gms | German Medical Science

4. Symposium Health Technology Assessment
Bewertung medizinischer Verfahren

Deutsche Agentur für HTA des DIMDI – DAHTA@DIMDI

13. bis 14.11.2003, Krefeld

Die Durchführung einer Literaturrecherche in elektronischen Datenbanken

Vortrag

Suche in Medline nach

Deutsche Agentur für Health Technology Assessment des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information. 4. Symposium Health Technology Assessment - Bewertung medizinischer Verfahren. Krefeld, 13.-14.11.2003. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2004. Doc03hta12

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/hta2003/03hta12.shtml

Veröffentlicht: 29. April 2004

© 2004 Dauben.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Gliederung

Text

Voraussetzungen für die Durchführung einer Literaturrecherche

Für die Durchführung einer qualitativ hochwertigen, strukturierten und systematischen Literaturrecherche werden im Idealfall folgende Dinge benötigt:

• Die Fragestellung, einschließlich des vollständigen Hintergrunds

• Ausreichende Fachkenntnisse zum Thema

• Zugang zu den relevanten Datenquellen, einschließlich der notwendigen Kenntnisse zum Umgang mit elektronischen Datenbanken

• Kenntnisse über die Auswertung, Bewertung und Synthese des gefundenen Wissens

Fragestellung und Hintergrund

Eine korrekte Fragestellung im Bereich der evidenzbasierten Medizin muss bestimmte Kriterien erfüllen. Sie muss erstens zu beantworten sein, sie muss objektiv sein, d.h., sie darf durch ihre Struktur nicht das Ergebnis implizieren und sie soll wissenschaftlich sein, d.h., sie soll mit den vorhandenen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnistheorien im Einklang stehen.

Der richtige Aufbau der Fragestellung hilft nicht nur bei der Durchführung der Suche, sondern stellt auch einen wesentlichen Teil der Qualitätssicherung innerhalb der Literaturrecherche dar.

Für den Aufbau einer strukturierten Suche und Analyse von Literatur sind jedoch noch mehr Faktoren entscheidend.

Das Bestimmen der richtigen Suchbegriffe nimmt einen wesentlichen Teil der Zeit in Anspruch, die für die Entwicklung der Suchstrategie aufzuwenden ist. Hilfreich zur Verkürzung dieser Zeit ist insbesondere die Darstellung des Hintergrunds. Seine Beschreibung hilft nicht nur die Fragestellung umfassend abzubilden, sondern ist auch ein Mittel für eine transparente und objektive Recherche sowie eine Vorraussetzung um die Akzeptanz der Ergebnisse und ihre Reproduzierbarkeit zu gewährleisten.

Diese einfachen Kriterien stellen sich jedoch im Alltag durchaus als komplex dar. In diesem Text würde die ausführliche Darstellung dieses Themas den vorgegebenen Rahmen sprengen.

Fachkenntnisse zum Themenbereich

Die Umschreibung „ausreichende Fachkenntnisse" ist bewusst sehr vage formuliert und muss im Einzelfall beantwortet werden. Diese Fachkenntnisse können im Vorfeld auch durch eine Einarbeitung in das Thema sowie durch Gespräche mit Experten und Auftraggebern, wenn man mit der Literaturrecherche beauftragt ist, gewonnen werden. Eine Einarbeitung im Vorfeld birgt die Gefahr, beabsichtigt oder unbeabsichtigt, beeinflusst zu werden. Dieser Beeinflussung kann nur durch eine ständige, selbstkritische Überprüfung der eigenen Leistung begegnet werden. Dazu gehört auch, Expertenwissen richtig einzuschätzen. Weitere Hilfen zum Umgang mit Fragestellungen und zur Identifizierung von relevanten Schlagwörtern sind weiter unten beschrieben. Fachkenntnisse sind zudem ein wesentliches Kriterium für die interne Qualitätskontrolle der Recherche. Es ist hilfreich, das gesamte externe Wissen in diesem Zusammenhang sorgfältig zu dokumentieren.

