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53. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

15. bis 18.09.2008, Stuttgart

Semantische Interoperabilität von Medizingeräten und IT: Erfahrungen beim Einsatz von LOINC von der Quelle (Medizingerät) bis zur Mündung (klinischer Arbeitsplatz)

Meeting Abstract

  • Ricarda Rüth - Justus-Liebig-Universität Gießen, Gießen, Deutschland
  • Achim Michel-Backofen - Justus-Liebig-Universität, Gießen, Deutschland
  • Michael Kozelj - Radiometer GmbH, Nürnberg, Deutschland
  • Sylvia Thun - Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information, Köln, Deutschland
  • Sebastian Claudius Semler - LOINC User Group Deutschland, Berlin, Deutschland
  • Rainer Röhrig - Justus-Liebig-Universität, Gießen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 53. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds). Stuttgart, 15.-19.09.2008. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2008. DocMI19-4

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2008/08gmds203.shtml

Veröffentlicht: 10. September 2008

© 2008 Rüth et al.
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Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung

In den letzten Jahren hat die Menge an Daten, die im klinischen Bereich anfallen und kommuniziert werden zugenommen. Gerade auf Intensivstationen fallen große Datenmengen pro Patient und Schicht an. Viele dieser Informationen werden von unterschiedlichen Systemen generiert und dann an verschiedene klinische Arbeitsplatzsysteme wie z.B. Intensivinformationsmanagementsysteme (IMS) oder Arzt- und Pflegeinformationssysteme übergeben.

Hierzu steht mit HL7 Version 2.x für die Syntax ein etablierter Standard zur Verfügung. Damit eine Kommunikation stattfinden kann, die über den Datenaustausch hinaus einen Informationstransfer gewährleistet, muss neben einer einheitlichen Syntax auch die Harmonisierung der Bedeutung (Semantik) erreicht werden.

Für die semantische Interoperabilität stehen verschiedene Klassifikationen wie z.B. International Classification of Diseases (ICD) und Terminologien wie Systemized Nomenclature of Medicine Clinical Terms (Snomed CT) [1] und Logical Observation Identifier Names and Codes (LOINC http://loinc.org) [2] zur Verfügung. Diese Standardterminologien sind trotz ihrer Verfügbarkeit und der Vorteile in der (inner)klinischen Kommunikation [3] noch nicht flächendeckend verbreitet.

Bei der Verwendung dieser Standards hat sich gezeigt, dass bei dem Einsatz von Terminologien in Routinesystemen je nach Rolle des Informationssystems deutliche Unterschiede zwischen Implementierungsaufwand und Nutzen bestehen. Die hauptsächlich sendenden Systeme haben viel Vorarbeit bei der Implementierung der Standards zu leisten, aber einen sehr geringen Nutzen. Dem gegenüber stehen die klinischen Arbeitsplatzsysteme, die Informationen aus unterschiedlichen Systemen und Geräten zusammenführen müssen, bei denen sich mit der Einführung einer Terminologie der Aufwand für ein Mapping reduziert [4]. Die Implementierung von Standardterminologien bereits am Ort der Datengenerierung, wie z.B. in die Befundübermittlung von Medizingeräten könnte den Aufwand der Integration verringern und die Interoperabilität verbessern [5].

Das Ziel der vorliegenden Arbeit war, exemplarisch an einem Medizingerät die Befundkommunikation von Gerät bis zum klinischen Arbeitsplatzsystem auf der Basis einer Standardterminologie zu implementieren und die Erfahrungen zu diskutieren.

Methodik und Erfahrungen

Auf Intensivstationen werden mehrmals pro Patient und Schicht Blutgasanalysen (BGA) durchgeführt. Diese Werte werden meist auf der Intensivstation von Point of Care Geräten (POCT) generiert. Bei einer Geräteumstellung auf die Blutgasanalysegeräte-Serie ABL 800 Flex (Fa. Radiometer GmbH, Willich) wurde gemeinsam mit dem Hersteller ein Projekt zur Übermittlung der entsprechenden Befunde mittels einer Standardterminologie umgesetzt.

Zur Auswahl standen die Terminologien LOINC und SNOMED-CT. Aufgrund der Empfehlung von DIN und DIMDI (http://www.dimdi.de) Laboratory LOINC als Standard für Labordatenkommunikation, der freien Verfügbarkeit und der Erfahrungen mit LOINC im labormedizinischen Bereich [6], [7], [8] fiel die Wahl auf LOINC.

Die Übermittlung erfolgt von dem POCT Gerät zu einem Radiance-Server (Fa. Radiometer GmbH), der danach die Daten über HL7 Version 2.5 an einen Kommunikationsserver sendet. Die Darstellung der Befunde auf Station erfolgt über das Intensivdokumentationssystem ICUData (Fa. IMESO GmbH, Hüttenberg). Der Radiance-Server versendet die Befunde als ORU^R35 Nachrichten. Dabei werden die einzelnen Meßparameter im Feld OBX-3 (Observation-Identifier) in LOINC kodiert übertragen. Zusätzlich zu der Kodierung wird auch eine Klartextbeschreibung des Parameters übermittelt, damit, falls der LOINC-Code nicht aufgelöst werden kann, eine für den Arzt verständliche Darstellung erfolgen kann.

