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51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (gmds)

10. - 14.09.2006, Leipzig

Strategie und Ausbau der IT-Infrastruktur für die medizinische Verbundforschung in Deutschland

Meeting Abstract

  • Christian Ohmann - Koordinierungszentrum für Klinische Studien Düsseldorf, Düsseldorf
  • Roland Speer - Koordinierungszentrum für Klinische Studien Leipzig, Leipzig
  • Michael Wittenberg - Koordinierungszentrum für Klinische Studien Marburg, Marburg
  • Sebastian C. Semler - Telematikplattform für Medizinische Forschungsnetze e.V., Berlin
  • Johannes Drepper - Telematikplattform für Medizinische Forschungsnetze e.V., Berlin

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (gmds). 51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Leipzig, 10.-14.09.2006. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2006. Doc06gmds417

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2006/06gmds240.shtml

Veröffentlicht: 1. September 2006

© 2006 Ohmann et al.
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Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung

Die vernetzte medizinische Forschung in Deutschland wird seit längerem auf verschiedenen Ebenen vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Ein Leitgedanke der verschiedenen Fördermaßnahmen ist die dauerhafte Schaffung von organisatorischen Infrastrukturen zur Unterstützung der klinischen Forschung. Diese sollen u.a. eine schnellere, ökonomischere und qualitativ bessere Durchführung multizentrischer klinischer Studien erlauben, sowie den Aufbau und Betrieb klinischer Register oder Biomaterialbanken und den Daten- und Wissenstransfer zwischen Forschung und Versorgung (vertikale Vernetzung) ermöglichen und damit der öffentlichen Gesundheitspflege dienen.

Eine besondere Herausforderung für die Schaffung und Aufrechterhaltung solcher Infrastrukturen stellen die vielschichtigen rechtlichen, datenschutzrechtlichen, technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen dar. Ohne eine umfassende Berücksichtigung dieser Rahmenbedinungen, die zum Teil häufigeren Änderungen unterworfen sind, bringen auch einfachste Softwareprojekte oft nicht den erwünschten Nutzen. Beispielhaft seien hier die vielfachen Novellierungen des Arzneimittelgesetzes (AMG) mit ihren Auswirkungen auf die Investigator Initiated Trials (IITs) und die bevorstehende Einführung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) und des elektronischen Heilberufsausweises (eHBA) genannt.

Die TMF [1] hat als Dachorganisation der medizinischen Verbundforschung die Aufgabe, den Aufbau und die Aufrechterhaltung dieser für die klinische Forschung unabdingbaren Infrastrukturen zu unterstützen und möglichst effizient zu gestalten. Eine wesentliche Komponente dieser Aufgabe ist die Erarbeitung optimaler IT-Infrastrukturen für die Aufgaben der klinischen Verbundforschung.

Die TMF als verbundübergreifende Institution ist jedoch zunehmend gefordert, den Blick über den Tellerrand aktueller und nationaler Bedürfnisse hinaus zu heben. Immer wichtiger wird es, die deutsche medizinische Verbundforschung technisch und organisatorisch für eine dauerhaft gute Perspektive in einer zunehmend internationalen und kompetitiven Forschungslandschaft zu rüsten. Hierfür ist die Entwicklung einer neuartigen und weitreichenden IT-Unterstützung komplexer Forschungsprozesse unumgänglich.

Material und Methoden

In der TMF sind derzeit (Stand 12/2005) 45 medizinische Verbundforschungseinrichtungen als Mitglieder organisiert. Hierzu zählen alle Kompetenznetze in der Medizin, alle Koordinierungszentren für Klinische Studien und eine Reihe weiterer Einrichtungen, wie z.B. das Nationale Genomforschungsnetz (NGFN), die Netzwerke seltener Erkrankungen oder das Paul-Ehrlich-Institut (PEI). Diese Vielfalt gewährleistet einen repräsentativen Blick sowohl auf die aktuelle Situation der vernetzten medizinischen Forschung in Deutschland, wie auch auf die Bedarfslage für die nächsten Jahre. Insbesondere aus den Erfahrungen mit einer Reihe von IT-Projekten im Umfeld der TMF in den vergangenen Jahren lassen sich wichtige Konsequenzen für das weitere Vorgehen ableiten.

Um für eine zunehmende Internationalisierung der Forschung gerüstet zu sein, wie auch aufgrund ökonomischer Rahmenbedingungen, muss die TMF für die Entwicklung neuer Infrastrukturen auch internationale Erfahrungen und Entwicklungen für die nationale Community erschließen. So wurde z.B. das caBIG-Projekt (cancer Biomedical Informatics Grid [2]) des National Cancer Institutes der USA (NCI) und daran angekoppelte Entwicklungen zur weitergehenden Harmonisierung aktueller Standards ausgewertet. Die Verschmelzung verschiedener Standards und Informationsmodelle wird vor allem von der Biomedical Research Integrated Domain Group (BRIDG [3]) voran getrieben, zu der sich NCI, HL7 RCRIM (Regulated Clinical Research Information Management [4]) und das Clinical Data Interchange Standards Consortium (CDISC [5]) zusammengeschlossen haben. Die TMF ist 2005 sowohl HL7 wie auch CDISC beigetreten, um u.a. aktuelle Entwicklungen hierzu verfolgen und wo nötig auch beeinflussen zu können.

