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8. Symposium Health Technology Assessment

Deutsche Agentur für HTA des DIMDI – DAHTA@DIMDI

18. - 19.10.2007, Köln

Ergebnisse des HTA-Berichts "Hörscreening für Neugeborene"

Meeting Abstract

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Deutsche Agentur für Health Technology Assessment des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information. 8. Symposium Health Technology Assessment. Köln, 18.-19.10.2007. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2007. Doc07hta10

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/hta2007/07hta10.shtml

Veröffentlicht: 12. Oktober 2007

© 2007 Schnell-Inderst.
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Gliederung

Abstract

Einleitung: Spracherwerbsrelevante (Hörverlust >40 dB) angeborene Hörstörungen (HST) sind mit einer Prävalenz von 1 bis 3 pro 1000 zwar eine seltene, aber eine der häufigsten angeborenen Erkrankungen. Mit der bisherigen Praxis der Entdeckung von HST durch Verdacht durch Ärzte und Eltern war es nicht möglich angeborene HST in Deutschland bereits im ersten Lebensjahr zu erkennen. Bisher werden relevante HST erst im zweiten Lebensjahr erkannt. Objektive audiologische Testverfahren mittels transitorisch evozierter otoakustischer Emissionen (TOAE) oder der Hirnstammaudiometrie (ABR) ermöglichen ein Hörscreening unmittelbar nach der Geburt.

Fragestellung: In diesem Bericht wird die Bewertung der medizinischen Effektivität und der Wirtschaftlichkeit von Neugeborenenhörcreeningprogrammen (NHS-Progamm) aktualisiert. Als Zielgrößen werden die Diagnose- und Versorgungszeitpunkte unter (i) einem universellen Hörscreeningprogramm, (ii) einem Screeningprogramm für Risikokinder und (iii) bei Abwesenheit eines Screeningsprogramms verglichen. Es folgt eine Analyse der Vorteile einer frühzeitigen Therapie. Ferner werden die Kosten und die Kosteneffektivität von Hörscreeningsprogrammen ermittelt. Die Ergebnisse des Berichts sollen als Entscheidungshilfe dienen, ob die Aufnahme eines NHS in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sinnvoll erscheint.

Methodik: Dieser HTA-Bericht aktualisiert den Vorgänger-HTA-Bericht (Kunze et al. (2004)). Es wird eine systematische Literaturübersicht mit dokumentierter Literaturrecherche und -selektion, vorabdefinierten Ein- und Ausschlusskriterien sowie dokumentierter Extraktion und Bewertung der eingeschlossenen Studien durchgeführt. Zur Beurteilung der Kosteneffektivität der verschiedenen Screeningstrategien in Deutschland wird das im Vorgänger-HTA-Bericht entwickelte entscheidungsanalytische Markov-Modell anhand der neu identifizierten Daten aktualisiert.

Ergebnisse: Auch im deutschen Versorgungskontext ermöglichen universelle Neugeborenhörscreeningprogramme (UNHS-Programme) eine Vorverlegung der Identifikation einer HST und einen früheren Interventionsbeginn bis zum sechsten Lebensmonat mit hohen Erfassungsraten, niedrigen Anteilen Testauffälliger und insofern ein System zur Nachverfolgung Testauffälliger installiert wurde, hohen Anteilen Testauffälliger mit Abklärungsdiagnostik. Neue Daten zu Vorteilen einer frühen Intervention konnten nicht identifiziert werden. Für eine abschließende Beurteilung der Kosteneffektivität von NHS fehlt eine sichere Datengrundlage. Langzeitmodelle ergeben Kosteneinsparungen für UNHS gegenüber und von Risikoscreening gegenüber einer Praxis ohne Screening. Die Datenlage zur Wirtschaftlichkeit im kurzfristigen Zeithorizont bis zur Abklärungsdiagnostik ist besser gesichert und ist mit durchschnittlichen Kosten von 16.000 bis 33.600 EUR pro entdeckter HST in Deutschland im Bereich anderer bereits implementierter Screeningprogramme für Neugeborene. Für die Kosten von Risikoscreening liegen im deutschen Kontext keine empirischen Daten vor. Die entscheidungsanalytische Modellierung zeigt, dass Risikoscreening kostengünstiger ist, jedoch gegenüber einem UNHS nur die Hälfte der Fälle von HST identifizieren kann.

Diskussion: Dass UNHS-Programme bei entsprechender Qualitätssicherung eine Vorverlegung der Therapie in das Lebensalter von sechs Monaten erzielen können, kann als gesicherte Evidenz gelten. Zudem sind bisher keine Hinweise auf relevante negative Auswirkungen des Screenings auf Kinder mit falsch positiven Testergebnissen und deren Eltern zu identifizieren. Schwieriger ist eine empirische Absicherung der genauen Abschätzung der Vorteile einer frühen Intervention. Randomisierte Studien mit Kindern mit HST verbieten sich aus ethischen Gründen, prospektive Beobachtungsstudien mit langfristigem Zeithorizont bei seltenen Erkrankungen sind aufwändig und langwierig. Gleichzeitig sind die Vorteile einer frühen Intervention für eine normale Sprachentwicklung sehr wahrscheinlich.

Schlussfolgerung: Ein UNHS-Programm sollte als Leistung der GKV in Deutschland eingeführt werden. Bei stationären Geburten sollte es wegen der zu erzielenden höheren Erfassungsraten und der günstigeren Untersuchungsbedingungen bei Neugeborenen noch während des Krankenhausaufenthalts durchgeführt werden.