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GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Medizin Curriculum Wien: neue Anforderungen an die Literatur- und Informationsversorgung für Studierende an der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien

Medizin Curriculum Wien: New Demands for the Supply of Literature and Information to Students at the University Library of the Medical University of Vienna

Fachbeitrag

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  • corresponding author Bruno Bauer - Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien, Österreich

GMS Med Bibl Inf 2005;5(2):Doc06

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/journals/mbi/2005-5/mbi000006.shtml

Published: September 23, 2005

© 2005 Bauer.
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Zusammenfassung

Bisher haben Studierende an medizinischen Fakultäten die meiste Zeit ihres Studiums nur zwei Services ihrer medizinischen Fachbibliotheken, nämlich Lehrbuchsammlung und Studentenlesesaal, intensiv frequentiert; erst gegen Ende des Studiums wurden für die Dissertation auch bibliographische Datenbanken und Fachzeitschriften genutzt. In den letzten Jahren haben die medizinischen Curricula in vielen Ländern, unter anderem auch in Deutschland und Österreich, gravierende Änderungen erfahren. Die Neuorganisation des Studiums, die sich vielfach gerade in der Umsetzungsphase befindet, bringt auch für die Bibliotheken neue Herausforderungen. Zur Unterstützung des Medizinstudiums erwarten Dozenten und Studierende nun von ihrer Medizinbibliothek Informationsressourcen, Bibliotheksservices und die Vermittlung von Informationskompetenz, was deutlich über die bisherigen Anforderungen für Lehrbuchsammlung und Studentenlesesaal hinausgeht, wie im vorliegenden Beitrag am Beispiel der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien gezeigt wird.

Abstract

So far, students at medical faculties have intensively mainly used two services out of many, which specialized medical libraries have to offer: the textbook collection and the student reading room. Only towards the end of studies, in preparation of dissertations, do students take advantage of bibliographical databases and appropriate journals. During the last years, the medical curricula in many countries, including Germany and Austria, experienced considerable modifications. The reformation of the studies, which, in many cases, actually finds itself in the phase of implementation, is, in fact, a unique challenge for libraries. In support of medical studies, university lecturers and students expect information resources, library services and the relay of information competence, which should clearly surmount existing needs of the textbook collection and the student reading room, as shown in the available contribution, as example of the University Library of the Medical University of Vienna.


Bisheriges Angebot für Studierende

Studierende nach dem alten Studienplan (http://www.meduniwien.ac.at/index.php?id=43&language=1) sind nach wie vor mit dem Bibliotheksangebot meistens bereits zufrieden, wenn eine ausreichende Anzahl von Exemplaren der benötigten Standardlehrbücher in der aktuellen oder zumindest in der vorletzten Auflage in der Lehrbuchsammlung vorhanden ist.

Die Lehrbuchsammlung der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien, seit 1990 kontinuierlich nach den Anforderungen des alten Studienplans aufgebaut, umfasst 375 Titel mit insgesamt 16.291 Bänden, wobei die Titel in einer Stückzahl zwischen 10 und 320 Exemplaren vorhanden sind [Tab. 1].

Die Bestände der Lehrbuchsammlung können nur von Studierenden der Medizinischen Universität Wien, jeweils für den Zeitraum von 60 Tagen, entlehnt werden.

Im Jahr 2004 verzeichnete die Lehrbuchsammlung 47.328 Entlehnungen, womit im Jahresdurchschnitt jedes Lehrbuch fast dreimal entlehnt worden ist.

Ein zweites traditionell wichtiges Angebot für Studierende ist der Studentenlesesaal mit ca. 250 Sitzplätzen, der von Montag bis Freitag von 9.00 bis 24.00 Uhr sowie an Samstagen, Sonn- und Feiertagen von 9.00 bis 23.00 Uhr geöffnet ist. Dieser während des Studienjahres von den Studierenden (nicht nur Medizinern!) bestens genutzte Raum ist als Bereich konzipiert, in dem ausschließlich selbst mitgebrachte bzw. bereits von der Bibliothek ausgeborgte Lernunterlagen verwenden werden können.