Fachkenntnisse zum Umgang mit elektronischen Datenbanken

Eine selbstverständliche Vorraussetzung für die Durchführung einer korrekten und vollständigen Recherche sind Kenntnisse über die Eigenschaften der einzelnen Datenbanken und ihrem Umfeld. Zu dieser Umgebung gehören u.a. die Struktur des verwendeten kontrollierten Vokabulars (Thesaurus), falls ein derartiges vorhanden ist. Dieser Thesaurus wird bei der Datenbank MEDLINE kurz MeSH (Medical Subject Headings) genannt und bei EMBASE kurz EMTREE. Gerade durch das Nichtbeachten der Strukturen und Hilfen der elektronischen Datenbanken sind Fehler bei der Recherche vorprogrammiert. Diese Fehler kosten nicht nur teure Arbeitszeit, sie führen auch zu falschen Ergebnissen die teilweise nur schwer zu erkennen sind und damit ein besonderes Problem in der Qualitätskontrolle darstellen.

Kenntnisse über die Auswertung, Bewertung und Synthese des gefundenen Wissens

Die erfolgreiche Suche endet mit der Darstellung des gefundenen Wissens. Die Synthese des Wissens aus der Literaturrecherche erfolgt schrittweise und sollte nicht nur durch eine Person erfolgen. Die Bewertung der gefundenen Quellen wird sehr stark durch die persönliche Einstellung zum Thema und den eigenen Kenntnisstand beeinflusst.

Qualitätssicherung bei der Literaturrecherche

Die wesentlichsten Punkte bei der Sicherstellung der Qualität einer Recherche sind neben den bereits erwähnten Voraussetzungen für die Suche:

• Eine vollständige Dokumentation

• Der Abgleich der gefundenen Literaturstellen mit bereits vorhandenem Wissen

• Der Aufbau der Suchstrategie

1. Dokumentation der Literaturrecherche

Die Dokumentation beginnt nicht erst bei der Durchführung der Recherche, sondern umfasst den gesamten Auftragsprozess von der Formulierung der Fragestellung bis zur abschließenden Dokumentation nach Fertigstellung der Synthese. Die Art und der Umfang der Dokumentation sollten zweckmäßig und zielführend sein.

2. Abgleich der Literatur mit vorhandenem Wissen

Der Abgleich mit dem bereits vorhandenem Wissen umfasst sowohl die fachlichen Vorkenntnisse als auch das unsystematisch gefundene Wissen zur Fragestellung, das bei der Darstellung des Hintergrunds gesammelt wird. Zu möglichen Informationsquellen gehören:

• Internetbasierte Informationen von

•• Unabhängigen Dritten

•• Industrie (Anbieter und Konkurrenten)

• Elektronische Datenbanken

• Papiergebundene Informationen

• Persönliche Kommunikation mit vertraulichen Informationen

• Nichtpublizierte Informationen

• Register

Grundsätzlich kann jede Informationsquelle genutzt werden. Wichtig ist jedoch, dass man sich der möglichen Fehlerquellen der verschiedenen Informationsquellen bewusst ist und diese beachtet sowie gegebenenfalls dokumentiert. Insbesondere dürfen diese unsystematischen Informationen nicht zu einer voreingenommenen und vorschnellen Bewertung der Fragestellung führen.

Auch die in den vorhandenen Quellen beschriebenen Literaturverzeichnisse können zur Überprüfung der gefundenen Daten genutzt werden.

3. Aufbau der Suchstrategie

Der Aufbau der Suchstrategie ist ein weiterer wesentlicher Punkt um die Qualität der Recherche zu sichern. Für eine korrekte Entwicklung der Suchstrategie sind Kenntnisse über die jeweilige Datenbank und die Besonderheiten der Abfragesprache (Query Language) wichtig. Zusätzlich muss bei der Auswahl der Datenbank die Grundlage der Datenbank, d.h. der Schwerpunkt der benutzten Zeitschriften berücksichtigt werden. Für die Suchstruktur können auch bereits validierte Suchschemata benutzt werden. Für viele Datenbanken gibt es derartig Schemata zu den verschiedensten Themenbereichen wie „randomisierte Studien", ökonomische oder ethische Themen, etc. Eine gute Übersicht zur Entwicklung von Suchstrategien liefert der HTA-Bericht "NCCHTA - Literature searching for clinical and cost-effectiveness studies used in health technology assessment reports carried out fort he National Institute for Clinical Excellence appraisal system. Royle P, Waugh N, 2003, Vol. 7, No. 34". Weitere Quellen für derartige Suchstrategien sind u.a. das Centre for Reviews and Dissemination an der Universität York (nhscrd.york.ac.uk), die kanadische HTA-Agentur (www.ccohta.ca) oder die National Library for Medicine (www.nlm.nih.gov).

