „rentabel“ ist, wenn die Kosten der Einzelartikelabrufe den halben Lizenzpreis der Zeitschrift erreichen.)

Da die Verlage damit rechnen, dass die Bibliotheken die Zeitschriften nur dann lizenzieren, wenn diese annähernd (im oben beschriebenen Sinne) „rentabel“ sind, verweigern die meisten Verlage den Bibliotheken die Kenntnis der Nutzungszahlen, solange diese für ihre Zeitschriften nicht mit Abbestellverbot und garantierter Umsatzsteigerung per anno bewehrte Mehrjahresverträge abgeschlossen haben. Ursache ist vermutlich, dass die Nutzung vieler Zeitschriften so gering ist, dass die Bibliotheken bei Kenntnis der Nutzung diese als „unrentabel“ abbestellen würden. Die Verlage verkaufen die Zeitschriften nach wie vor als Titelabonnement, da sie bisher kein brauchbares Geschäftsmodell für den Vertrieb von Einzelartikeln entwickelt haben. Sie halten am Abonnementsmodell fest, das aus der Papierwelt kommt, obwohl die Entwicklung der Online-Welt dieser Übertragung die Grundlage entzogen hat.

Solange die Verlage darauf bestehen, dass die Erlöse für die Zeitschriften aus den Zeitschriftentiteln abgeleitet werden, die zum Teil nach der Größenordnung der Universität gestaffelt aber trotzdem am Zeitschriftentitel orientiert sind, werden sich die Bibliotheken nur dadurch gegen die laufenden Kostenerhöhungen wehren können, wenn sie von Zeit zu Zeit ihren Bestand an lizenzierten Titeln überprüfen und anhand der „Rentabilitätsrechnung“ die „nicht rentablen“ Titel abbestellen. Liegen Knebelverträge vor, die Abbestellungen aus Titelgesamtheiten nicht zulassen, wird dies zur Folge haben, dass die Bibliotheken diese Verträge von Zeit zu Zeit kündigen und nach entsprechender Karenzzeit mit einem verringerten und veränderten Titelbestand einen neuen Vertrag schließen. Dies kann zur Folge haben, dass die einzelnen Titel, die im Folgevertrag weitergeführt werden, teurer sind als im Vorgängervertrag. Wenn der neue Vertrag weniger Titel umfasst, kann er wieder für eine Weile eine Basis für den Zeitschriftenbezug abgeben. Die Bibliotheken werden bei der derzeitigen Vertragsstruktur auf Dauer keine andere Möglichkeit haben, als die Verträge von Zeit zu Zeit zu kündigen und den Titelbestand auszudünnen. Dies ist nicht nur erforderlich, um die steigenden Kosten zu reduzieren und den Möglichkeiten des Etats anzupassen, sondern auch um Veränderungen im Titelbestand durchzuführen, die durch Veränderungen im Forschungsinteresse der Universitätsangehörigen erforderlich werden.

Nutzenabhängige Geschäftsmodelle

Um den dargelegten Problemen begegnen zu können, sollte geprüft werden, ob nicht andere, für die Bibliotheken wie für die Verlage zweckmäßigere Geschäftsmodelle entwickelt werden können.

Untersucht man die Nutzung elektronischer Zeitschriften, ist festzustellen, dass der größte Anteil der Zeitschriftennutzung sich auf wenige Titel konzentriert. Die Mehrzahl der Zeitschriftentitel weisen nur eine geringe bis gar keine Nutzung auf. Wenn man unter diesen Bedingungen die „unrentablen“ Zeitschriften abbestellt, bleiben nur wenige Zeitschriften im „Titelportfolio“ übrig. Für die Bibliothek ist es „rentabel“, den größten Teil der Zeitschriften abzubestellen und ihren Benutzern die Einzelartikelbeschaffung zu finanzieren, solange für die Zeitschriftentitel unabhängig von der Nutzung bezahlt werden muss.

Um ein alternatives Geschäftsmodell zu entwickeln, kann man davon ausgehen, dass die Kosten-Nutzen-Relation der intensiv genutzten Zeitschriften ein brauchbarer Ausgangspunkt ist. Die Kosten für die Artikelabrufe dieser Zeitschriften liegen im unteren einstelligen Euro-Bereich und liegen damit in der Größenordnung von 10 Prozent der Pay-per-View-Kosten der derzeitigen Verlagsangebote. Daraus abgeleitet könnten Geschäftsmodelle entwickelt werden, die ausgehend von einem Kern intensiv genutzter Zeitschriften wie bisher mit titelbezogenen Abonnementspreisen bezahlt werden. Wenn man nun in einem Vertrag diese „rentablen“ Zeitschriften lizenziert und weitere Zeitschriften in die Lizenz einbezieht, für die aber nur Preise festgesetzt werden, die der marginalen Nutzung entsprechen, hätten die Verlage den Vorteil, dass diese Zeitschriften in viel größerem Umfang für die Nutzung bereit gestellt werden würden, als dies heute bei den titelbezogenen Geschäftsmodellen möglich ist. Damit würde die punktuelle Nutzung in vielen Einrichtungen möglicherweise insgesamt zu einer größeren Nutzung führen als dies beim bisherigen auf Zeitschriftentitel bezogenen Geschäftsmodell möglich ist. Die Bibliotheken hätten den Vorteil, dass sie ihren Benutzern eine viel größere Titelvielfalt anbieten könnten, unabhängig, aus welcher der angebotenen Zeitschriften der eine oder andere Artikel von Interesse ist. Die Bibliotheksbenutzer könnten die sie interessierenden Artikel direkt von ihrem Arbeitsplatz abrufen und müssten sich auch bei Artikeln aus sonst nicht interessierenden Zeitschriften nicht mit „Pay-per-View“ und ähnlichen umständlichen Beschaffungswegen mühen.

Perspektive

Die bisher angebotenen Geschäftsmodelle führen dazu, dass die Bibliotheken einen immer geringeren Anteil des ständig wachsenden Artikelangebotes aus Zeitschriften ihren Benutzern schnell und umkompliziert bereitstellen können. Ein wachsender Anteil der Zeitschriftenliteratur wird mit den bisherigen Geschäftsmodellen nicht im direkten Zugriff angeboten werden können. Deshalb ist es erforderlich, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, die es den Bibliotheken ermöglichen, ihren Benutzern eine große Literaturvielfalt bei bezahlbaren Kosten anzubieten, und den Verlagen ermöglichen, die Zeitschriften aus den Erlösen finanzieren zu können. Je länger die alten Geschäftsmodelle beibehalten werden, desto schneller werden alternative Publikationsformen in der Wissenschaft an Bedeutung gewinnen.