Im September 2002 wurde der Studentenlesesaal mit PIT (Public Internet Terminals) webterminals (www.pit-webterminals.com) ausgestattet, sodass er durch den freien Internetzugang (unter der Woche 15 Stunden und an Wochenenden 14 Stunden zugänglich) für die Studierenden noch attraktiver geworden ist (http://info.ccone.at/INFO/Mail-Archives/pressetext/Nov-2002/msg00049.html). Die zwei PIT webterminals wurden, wie auch acht weitere PCs im Lesesaal der Klinischen Bibliothek, mit einer abgesicherten Browsersoftware sowie Remote-Wartungstools ausgestattet, wodurch eine wartungsfreie Benutzung gewährleistet ist.

Ergänzend zu den Angeboten Lehrbuchsammlung und Studentenlesesaal werden von der Universitätsbibliothek - derzeit noch kostenlos - Einführungen in die Benützung der Bibliothek bzw. Schulungen für wichtige Ressourcen angeboten. Zum fixen Schulungsprogramm gehören derzeit vier Kurse, die je nach Bedarf angeboten werden:

a) Wie benütze ich die Universitätsbibliothek?
• Online-Katalog
• Wie finde ich Zeitschriften (Print, Online)?
• Wie finde ich Zeitschriftenartikel zu einem Thema (Datenbanken)?
• Entlehnung
• IS-Literaturrecherche
• Literaturlieferdienst
b) Einführung in die Benutzung der lizenzierten Ovid-Datenbanken
• Datenbankinhalte (Medline, Embase, Cinahl, etc.)
• Beschreibung der Suchoberfläche; Suchmöglichkeiten (Freitext, Thesaurus)
• Limitierungen
• Hinweise auf Thesaurus (Definition, datenbankspezifische Unterschiede)
• Bestellung direkt über Literaturlieferdienst der Bibliothek
• Link zu Volltexten
c) Medline für Fortgeschrittene
• Thesaurussuche
• Subheadings
• Medline vs. PubMed
d) Umgang mit elektronischen Zeitschriften:
• Was bedeutet die Ampelschaltung?
• Warum sind elektronische Zeitschriften nicht überall zugänglich
• Remote-Access für Mitarbeiter der Universität
• Elektronische Zeitschriftendatenbank (EZB)
• Medline und elektronische Zeitschriften; Volltextsuche auf Verlagsplattformen

Diese Kurse wurden bisher allerdings nur von wenigen Studierenden der Medizinischen Universität Wien genutzt; besonders große Akzeptanz findet dieses Angebot derzeit bei den Auszubildenden anderer Gesundheitsberufe (Pflegeschulen, Medizinisch-Technische Akademien, etc.), die am Ende ihrer Ausbildung eine Diplomarbeit verfassen müssen.


Medizin Curriculum Wien (MCW)

Nachdem in den letzten Jahren der alte Studienplan komplett überarbeitet worden ist, sind mittlerweile an der Medizinischen Universität Wien neue Curricula in Kraft getreten. Wesentliche Neuerungen im neuen Studienplan sind der Unterricht in Kleingruppen, das problemorientierte Lernen und der Unterricht am Krankenbett.

Seit 1. Oktober 2003 gilt der neue Studienplan für das Diplomstudium der Humanmedizin (http://www.univie.ac.at/a202/sg/), das 12 Semester dauert und sich in drei Studienabschnitte mit 293,6 Semesterstunden gliedert.

Bereits im Wintersemester 2001/02 haben 150 Studierende im Rahmen des Pilotprojektes [mcw]150 ihr Studium nach dem neuen Studienplan begonnen, sodass mittlerweile die ersten Studierenden nach dem neuen Curriculum bereits im 8. Semester sind. Die einzelnen Semester sind in jeweils zwei bis vier Blöcke unterteilt (http://www.meduniwien.ac.at/files/1/11/n202.pdf).

