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Kongress Medizin und Gesellschaft 2007

17. bis 21.09.2007, Augsburg

Inanspruchnahme von Hilfen zur Pflege unter Menschen mit türkischem Migrationshintergrund

Meeting Abstract

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  • Petra-Karin Okken - Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, AG Epidemiologie & International Public Health (1); Kreis Lippe, Geschäftsstelle der Kommunalen Gesundheitskonferenz (2), Bielefeld
  • Ulrike Reus - Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Westfalen-Lippe, Münster
  • Jacob Spallek - Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, AG Epidemiologie & International Public Health, Bielefeld
  • Oliver Razum - Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, AG Epidemiologie & International Public Health, Bielefeld

Kongress Medizin und Gesellschaft 2007. Augsburg, 17.-21.09.2007. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2007. Doc07gmds299

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2007/07gmds299.shtml

Veröffentlicht: 6. September 2007

© 2007 Okken et al.
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Gliederung

Text

HINTERGRUND: In der älteren Bevölkerung Deutschlands befinden sich zunehmend Menschen mit Migrationshintergrund, insbesondere frühere Arbeitsmigranten aus der Türkei. Sie sind aufgrund ihrer Lebensverhältnisse mit besonderen gesundheitlichen Problemen konfrontiert und haben daher vermutlich einen vergleichsweise hohen Pflegebedarf. Zahlen hierzu liegen bisher jedoch nicht vor.

METHODE: Wir quantifizierten die Inanspruchnahme von Hilfen zur Pflege unter türkischstämmigen Personen anhand von Daten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) in Westfalen-Lippe (8,2 Millionen Einwohner). Der MDK-WL erfasst regional alle pflegeversicherten Personen, die einen Antrag auf Feststellung einer Pflegebedürftigkeit gestellt haben und führt eine standardisierte Begutachtung nach SGB XI durch. Die türkischstämmige Fälle im Datensatz identifizierten wir mithilfe eines Namensalgorithmus [1] und verglichen sie mit den im Datensatz verbleibenden, überwiegend deutschstämmigen Fällen.

ERGEBNISSE: Im Zeitraum Januar 2001 bis August 2005 führte der MDK-WL insgesamt 581.616 Begutachtungen durch, davon 7.917 (1,4%) bei Fällen mit türkischer Herkunft. Relativ zur Vergleichsgruppe wurde bei einem höheren Anteil von Begutachtungen türkischstämmiger Fälle keine Pflegebedürftigkeit festgestellt, sowohl insgesamt (nicht- türkische Fälle: 25%, türkische Fälle: 39%) als auch altersstratifiziert. Ebenso bekamen türkischstämmige Fälle vergleichsweise häufiger nur eine niedrige Pflegestufe zugesprochen. Beispielsweise wurden 10% mehr Fälle in die niedrigste Pflegestufe (Pflegestufe I) eingestuft. Türkischstämmige Fälle beantragten, auch in höherem Alter, zu einem größeren Anteil Leistungen der ambulanten Pflege, insbesondere Geldleistungen für häusliche Pflege (türkische Fälle: 91%, nicht-türkische Fälle: 42%).

DISKUSSION: Wir konnten erstmals und in einer großen Stichprobe Unterschiede in der Inanspruchnahme von Hilfen zur Pflege zwischen türkischstämmigen Personen und der überwiegend deutschen Vergleichsgruppe aufzeigen, insbesondere eine stärkere Nutzung häuslich-familiärer Pflege. Hinweise auf Unterschiede im Zugang zum Begutachtungsverfahren fanden wir nicht. Der vergleichsweise niedrigere Anteil von Begutachtungen mit Pflegebedürftigkeit bei türkischstämmigen Fällen sowie die niedrigeren Pflegestufen weisen auf ein unterschiedliches Antragstellungsverhalten oder auf ein nach Migrationshintergrund differenzierendes Begutachtungsverhalten der Gutachter hin.


Literatur

1.
Razum O, Zeeb H, Beck K, Becher H, Ziegler H, Stegmaier C. Combining a name algorithm with a capture-recapture method to retrieve cases of Turkish descent in a German popu¬lation-based cancer registry. Eur J Cancer. 2000;36:2380-4.