Ergebnisse

Die erste Sichtung des zusammengetragenen Materials hat zum einen ergeben, dass die anstehenden Aufgaben eine enorme Herausforderung für die deutschen Forschungsstrukturen bedeuten. Welche Fördermittel und in welcher Höhe diese in Zukunft zur Bewältigung dieser Aufgaben zur Verfügung stehen werden, ist zur Zeit noch nicht gesichert. Daraus ergibt sich eine dringliche Priorisierung der zu bearbeitenden Anwendungsfälle und zugleich die Notwendigkeit der intensiven Nutzung internationaler Vorarbeiten. Zudem wird die TMF diese Aufgaben nicht ohne kompetente Kooperationspartner und die Erschließung weiterer Finanzierungsquellen für die medizinischen Verbundforschungseinrichtungen stemmen können. Eine gut begründete und exakte Bedarfsfeststellung sowie ein umfassendes, technisch und methodisch akkurates Konzept sind zu diesem Zweck in besonderem Maße notwendig..

Die Analyse der bestehenden Strukturen und Projekte zeigt, dass es im TMF-Umfeld bereits eine Reihe etablierter Konzepte und Lösungen zu wichtigen Anwendungsfällen gibt. Besondere Unterstützungsmöglichkeiten werden bei der Durchführung klinischer Studien gemäß Arzneimittelgesetz (AMG), bei der Etablierung von Registern und Kohortenstudien, dem Aufbau und der Nutzung von Biomaterialbanken und der Vernetzung von Forschungs- und Versorgungsstrukturen. Gleichzeitig gibt es in diesen Bereichen auch eine umfassende und auf reichhaltige Erfahrung gestützte Expertise innerhalb der TMF.

Eine genauere Betrachtung der Anwendungsfälle zeigt, dass jede dieser Aufgaben der Verbundforschung aus einer Reihe von Teilaufgaben besteht. Einige dieser Teilaufgaben finden sich zudem in mehreren Anwendungsfällen in identischer oder ähnlicher Form. Da die Aufgabe der TMF gerade in der Bereitstellung möglichst generischer und vielfältig einsetzbarer Lösungen besteht, bietet sich hier eine modulare oder komponentenbasierte Softwarearchitektur an. Nur modulare Tools, bzw. Services können von unterschiedlichen Verbundforschungseinrichtungen auch in heterogene bestehende IT-Landschaften integriert werden. Ein weiterer Vorteil besteht in der besseren Anpassbarkeit einer modularen Struktur an künftige Veränderungen der Rahmenbedingungen, wie sie für die genannten Anwendungsfälle gerade typisch sind. Trotz einer gewünschten Modularität muss im Sinne einer umfassenden Unterstützung eines komplexen Anwendungsfalls wie z.B. der Durchführung einer klinischen Studie auch eine Interoperabilität einzelner Komponenten gewährleistet sein. Aus diesen Rahmenbedingungen lässt sich für die Entwicklung und Unterstützung von IT-Infrastrukturen in den Verbundforschungseinrichtungen folgendes methodisches Vorgehen herleiten:

  • Prozesse analysieren, harmonisieren und modellieren
  • Entwicklung eines einheitlichen Informationsmodells
  • Internationale Standards nutzen und weiterentwickeln
  • Terminologien und Ontologien nutzen und weiterentwickeln
  • Framework zur Pflege standardisierter Metadaten und Schnittstellen entwickeln
  • Generisch und komponentenorientiert entwickeln
  • Offen und erweiterbar für verteilte Infrastrukturen (z.B. MediGRID [6]) entwickeln
  • Aktuelle Technologien nutzen
  • Standardisiert und umfassend dokumentieren und validieren
  • Effektiv disseminieren

Diskussion

Vorgestellt wird die von der TMF entwickelte Roadmap für die Strategie und den Ausbau von IT-Infrastrukturen für die medizinische Verbundforschung in Deutschland. Diese stützt sich auf eine ausführliche Analyse der aktuellen Situation in Deutschland, wie auch internationaler Entwicklungen. Aus den untersuchten Rahmenbedingungen ergeben sich besondere Herausforderungen, wie z.B. die zunehmende Internationalisierung der Forschung bei gleichzeitig verstärkt notwendiger nationaler Verschränkung von Versorgungs- und Forschungsstrukturen. Die entscheidenden Parameter für einen zukunftsfesten Ausbau der IT-Infrastrukturen werden ausführlich diskutiert.


Literatur

1.
Telematikplattform für medizinische Forschungsnetze e.V. (http://www.tmf-ev.de)
2.
The cancer Biomedical Informatics Grid des National Cancer Institute der U.S. National Institutes of Health (https://cabig.nci.nih.gov)
3.
Biomedical Research Integrated Domain Group (http://www.bridgproject.org)
4.
HL7. Technical Committee for Regulated Clinical Research Information Management (http://www.hl7.org)
5.
Clinical Data Interchange Standards Consortium (http://www.cdisc.org)
6.
GRID-Computing für die Medizin und Lebenswissenschaften (http://www.medigrid.de)