Das Diplomstudium der Zahnmedizin (http://www.meduniwien.ac.at/index.php?id=41&language=1) dauert ebenfalls 12 Semester und gliedert sich in drei Studienabschnitte mit 216,8 Semesterwochenstunden (http://www.meduniwien.ac.at/files/1/11/n203.pdf).

Neben dem Diplomstudium wird an der Medizinischen Universität Wien auch ein Doktoratstudium der Medizinischen Wissenschaften (PhD) (http://www.meduniwien.ac.at/index.php?id=42&language=1) angeboten, das vier Semester mit je 20 Semesterstunden dauert und das für diejenigen offen seht, die das Diplomstudium der Humanmedizin oder der Zahnmedizin absolviert haben (http://www.meduniwien.ac.at/files/1/11/stpln090_2003_def1.pdf).

Fast zeitgleich mit dem Beginn des neuen Medizin Curriculum Wien (Oktober 2003) ist auch das neue Universitätsgesetz 2002 in Kraft getreten (Januar 2004), das zu einer Neuorganisation der österreichischen Universitäten geführt hat. Die drei medizinischen Fakultäten der Universitäten Graz, Innsbruck und Wien wurden ausgegliedert und als eigenständige Medizinuniversitäten errichtet. Die bisherige Österreichische Zentralbibliothek für Medizin wurde der Medizinischen Universität Wien unterstellt und fungiert nun als Universitätsbibliothek für diese neue Universität [1].

Die Bibliothek im MCW

Bereits seit dem Beginn des Pilotprojektes [mcw]150 ist eine verpflichtende Einführung in die Bibliotheksbenutzung im Studienplan verankert.

Bibliotheksseminar in Bock 7 „Wissenschaft und Medizin“

Generelles Ausbildungsziel von Block 7 Wissenschaft und Medizin, der insgesamt 15 Arbeitstage umfasst, ist die Vermittlung eines Überblicks über die Grundlagen des Wissenserwerbs, den Begriff der Wissenschaft mit ihrer Systematik, Organisation und Entwicklung, aber auch über die Grenzen der medizinischen Wissenschaften. Weitere Themen sind eine Einführung in die methodischen Grundlagen unter Berücksichtigung von „Good Scientific Practice“ sowie eine Einführung in „Evidence Based Medicine“.

An praktischen Fähigkeiten erlernen die Studierenden die Nutzung von Datenbanken zur Literatur- und Informationssuche, die Literaturbeschaffung und die Benutzung der Einrichtungen der Universitätsbibliothek. Ziel ist die Vermittlung der Voraussetzungen, um Informations- und Kommunikationstechnologien technisch und sozial kompetent nutzen zu können, z.B. beim computer-gestützten Lernen.

In einem anschließenden Wahlpflichtteil wird ein erster Einblick in wissenschaftliches Arbeiten ermöglicht. Anhand eines konkreten Themas wird Literatur gesucht, eine Literaturliste erstellt und eine Zusammenfassung geschrieben und präsentiert http://www.univie.ac.at/a202/sg/block7/block7.html.

Um den Anforderungen von Block 7 gerecht werden zu können ist für die Studierenden unter anderem eine verpflichtende Einführung in die Benützung der Einrichtungen der UB in Form eines einstündigen Seminars im Rahmen des Curriculums vorgesehen.

Bereits zum dritten Mal wurden im Wintersemester 2004/05 insgesamt 600 Studierende des 2. Studienjahres in 40 Kleingruppen zu je 15 Personen über die wichtigsten Services und Ressourcen der Universitätsbibliothek informiert. Ziel ist es, Studierende damit vertraut zu machen, wie sie vom Literaturzitat aus einer medizinischen Datenbank zum dazugehörigen Fachartikel - online oder print - gelangen. Das Seminar besteht aus einer Führung durch die traditionelle Bibliothek, aus einer Präsentation der digitalen Bibliotheksangebote und einem betreuten Übungsteil.

Das in der Bibliothekseinführung vermittelte Wissen wird auch im Rahmen der Lehrveranstaltungsprüfung zu Block 7 Wissenschaft und Medizin überprüft (exemplarische Prüfungsfrage s. Tabelle 2 [Tab. 2]).