In der LOINC-Kodierung sind neben den Befunden (z.B.: Sauerstoffpartialdruck, pH-Wert, Glucosekonzentration) auch die Art der Entnahme (Probenart: arteriell, venös, etc.) kodiert. Werte, die in unmittelbaren Zusammenhang mit der Probenentnahme stehen und am BGA-Gerät miterfasst werden, wie z.B. die inspiratorische Sauerstoffkonzentration (FiO2) oder die Körpertemperatur des Patienten werden wie Befunde behandelt und als eigene OBX-Segmente übermittelt. In der aktuellen Version gibt es 96 verschiedene, eindeutig kodierte Parameter.

Während die Probenart für die Interpretation der Blutgase entscheidend ist, wird diese Differenzierung bei Parametern wie Elektrolyten, oder der Glucose von Ärzten in der Befundpräsentation als verwirrend empfunden. Daher wurden 14 Parameter, die unabhängig von der Probenart zu interpretieren sind, entgegen dem LOINC Standard als Probenart „sonstige“ zusammengefasst.

Von den erfassten Parametern, konnten bis auf 13 alle direkt eins-zu-eins in LOINC abgebildet werden. Die ergänzten Parameter bilden den Horowitz Index, pH und CO2 körpertemperaturadaptiert (Probenart: gemischt-venös) ab. 12 der 13 Parameter konnten nach einer Anfrage an das Regenstrief-Institut in Form neuer Einträge zeitnah ergänzt werden und sind in der neuesten Version von LOINC(2.23) und Relma (3.23) enthalten.

Diskussion und Schlussfolgerung

Die Parameter des Blutgasanalysegerätes können gut mit LOINC dargestellt werden. Fehlende Werte wurden zeitnah ergänzt. Die gute Abbildbarkeit von Laborparametern deckt sich mit anderen Erfahrungen [6], [7], [8].

Die semantische Standardisierung vereinfacht eine Weiterverarbeitung der Befunde, wie sie z.B. für Berechnungen wie den SAPS II für die Komplexbehandlung Intensivmedizin notwendig ist. Hier müssen Werte verschiedener Quellen zusammengeführt und dargestellt werden. Daher existieren für diesen Bereich bereits in den Informationssystemen ausreichende Mappingstrukturen.

Was in dem untersuchten Intensivinformationssystem wie den meisten Informationssystemen fehlt ist eine Struktur zu selbstständigen Auflösung der LOINC-Codes, sowie eine Architektur mit einer Funktionalität zur Kategorisierung von Daten, um eine Überdifferenzierung in der Befundansicht zu vermeiden ohne die zusätzlichen Informationen des Quellsystem zu verwerfen. Neben den Anforderungen an die Software resultiert daraus auch ein Bedarf nach einer (vollständigen) deutschen Übersetzung des LOINC-Kataloges.

Die Kategorisierungen stehen zunächst in einem Widerspruch zu dem hierarchiefreien Konzept von LOINC, entsprechen jedoch der Bottom-Up Entwicklungsstrategie. Würden die Kategorisierungen in einer nationalen Plattform (z.B. LOINC User Group, DIMDI, HL7) zusammen getragen und systematisiert, würden Sie eine wesentliche Verbesserung für die Praxis darstellen und die Erfahrungen könnten in die internationale Top-Down-Entwicklung von SNOMED-CT einfließen.


Literatur

1.
Dudeck J. SNOMED CT- Terminologie der Zukunft? HL7- Mitteilungen 2006;(20):13-25.
2.
McDonald CJ, Schadow G, Suico J, Heitmann KU. Sprechen Sie LOINC. HL7- Mitteilungen 2000;(8):6-11.
3.
Huff SM, Rocha RA, McDonald CJ, De Moor GJ, Fiers T, Bidgood WD, Jr., et al. Development of the Logical Observation Identifier Names and Codes (LOINC) vocabulary. J Am Med Inform Assoc 1998;5(3):276-92.
4.
Rüth R, Michel-Backofen A, Katzer C, Meister M, Hartmann B, Thun S, et al. Abbildung des strukturierten Vokabulars einer Intensivstation in LOINC. In: Jäckel A, editor. Telemedizinführer Deutschland-2008. Bad Nauheim; 2007. p. 38-42.
5.
Semler S. Standardisierung der elektronischen Befundkommunikation - Nutzen der LOINC- Nomenklatur für die Telematikrahmenarchitektur. In: Jäckel A, editor. Telemedizinführer Deutschland - 2005. Ober-Mörlen; 2004. p. 203-8.
6.
Khan AN, Griffith SP, Moore C, Russell D, Rosario AC Jr., Bertolli J. Standardizing laboratory data by mapping to LOINC. J Am Med Inform Assoc 2006;13(3):353-5.
7.
McDonald CJ, Huff SM, Suico JG, Hill G, Leavelle D, Aller R, et al. LOINC, a universal standard for identifying laboratory observations: a 5-year update. Clin Chem 2003;49(4):624-33.
8.
Michel-Backofen A, Röhrig R, Junger A, Hartmann B, Marquardt K. Abbildbarkeit des strukturierten Vokabulars eines PDMS auf das LOINC Vokabular. 2005. p. 252-5.