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51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (gmds)

10. - 14.09.2006, Leipzig

Sektorübergreifende Harmonisierung der Arzneimitteltherapie

Meeting Abstract

  • Markus Gerhard Pruszydlo - Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg
  • Jens Kaltschmidt - Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg
  • Thilo Bertsche - Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg
  • Simon Petrik Walter Schmitt - Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg
  • Joachim Szecsenyi - Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg
  • Walter Emil Haefeli - Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (gmds). 51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Leipzig, 10.-14.09.2006. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2006. Doc06gmds218

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2006/06gmds268.shtml

Veröffentlicht: 1. September 2006

© 2006 Pruszydlo et al.
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Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung

Klinische Untersuchungen belegen, dass ca. 40-50% der hausärztlichen Medikation bei stationärer Einweisung im Krankenhaus auf andere Medikamente umgesetzt werden. Ca. ein Drittel davon wird nach Entlassung beim Hausarzt erneut umgestellt oder neu dosiert, weitere 30% dieser Medikamente werden vom Patienten nicht oder nicht so eingenommen wie vereinbart. Aus diesen Gründen ist eine Vermeidung von Brüchen der Informations- und Versorgungskette in der Schnittstelle zwischen ambulantem und stationärem Sektor anzustreben [1]. Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Verbesserung der Arzneimittel-Kommunikation zwischen Arztpraxis, Krankenhaus und Patienten. Im Gemeinschaftsprojekt „HeiCare® - Sektorübergreifende Harmonisierung der Arzneimitteltherapie“, der Abteilung Innere Medizin VI, Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie und der Abteilung für Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung des Universitätsklinikums Heidelberg, mit finanzieller Unterstützung der AOK Baden-Württemberg (auf Gestaltungsgrundlage des § 140a SGB V), werden daher unter anderem folgende Zielsetzungen verfolgt:

Die Kommunikation zwischen Arztpraxis und Krankenhaus soll verbessert werden, um hausärztliche Vorinformationen bei der stationären Umstellung stärker zu berücksichtigen. Bei Medikationen sollen durch elektronische Unterstützung die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Verordnung überprüft und gewährleistet werden.

Material und Methoden

Von der Abteilung Innere Medizin VI, Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie wurde ein webbasiertes Arzneimittelinformationssystem entwickelt (AiDKlinik), das alle Präparate des deutschen Marktes sowie Eigenherstellung der Klinikumsapotheke Heidelberg beinhaltet [2]. AiDKlinik wurde nun erweitert und beinhaltet unter anderem eine Verordnungsplattform (Medibox), die es ermöglicht, die Therapie eines Patienten einfach und schnell zu erstellen, über eine Schnittstelle langfristig im Krankenhausinformationssystem (KIS) zu speichern und als Rezept oder im Arztbrief auszudrucken.

AiDKlinik stellt dem verschreibenden Arzt unterstützend verschiedene Wissensbasen zur Verfügung. So prüft das System bei der Zusammenstellung der Verordnungen in ein Medikationsprofil automatisch auf Interaktionen und doppelt verschriebene Wirkstoffe und kennzeichnet diese direkt auf dem Bildschirm. Ein weiteres integriertes Expertensystem warnt vor möglichen Überdosierungen bei Patienten mit einer Niereninsuffizienz und liefert Vorschläge zur individuellen Dosisanpassung [3].

Ergebnisse

Um die Kommunikation zwischen niedergelassenem Arzt und Klinikum zu verbessern, steht AiDKlinik nicht nur im Intranet des Klinikums zur Verfügung, sondern auch Arztpraxen als Internetversion namens AiDPraxis. Es wird somit ein lückenloser Informationsfluss ermöglicht (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).

Ein niedergelassener Arzt gibt die Medikation seines Patienten in die SSL gesicherte Internetversion von AiDKlinik ein. Die Daten gelangen durch Abgleich der Datenbanken von AiDKlinik und AiDPraxis in das klinikumsinterne System und stehen so dem Arzt, der den Patienten aufnimmt, als Eintrittsmedikation zur Verfügung. Da innerhalb eines Klinikums häufig andere Medikamente verschrieben werden als außerhalb (Medikamente der sog. Hausliste), werden die Präparate systemunterstützt algorithmenbasiert durch Medikamente der Hausliste ersetzt. Medikationsänderungen im Verlauf der stationären Behandlung des Patienten können vom Klinikarzt jederzeit in AiDKlinik eingegeben werden. Jegliche Eingaben werden dabei automatisch im KIS gespeichert, wodurch die Verordnungen klinikumsweit als Entlassmedikation in den allgemeinen Arztbrief importiert und ausgedruckt werden können. Die Datenübertragung vom und ins KIS läuft hierbei über eine eigens entwickelte Schnittstelle ab, in der Fall- und Medikationsdaten zum Patienten in einem Transfer-Verzeichnis zugriffsgeschützt abgelegt und triggergesteuert ausgelesen werden. Darüber hinaus wird mittels AiDKlinik ein individueller Informationsausdruck (im PDF-Format) erstellt, der dem Patienten ausgehändigt wird und ihn so noch einmal über die stationär erhaltene Medikation in Kenntnis setzt. Diese Patienteninformation soll das ärztliche Medikamentenberatungsgespräch ergänzen. Nachdem der zuständige Hausarzt 24 Stunden vor Entlassung des Patienten informiert wurde, gelangt der Arztbrief wie üblich über den Patienten oder die Post in die Arztpraxis, wodurch sich der Informationskreis schließt.

AiDKlinik bietet Ärzten im Klinikum die Möglichkeit, dem nachbehandelnden Arzt im Entlassbrief automatisiert preisgünstigere Medikamente mit gleicher Wirkung vorzuschlagen. Das System wird damit auch § 115c SGB V gerecht, welcher vorsieht, dass bei Entlassung für jedes verordnete Arzneimittel, sofern im Markt vorhanden, auch „mindestens ein preisgünstigerer Therapievorschlaganzugeben“, also explizit zu nennen ist.

Schlussfolgerung

Mit AiDKlinik und AiDPraxis wurde ein elektronisches Gesamtkonzept zur sektorenübergreifenden Arzneimitteltherapie in einem Krankenhaus der Maximalversorgung realisiert. Das Konzept ermöglicht die umfassende Kommunikation auf dem Gebiet der Arzneimitteltherapie im ambulanten und stationären Bereich. Auf dem klinischen Sektor hat sich das System bereits als viel genutzte Quelle zur Wissensunterstützung bei der Therapieentscheidung etabliert. Erste Untersuchungen zeigen auch pharmakoökonomische Vorteile. Eine vergleichbare Akzeptanz im ambulanten Sektor ist zu erwarten.


Literatur

1.
Ludt S, Koeksal H, Knaup P, Haefeli WE, Szecsenyi J. Sektorenübergreifende Harmonisierung der Arzneitherapie – Mängel und Verbesserungsmöglichkeiten der Kommunikation zwischen Klinik und Hausärzten unter Einbeziehung der Patienten. Ergebnisse einer Fokusgruppendiskussion mit Hausärzten. Z Allg Med. 2005; 81 (Kongress-Abstracts): 4.
2.
Kaltschmidt J, Gallin S, Haefeli WE. Essential functional requirements for an effective electronic drug information system in a hospital. Int J Clin Pharmacol Ther. 2004; 42: 615.
3.
Schmitt, S. Entwicklung und Integration eines webbasierten Systems zur Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz in ein elektronisches Arzneimittelinformationssystem. Diplomarbeit. Universität Heidelberg, Fachhochschule Heilbronn. 2006.