Die Kenntnisse über die Literatur- und Informationssuche werden von den Studierenden in den unmittelbar danach stattfindenden Wahlpflichtfächern sofort in der Praxis angewendet.

Als große Herausforderung für die von der Universitätsbibliothek an den Seminaren beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellt sich der rigorose Stundenplan dar, der das gesamte neue Medizinstudium prägt: So hat die Bibliothek etwa ihre 40 Seminare pro Turnus für Block 7 an insgesamt nur zweieinhalb Tagen anzubieten.

Die Verankerung der Bibliothek im Curriculum hat den großen Vorteil, dass es im dritten Semester praktisch keinen Medizinstudenten mehr gibt, der die Bibliothek nicht kennt; außerhalb des Curriculums war es bisher trotz aller Werbemaßnahmen nicht möglich, die Studierenden eines Jahrganges auch nur annähernd so umfassend über die Bibliotheksangebote zu informieren und zu schulen.

Für die Universitätsbibliothek hat die Einbindung in das Curriculum auch den Vorteil, sich in einen für das Medizinstudium wichtigen Context einbringen zu können:

  • Das Bibliotheksskriptum zum Seminar ist unter den sonstigen Curriculumunterlagen für die Studierenden online abrufbar.
  • Darüber hinaus ist die Bibliothek mit einer Darstellung ihrer Angebote für die Studierenden in dem seit 2003 erscheinenden Lehrbuch zu Block 7 Wissenschaft und Medizin mit einem eigenen Kapitel fix vertreten [2].
Bibliotheksvorlesung in Bock 1 „Gesunde und kranke Menschen“

Block 1 zum Thema Gesunde und kranke Menschen dauert 15 Arbeitstage und hat als Studieneingangsphase vor allem eine Informations- und Orientierungsfunktion. Den Studienfanfängerinnen und -anfängern sollen wesentliche Themen des Medizinstudiums sowie die im weiteren Verlauf des Studiums zur Anwendung kommenden Unterrichtsmethoden nahe gebracht werden. Es soll Grundlegendes über Gesundheit und Krankheit, über das Gesundheitssystem, über Epidemiologie, über Wissenschaft und deren Anwendung in der Praxis vermittelt werden. Weiters soll ein Einblick in die klinischen Problemstellungen von Akuterkrankungen, chronische Erkrankungen sowie des Sterbens gegeben werden.

In Zusammenhang damit wird in verschiedenen Kleingruppenveranstaltungen eine Sensibilisierung für den Umgang mit Leidenden aus ethischer und psychologischer Sicht angestrebt.

Ein wesentliches Anliegen ist die Information über die naturwissenschaftlichen Voraussetzungen, Lernleistung und Selbstorganisation für das erfolgreiche Bewältigen des Studiums. Auch im Kleingruppenunterricht werden acht Stunden dem Erarbeiten exemplarischer Themen aus naturwissenschaftlichen Fächern gewidmet und Impulse zur kritischen Überprüfung des Vorwissens und zur Selbstorganisation der Studierenden gegeben (http://www.univie.ac.at/a202/sg/block1/index.html).

Im Wintersemester 2004/05 wurde die Universitätsbibliothek erstmals eingeladen, sich auch in Block 1 Gesunde und kranke Menschen einzubringen. Ca. 1.200 Studienanfängerinnen und -anfänger wurden im Oktober 2004 an vier Terminen in der einstündigen Vorlesung Die Universitätsbibliothek - ein moderner Informations- und Forschungspartner in Gruppen zu je 300 Studierenden über die Rolle der Bibliothek im Rahmen des Lehr- und Forschungsbetriebes der Medizinischen Universität Wien informiert. Vorgestellt wurden auch ausgewählte Informationsquellen, wie Lehrbücher, Nachschlagewerke und Zeitschriften, die speziell für Studienanfänger geeignet sind.

Als fakultatives Zusatzangebot wurden wöchentlich Termine für eine halbstündige Führung durch den Lesesaal der Universitätsbibliothek angeboten, was allerdings, wie auch frühere freiwillige Zusatzangebote, auf wenig Resonanz gestoßen ist.