Ablauf einer Literatursuche

Für die Beschreibung der folgenden Suchschritte wird der Zugang zu den verschiedenen Datenbanken über das DIMDI benötigt. Die Beschreibungen beziehen sich teilweise auf das DIMDI spezifische Vokabular zur Abfrage von Literaturdatenbanken. Informationen zu den verschiedenen Befehlen der Suchsprache und zum Hintergrund der Datenbanken finden Sie über www.dimdi.de - Datenbanken.

1. Erstellung der Hintergrundinformationen über Suchen im Internet

• Via Google oder anderer Suchmaschinen

• In Leitlinien Datenbanken der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) (www.uni-duesseldorf.de/www/awmf).

2. Festlegung der Schlagwörter (Teil 1)

• Auf der Basis der gefundenen Informationen werden relevante Schlagworte beschrieben und in Datenbank spezifisches, kontrolliertes Vokabular übersetzt.

• Das Vokabular kann beim DIMDI mit den Befehlen "d ct = heart?" (für einen expliziten Begriff) oder "d ct down heart?" (für die Baumstruktur der entsprechenden Begriffe) nach Auswahl der entsprechenden Datenbanken angezeigt werden. Hier können auch die Suchen nach entsprechenden Begriffen durchgeführt werden. Eine Besonderheit stellt die Suche im deutschsprachigen MeSH dar. Die gefundenen Begriffe korrespondieren mit seiner englischsprachigen Ausgabe. Entsprechende Anzeigemöglichkeiten bestehen auch für Datenbanken die andere Arten von (unkontrollierten) Vokabularien verwenden.

• Außerhalb des DIMDI können der MeSH über die Adresse der NLM (www.nlm.nih.gov/mesh/MBrowser.html) und der EMTREE (www.embase.com/Schlagwörter) durchsucht werden.

3. Test der Suchstrategie mit Hilfe der Datenbank MEDLINE

• Die weitere Entwicklung der Suchstrategie erfolgt mit Hilfe der Datenbank MEDLINE. Mit dieser Suche können sowohl die Datenmengen abgeschätzt als auch Hinweise für die weitere Schlagwortidentifizierung gefunden werden.

4. Festlegung der Schlagwörter (Teil 2)

• Mit dem „Extract"-Befehl wird eine Liste der gefundenen Schlagwörter erstellt und mit den bereits vorhandenen verglichen. Zusätzlich thematisch relevante Schlagwörter werden übernommen und durch die korrespondierenden EMTREE Eintragungen ergänzt.

5. Durchführung der eigentlichen Recherche

• Die gewünschten Datenbanken werden mit dem „SBAS"-Befehl zusammengestellt.

• Die wesentlichen Teile des ersten Abschnitts einer Suche in elektronischen Datenbanken sind:

•• Die Beschränkung auf kostengünstige Datenbanken zur Validierung der Suchstrategie.

•• Den günstigsten Weg zwischen eingesetztem Zeit- und Ressourcenaufwand und erhaltener Informationsmenge zu finden.

•• Möglichst schon die großen Informationsquellen in die Suche mit einzubeziehen ohne zu große Datenmengen zu produzieren.

