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Kongress Medizin und Gesellschaft 2007

17. bis 21.09.2007, Augsburg

„… nimmt lebhaftes Interesse an Fragen rassenhygienischer Natur“ – Eugenik und die oberste Gesundheitsbehörde in Österreich von 1917-1938

Meeting Abstract

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  • Thomas Mayer - Medizinische Universität Wien, Wien

Kongress Medizin und Gesellschaft 2007. Augsburg, 17.-21.09.2007. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2007. Doc07gmds870

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2007/07gmds870.shtml

Veröffentlicht: 6. September 2007

© 2007 Mayer.
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Gliederung

Text

Einleitung und Hintergrund: In meinem Beitrag soll der Positionierung der obersten österreichischen Gesundheitsbehörde, des Volksgesundheitsamtes, zu eugenischen Fragen und die Involvierung in eugenische (Vereins-)Netzwerke zwischen der Gründung 1917 und dem ‚Anschluss’ Österreichs 1938 behandelt werden.

Die 1925 erfolgte Aufnahme von „Rassenhygiene“ in das Aufgabenfeld des Volksgesundheitsamtes ermöglichte nun erstmals eugenisch motivierte Anfragen, wie solche zum dänischen Sterilisationsgesetz, zu beantworten. Der damalige Leiter, der Psychiater Thomas Scherrer, und der für Rassenhygiene zuständige Referent, der Gewerbehygieniker Ernst Brezina, waren maßgeblich an den erstmaligen, finanziellen Förderungen eugenischer Vereine von 1929 bis 1931 beteiligt, da sie auch selbst Mitglieder eines eugenischen Vereines, des Österreichischen Bundes für Volksaufartung und Erbkunde, waren. Dieser Verein kann um 1930 als der aktivste eugenische Verein gelten, der einerseits mit dem Nobelpreisträger Julius Wagner-Jauregg einen prominenten Vorsitzenden hatte und andererseits versuchte Eugenik auf breiter Basis zu popularisieren, eugenische Sterilisation parlamentarisch durchzusetzen und 1932 mit ministerieller Unterstützung Eugenik in Form von Lehraufträgen universitär zu institutionalisieren.

Material und Methoden: Anhand der Analyse archivarischer Quellen, Zeitschriftenanalyse und der Einbeziehung neuester Literatur zur eugenischen Bewegung in Österreich [1], [2], [3], [4] sollen Fragen nach den Verflechtungen von öffentlichen Gesundheitsdienst auf oberster, ministerieller Ebene und medizinischen Eugenikern einerseits, und der Förderung eugenischer Inhalte durch das Ministerium andererseits, diskutiert werden.

Ergebnisse: Beamte der obersten Medizinalverwaltung in Österreich waren nach 1920 bis Anfang der 1930er Jahre Akteure des eugenischen (Vereins-)Netzwerkes und waren als solche einerseits aktiv an der Popularisierung von Eugenik, an eugenisch motivierten Gesetzesinitiativen beteiligt und unterstützten andererseits eugenische Vereine sowohl finanziell als auch ideell.

Diese enge Verbindung von persönlichen Engagement und staatlicher Anerkennung fand erst im autoritär-katholischen Ständestaat (1933/34-1938) ein Ende, als mit der Umstrukturierung des Ministeriums auch „Rassenhygiene“ aus dem Aufgabenprogramm gestrichen wurde.


Literatur

1.
Löscher M. „…der gesunden Vernunft nicht zuwider…“ Eugenik in katholischen Milieus/Netzwerken in Österreich vor 1938. Phil. Diss. Wien; 2005.
2.
Mayer T. Akademische Netzwerke um die „Wiener Gesellschaft für Rassenpflege (Rassenhygiene)“ von 1924 bis 1948. Phil. Dipl. Wien; 2004.
3.
Mayer T. „… daß die eigentliche Rassenhygiene in der Hauptsache das Werk Reichels ist“ – Der (Rassen-)Hygieniker Heinrich Reichel (1876-1943) und seine Bedeutung für die eugenische Bewegung in Österreich. In: Gabriel HE, Neugebauer, W, Hrsg. Vorreiter der Vernichtung? Eugenik, Rassenhygiene und Euthanasie in der österreichischen Diskussion vor 1938. Wien/Köln/Weimar; 2005. S. 65-98.
4.
Mayer T. Eugenische Initiativen und Netzwerke in Österreich von 1918 bis 1945. VIRUS. 2005;5:43-80.