Neue Lehrbücher

Mit dem neuen Medizinstudium sind auch neue Anforderungen an die frühere Lehrbuchsammlung entstanden.

War in ursprünglichen Konzepten vorgesehen, dass die für das neue Medizinstudium benötigte Literatur ausschließlich online zur Verfügung gestellt werden wird (geplant waren Online-Unterlagen im Umfang von ca. 10.000 Seiten, die das gesamte Studium abdecken sollten), so hat sich mittlerweile bereits wieder eine zum Teil aus neuen Titeln bestehende Liste an Lehrbüchern herauskristallisiert.

Der Umbau der Lehrbuchsammlung orientiert sich an den Study Guides, in denen die für die einzelnen Studienabschnitte empfohlene Literatur angeführt ist. Unterschieden wird zwischen essentieller Literatur und ergänzender Literatur.

Die für das MCW essentielle Literatur wurde, soweit sie noch nicht Bestandteil der Lehrbuchsammlung gewesen ist, in größeren Stückzahlen angeschafft und in die bestehende Lehrbuchsammlung integriert.

Die ergänzende Literatur, die z.T. sehr viele Titel umfasst, wurde in einer Stückzahl von sechs Exemplaren erworben.

Eine besondere Herausforderung liegt in der Problematik, dass in den nächsten Jahren parallel zu den Studierenden im neuen Curriculum auch die Studierenden nach der alten Studienordnung mit Lehrbüchern zu versorgen sein werden, sodass der Umbau bei den angebotenen Titeln nur behutsam vorgenommen werden kann.

Teilkatalog MCW

Neben dem bestehenden Teilkatalog Lehrbuchsammlung, der aus oben genannten Gründen vorerst noch weiter zu führen ist, bis das Studium nach der alten Studienordnung ausläuft, wurde ein neuer Teilkatalog Medizin Curriculum Wien aufgebaut, in dem sowohl essentielle als auch ergänzende Literatur verzeichnet sind und der blockweise abgefragt werden kann. Das Lehrbuch Biochemie und Pathobiochemie von Georg Löffler etwa ist ergänzende Lernunterlage in Block 3 sowie essentielle Lernunterlage in den Blöcken 10, 11, 13, 14, 15 und 16. Insgesamt verzeichnet der Teilkatalog MCW für die 24 Blöcke der ersten vier Studienjahre derzeit 173 Titel, die von den Dozentinnen und Dozenten insgesamt 313mal als essentielle oder als ergänzende Lernunterlage angeführt worden sind.

Blockapparate

Begleitend zu den Vorlesungen werden seit dem Wintersemester 2004/05 von der Universitätsbibliothek Blockapparate vorbereitet. Ziel dieser Innovation ist es zu vermeiden, dass alle Exemplare eines Titels aus der empfohlenen Literaturliste in kürzester Zeit entlehnt sind und kein einziges Exemplar in der Bibliothek vorhanden ist. Von jedem essentiellen sowie ergänzenden Titel wird für die Dauer des Blocks je ein Exemplar am Informationsschalter bereitgestellt, das von den Studierenden nur in den Bibliotheksräumlichkeiten genutzt (gelesen oder kopiert) werden kann, aber nicht ausgeborgt werden darf. Während derzeit jeweils vier Blockapparate parallel bereit gestellt werden, wird sich diese Zahl in den nächsten zwei Jahren auf sechs erhöhen, wenn auch die letzten beiden Studienjahre angelaufen sein werden.

E-Bücher

Obgleich derzeit der Schwerpunkt der Literaturversorgung für die Studierenden des neuen Curriculum zweifelsohne auf dem gedruckten Medium liegt, werden von der Bibliothek seit 2002 auch elektronische Bücher lizenziert.