• Vor allem hinsichtlich des letzten Punkts besteht die Gefahr wenn von Anfang an die Suche auf der Grundlage einer sehr großen Datenmenge durchgeführt wird. Neben der Festlegung der Datenbanken hinsichtlich ihrer fachlich-inhaltlichen Beschreibung sind in der Regel folgende Datenquellen zu berücksichtigen:

•• Über das DIMDI sind folgende Datenbanken zu erreichen

••• MEDLINE

••• freie HTA-Datenbanken, wie die NHS-CRD-HTA und die DAHTA-Datenbank des DIMDI

••• NHS-CRD-DARE und NHS-EED

••• Datenbanken der Cochrane Library, wie die Cochrane Database of Systematic Reviews (CDSR) und das Cochrane Controlled Trials Register (CENTRAL)

••• EMBASE

••• Biosis

••• SciSearch

••• weitere gezielt ausgewählte Datenbanken zur Medizinitechologie oder zur Pharmazie,etc. (z.B. International Pharmaceutical Abstracts, Psychinfo)

•• Zusätzlich können auch außerhalb des DIMDI u.a. folgende Informationsquellen bereits zu diesem Zeitpunkt genutzt werden: Current Contents, Cinahl, Best Evidence Database, TRIP (Turning Research into Practice).

• Wichtig ist aber insbesondere auch die Berücksichtigung von bereits vorhandenen Leitlinien. Weitere Hinweise zu laufenden Studien können neben der oben bereits erwähnten CENTRAL-Datenbank auch über die folgenden Adressen bezogen werden:

•• http://www.clinicaltrials.gov

•• http://www.controlled-trials.com

•• http://www.soton.ac.uk/~plr/trials.htm

• Die Suche kann nach Bedarf anschließend erweitert werden. Auch können andere Informationsquellen wie statistische Ämter oder auch so genannte „Graue Literatur" und Ergebnisse systematischer Handsuchen miteinbezogen werden.

Bewertung und Synthese

Diese Punkte sollen hier am Rande erwähnt werden und stellen keinen eigentlichen Aspekt der Literatursuche mehr da. Im Rahmen der Planung des Projekts sind sowohl die Rahmenbedingungen der internen Qualitätssicherung als auch die Kriterien für den Ein- und den Ausschluss des gefundenen Wissens festzulegen.

Bei der Auswertung ist das Vier-Augen-Prinzip genauso wesentlich wie ein vorher festgelegtes Procedere bei eventuellen Unstimmigkeiten. Bei der ersten Sichtung der Suchergebnisse werden die Literaturstellen auf Grundlage ihres Titels und ihrer Zusammenfassung als relevant oder nicht relevant eingestuft. Die als relevant eingestufte Literatur wird anschließend auf der Basis der Volltexte einer ausführlicheren Bewertung unterzogen.

In Abhängigkeit von der jeweiligen Fragestellung (Therapie, Diagnostik, Screening, Rehabilitation, etc.) erfolgen im zweiten Schritt die Zuordnung zur jeweiligen Evidenzklasse und die Bewertung der Literatur. Für diesen Vorgang gibt es zahlreiche Varianten. Hierbei darf jedoch der notwendige Aufwand nicht außer Acht gelassen werden. Begonnen werden sollte stets mit den einfachsten und schnellsten Methoden um nicht relevante Literatur auszuschließen. Ein Beispiel für ein derartiges Verfahren ist der Jadad-Score an dem für randomisierte, kontrollierte Studien ausschließlich über die Faktoren Verblindung, Randomisierung und Umgang mit Studienabbrechern eine Grobsortierung erreicht wird. Die notwendige Punktzahl zur weiteren Bearbeitung muss im Voraus festgelegt werden. Für die Darstellung der weiteren Bewertungsbögen verweise ich auf die entsprechenden Beispiele in den deutschen HTA-Berichten.

Nach Abschluss der Bewertung erfolgt die Synthese der gefundenen Informationen. Hier können entsprechende Dokumentenvorlagen für die strukturierte Erstellung von Berichten hilfreich sein.

Diese Erstellung endet mit einer abschließenden Bewertung der Verlässlichkeit des gefundenen Ergebnisses. Neben statistischen Verfahren werden dazu auch Tabellen wie die der AWMF genutzt.

Weitere Informationen zu Anleitungen und Hintergrundliteratur können beim Autor erfragt werden.