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Die Bedeutung des Neugeborenenhörscreenings
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Veröffentlicht: | 12. Oktober 2007 |
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Abstract
Nach Schätzungen des Deutschen Zentralregisters für kindliche Hörstörungen liegt die Prävalenz von angeborenen, beidseitigen kindlichen Hörstörungen in Deutschland bei ca. 1,2 pro 1000 Neugeborene. Bei angeborenen Hörstörungen kann eine adäquate akustische Stimulierung und somit eine weitere Reifung und Ausbildung des Hörsinnes (Hörbahnreifung) nicht erfolgen. Dies kann zu irreversiblen Defiziten des Hörsystems führen. Ein ausreichendes Hörvermögen gilt darüber hinaus als Voraussetzung für den natürlichen Spracherwerb. Als sekundäre Folgen der Hörstörung sind kognitive, emotionale und psychosoziale Entwicklungsstörungen bekannt. Das Diagnosealter für Hörstörungen liegt derzeit bei etwa 21–47 Monaten. Die Behandlung von angeborenen Hörstörungen soll daher möglichst früh erfolgen.
Durch ein flächendeckendes universelles Hörscreening (UHNS) kann die Diagnose einer angeborenen Hörstörung vorverlegt werden. Die im Rahmen eines universellen Neugeborenen-Hörscreenings einsetzbaren Testverfahren TEOAE und AABR sind gegeneinander nicht in ausreichend evaluiert. Hinsichtlich eines zweistufigen Screenings (TEOAE, gefolgt von AABR bei auffälligen Befunden) gibt es nur eine Studie, die ausreichend valide ist und eine hohe Spezifität (98,5%) und eine Sensitivität von 91,7% aufweist. Die Sensitivität des Screeningprogrammes ist jedoch eindeutig von der Struktur und Prozessqualität des Screenings abhängig, da bei Einbeziehung der Kinder in die Auswertung, die trotz Angebot nicht ins Screening eingeschlossen wurden, die Sensitivität des Programmes von 91,7% auf 71% fiel.
Die Studien zum UNHS zeigen, dass der frühere Diagnosezeitpunkt auch zu einem früheren Behandlungszeitpunkt führt. Aus weiteren Studien ist zu folgern, dass ein früherer Behandlungszeitpunkt mit einer besseren Sprachentwicklung der Kinder korreliert, unabhängig davon, ob die Diagnose durch das Screening oder durch eine andere Maßnahme gestellt wurde. Ein individueller Nutzen der betroffenen Kinder durch ein UNHS besteht somit durch eine in der Tendenz nachgewiesene Verbesserung der Sprachentwicklung, unabhängig vom Schweregrad der Hörstörung.Eine weitergehende Aussage hinsichtlich patientenrelevanter Zielgrößen (Lebensqualität, psychische Gesundheit, Zufriedenheit, schulische und berufliche Entwicklung) kann derzeit nicht mit hinreichender Genauigkeit gemacht werden, da der Beobachtungszeitraum oder die untersuchte Fallzahl der vorliegenden Studie hierfür noch nicht ausreichend ist. Hinsichtlich der nachteiligen Folgen einer Überdiagnostik, z. B. durch falsch positive Befunde des Neugeborenen-Hörscreenings, liegen kaum Ergebnisse vor, jedoch kann indirekt aufgrund der geringen Invasivität der primären Screeningmethode darauf geschlossen werden, dass die negativen Folgen als sehr gering einzuschätzen sind.
Fazit: Durch ein flächendeckendes universelles Neugeborenen-Hörscreening (UNHS) mit einer sequentiellen Untersuchung von TEOAE und AABR und hinreichender Sensitivität und Spezifität kann der Diagnose- bzw. Behandlungszeitpunkt einer angeborenen, kindlichen Hörstörung vorverlegt werden. Die Sensitivität und der Erfolg des UHNS ist abhängig von einem umfassenden Screeningprozess, sowohl von der Erfassung bis zur Behandlung. Daher muss die Implementierung eines UNHS von Qualitätssicherungsmaßnahmen begleitet werden, um evtl. auftretende Defizite und Probleme zu erkennen und ggf. Maßnahmen einzuleiten.