Mit der Online-Version von Pschyrembel Klinisches Wörterbuch steht seit 2002 ein Top-Produkt zur Verfügung, das auch sehr gut genutzt wird [3]. Derzeit wird Pschyrembel Premium (2004) im Test angeboten, das nicht nur inhaltlich eine enorme Erweiterung gegenüber der älteren Version bedeutet (Pschyrembel Premium (2004) beinhaltet: Pschyrembel Klinisches Wörterbuch, Therapeutisches Wörterbuch, Wörterbuch Pflege, Wörterbuch Naturheilkunde, Hunnius Pharmazeutisches Wörterbuch), sondern auch wichtige zusätzliche Recherchefunktionen beinhaltet.

Von 375 Titeln der Lehrbuchsammlung werden von den Verlagen derzeit nur wenige auch online angeboten. Ein erster Abgleich vor zwei Jahren mit den angebotenen elektronischen Lehrbücher machte vor allem das Fehlen der Online-Versionen bei den deutschsprachigen Titeln deutlich, die den Schwerpunkt der Lehrbuchsammlung bilden.

Zunächst standen nur englischsprachige Titel zur Auswahl, sodass seit 2003 einige Titel von Books@Ovid lizenziert werden, insbesondere weil dadurch u.a. auch Harrison's principles of internal medicine online angeboten werden kann, ein Titel der in den Blöcken 9, 10 und 11 des Curriculums jeweils als essentielle Lernunterlage empfohlen wird.

Im Januar 2005 wurden zehn Titel der Thieme Electronic Book Bibliothek lizenziert, sodass nunmehr u.a. Thiemes Innere Medizin (2001) und Lehrbuch Physiologie (2003) von Klinke & Silbernagl, die im Curriuculum ebenfalls sehr wichtige essentielle Lernunterlagen darstellen, von den Studierenden online genutzt werden können.

Scannen für das MCW

Im Wintersemester 2004/2005 wurde in Kooperation mit einer Dozentin für Medizingeschichte ein Projekt mit der Zielsetzung entwickelt, dass bedeutende Werke aus dem Institut für Geschichte der Medizin, die für konkrete Lehrveranstaltungen benötigt werden, von Bibliotheksmitarbeitern eingescannt und auf einem Server der Universitätsbibliothek für die Studierenden online zur Verfügung gestellt werden (z.B. [4]).

So wünschenswert es für die Bibliothek ist, dass der einzigartige medizinhistorische Bestand auch schon im Rahmen des Medizinstudiums einen wichtigen Stellenwert bekommt, so problematisch erweist sich ein Procedere, jeweils allen Studierenden zum intensiven Quellenstudium die selben Originale auszuhändigen; darüber hinaus bleiben auch der zeitlich sehr gedrängte Stundenplan sowie die vorgegebenen Öffnungszeiten der Bibliothek ein Handicap dafür, den Studierenden die medizinhistorische Literatur positiv vermitteln zu können. Mit dem Projekt Scannen für das MCW wird einerseits für Gruppen eine intensive Beschäftigung mit den Quellen möglich, andererseits ein Beitrag zum Schutz singulärer und wertvoller Materialien geleistet.

600 Diplomarbeiten pro Jahr

Mit dem Ablauf des Sommersemesters 2005 werden die ersten Studierenden nach dem neuen Studienplan zwei Drittel des neuen Curriculums absolviert haben; das verbleibende Drittel bringt für die Universitätsbibliothek mit der nunmehr für alle Studierenden verpflichtenden Diplomarbeit (http://www.meduniwien.ac.at/files/1/11/richtlinie_da-n202_203.pdf) die größte neue Herausforderung.

Es gilt für voraussichtlich ca. 600 Diplomandinnen und Diplomanden pro Jahr Hilfestellung bei der Recherche und der Beschaffung der benötigten Literatur zu geben.

Erweiterung der Dissertationsdatenbank

Die seit 2004 vom Österreichischen Bibliothekenverbund(OBVSG) (http://www.bibvb.ac.at/) betriebene Dissertationsdatenbank (http://dissdb.bibvb.ac.at/) beinhaltet derzeit den bibliographischen Nachweis bzw. die Abstracts von insgesamt 2.473 Hochschulschriften (davon 2.220 Dissertationen und 253 Diplomarbeiten) von 22 Universitäten. Seit der Errichtung der medizinischen Universitäten im Januar 2004 arbeiten auch die medizinischen Universitätsbibliotheken an der Erstellung dieser Datenbank mit. Bisher wurden 162 Hochschulschriften von der Medizinischen Universität Wien erfasst, davon 153 Dissertationen und 9 zahnmedizinische Diplomarbeiten (Seit 2004 besteht die Möglichkeit neben Dissertationen auch Diplomarbeiten in der Österreichischen Dissertationsdatenbank zu erfassen.).

Die Autorinnen und Autoren der aktuellen Dissertationen der Medizinischen Universität Wien werden auf der Webpage der Universitätsbibliothek unter "News" angeführt, wobei die einzelnen Namen mit dem entsprechenden Dokument in der Österreichischen Dissertationsdatenbank verlinkt sind, sodass man durch einen Mausklick direkt zum bibliographischen Eintrag sowie zum englischen bzw. deutschen Abstract gelangt:

In Zukunft plant die Universitätsbibliothek, die Beschlagwortung der Diplomarbeiten und Dissertationen in der Österreichischen Dissertationsdatenbank unter Verwendung der MeSH-Begriffe in der deutschen Übersetzung des DIMDI (http://www.dimdi.de/static/de/klassi/mesh_umls/mesh/index.htm) vorzunehmen. Weiters sollen die Diplomarbeiten und Dissertationen spätestens ab 2007 in elektronischer Form archiviert und bereitgestellt werden.

Auszubildende anderer Gesundheitsberufe

Auch wenn der Schwerpunkt der Bibliotheksangebote im Ausbildungsbereich bei den Studierenden der Medizinischen Universität Wien sowohl der alten als auch der neuen Studienordnung liegt, so stehen die Universitätsbibliothek und ihre Angebote auch für alle sonstigen Interessenten, so etwa für die Studierenden an anderen Ausbildungsstätten im Gesundheitsbereich offen. Von allen externen Benutzern wird entsprechend der neuen Benützungsordnung, die voraussichtlich mit Wintersemester 2005/06 in Kraft treten wird, eine jährliche Benützungsgebühr von 15 Euro zu bezahlen sein, die zur Entlehnung von Literatur aus der Universitätsbibliothek berechtigt.

Von insgesamt 87.830 Entlehnungen im Jahr 2004 verzeichnete die Lehrbuchsammlung 47.328 Entlehnungen, die Klinische Bibliothek 34.949 Entlehnungen und die dezentralen Einrichtungen 5.553 Entlehnungen (Abbildung 1 [Abb. 1]). An der Klinischen Bibliothek entfallen ca. 55 % der Entlehnfälle auf Studierende der Medizinischen Universität Wien und ca. 45 % auf alle übrigen Benutzergruppen.

Der Zuwachs bei den Entlehnungen in den letzten Jahren resultiert seit der im Jahr 2000 erfolgten Einführung einer Entlehnmöglichkeit für Monographien aus der Klinischen Bibliothek ausschließlich auf diesem Bestand; die gute Akzeptanz dieses Angebots ist nicht zuletzt auch Ergebnis der konsequenten Standing Order-Erwerbungspolitik seit 2000 für die deutschsprachigen Publikationen ausgewählter Verlage (Facultas, Schattauer, Springer, Thieme und Urban & Fischer).

Bereits jetzt nutzen Studierende der physiotherapeutischen Akademien, der Akademien für den medizinisch-technischen Dienst sowie der Pflegeschulen die Ressourcen und Services der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien im Zuge der Literatur- und Informationsbeschaffung für ihre Diplomarbeiten in beachtlichem Ausmaß, wobei mittelfristig mit einem noch stärkerem Andrang zu rechnen sein wird, wenn neue Ausbildungsstandards festgelegt bzw. die entsprechenden Ausbildungen im tertiären Bildungssystem etabliert werden.

Mit dem geplanten Gesundheitsberufe-Rechtsänderungsgesetz (http://www.parlament.gv.at/portal/page?_pageid=908,718682&_dad=portal&_schema=PORTAL) soll die Ausbildung für Gesundheitsberufe, wie Medizinisch-Technische Assistenten (MTA), Physiotherapeuten, Logopäden oder Hebammen, an Fachhochschulen (FH) verlagert werden und mit dem Bakkalaureat abschließen.


Resümee

Das neue Medizin Curriculum Wien bringt auch für die Universitätsbibliothek wesentliche neue Anforderungen. Neben den etablierten Bibliotheksangeboten für Studierende, nämlich Studentenlesesaal und Lehrbuchsammlung, die allerdings entsprechend den Anforderungen des neuen Curriculum umzubauen ist, wurde die Vermittlung von Informationskompetenz durch die Einbindung in zwei Blöcke des Curriculums als ein wichtiger Aufgabenbereich der Universitätsbibliothek überantwortet.

Mit der verpflichtenden Diplomarbeit am Ende des Studiums, die bisher für Mediziner in Österreich nicht vorgesehen war, wird in den nächsten Jahren der Universitätsbibliothek eine weitere neue Aufgabe erwachsen. Neben der Hilfestellung bei der Recherche und der Beschaffung der benötigten Literatur für voraussichtlich ca. 600 Diplomanden pro Jahr, werden mit der Erfassung dieser Hochschulschriften in der Österreichischen Dissertationsdatenbank sowie der geplanten Archivierung und Bereitstellung der Diplomarbeiten und Dissertationen in elektronischer Form weitere neue und für das Medizinstudium wichtige Aufgaben zu übernehmen sein.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien mit dem neuen Medizin Curriculum Wien die Chance erwächst, sich bei der Betreuung der Studierenden als kompetenter Partner der Studierenden neu zu positionieren.


Kennzahlen

Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien 2004

  • Studierende: ca. 9.950
  • Wissenschaftler & Ärzte: ca. 2.000
  • Raumfläche (ohne dezentrale Bereiche): 3.724 m2
  • Bestand (Monographien u. Zeitschriftenbände): ca.560.000
  • Zuwachs (Bücher u. CD-ROMs): 7.036
  • Zeitschriftenabonnements (print): 1.821
  • Zeitschriftenlizenzen (online): ca. 2.700
  • Entlehnungen: 87.830
  • Verlängerungen: 64.295
  • Zugriffe auf E-Zeitschriften über EZB: 188.705
Lehrveranstaltungen der Universitätsbibliothek mit Teilnahmeverpflichtung:
  • 1. Semester, 1 Stunde: ca. 1.200 Studierende pro Studienjahr
  • 7. Semester, 1 Stunde: ca. 600 Studierende pro Studienjahr

Literatur

1.
Bauer, Bruno: Die Neuorganisation des österreichischen Universitätswesens: die neuen staatlichen und privaten Medizinuniversitäten und ihre Bibliotheken. - In: medizin - bibliothek - information 5 (2005), H. 1, S. 51.-54. - http://www.agmb.de/mbi/2005_1/bauer2.pdf
2.
Wissenschaft und Medizin : ein Lehrbuch für das erste Spezielle StudienModul (SSM 1) - Block 7 / Robert Trappl (Hg.). Autoren und Einzelbeitr.: Helmut Dollfuß ... . - 2., aktual. Aufl. . - Wien : Facultas , 2004 . - IV, 190 S. . - ISBN: 3-85076-673-X
3.
Bauer, Bruno: Das österreichische Pschyrembel-Konsortium 2002-2004. - In: medizin - bibliothek - information 3 (2003), H. 3, S. 30-32. - http://www.agmb.de/mbi/2003_3/bauerpsy.pdf
4.
Jakob Fidelis Ackermann: Ueber die körperliche Verschiedenheit des Mannes vom Weibe außer den Geschlechtstheilen. (De discrimina sexum praeter genitalia. Dt.) Übers. Von Joseph Wenzel. Koblenz: Huber, 1788. [Josephinische Bibliothek, Signatur 625)