gms | German Medical Science

51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (gmds)

10. - 14.09.2006, Leipzig

Evaluation von E-Learning-Plattformen für die medizinische Lehre am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Meeting Abstract

  • Marc Wollatz - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg
  • Dieter Münch-Harrach - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg
  • Norbert Sunderbrink - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg
  • Claus-J. Peimann - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg
  • Wolfgang Hampe - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg
  • Heinz Handels - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (gmds). 51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Leipzig, 10.-14.09.2006. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2006. Doc06gmds194

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2006/06gmds225.shtml

Veröffentlicht: 1. September 2006

© 2006 Wollatz et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung

Zur weiteren Modernisierung der Lehre und zur Bündelung von bestehenden E-Learning-Initiativen an einzelnen Instituten und Kliniken werden seit Anfang 2006 ein Zentralprojekt und fünf Pilotprojekte vom Dekanat des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf gefördert. Es ist das Ziel eine einheitliche E-Learning-Infrastruktur aufzubauen und dazu ein gemeinsames Learning-Management-System (LMS) zu nutzen. Diese serverbasierte Software (im folgenden „E-Learning-Plattform“ genannt) bietet Funktionen zur Koordination, Kommunikation und Inhalts-Präsentation. Sie soll leistungsfähig genug sein und sich möglichst gut an das Curriculum der medizinischen Lehre sowie die vorhandene Infrastruktur anpassen lassen. Konkret ergeben sich dabei folgende Fragestellungen:

  • Was sollte eine geeignete E-Learning-Plattform leisten? Welche Basis-Kriterien ergeben sich aus dem universitären Umfeld und der Struktur des medizinischen Curriculums am Universitätsklinikum? Welche eher inhaltlich orientierten Anforderungen stellen sich durch die Pilotprojekte?
  • Welche Erfahrungen wurden an Hamburger Hochschulen sowie überregional bereits mit E-Learning gesammelt? Wie sind diese Erfahrungsberichte übertragen auf das Universitätsklinikum zu werten und wo ergeben sich hier Kooperationsmöglichkeiten im medizinischen Bereich?
  • Inwieweit beeinflusst eine Plattformentscheidung die späteren Support-Strukturen, die Akzeptanz bei Dozenten und Studenten, sowie Erstellungsaufwand und Qualität von Lehrinhalten?

Material und Methoden

Drei unterschiedliche Plattform-Installationen, die bereits an Hamburger Hochschulen eingesetzt werden, wurden evaluiert:

1.
WebCT CE 4.0. steht am regionalen Rechzentrum für alle Hamburger Hochschulen bereit. Eine Vorabversion von WebCT CE 6.0 war auf einem externen Testserver installiert.
2.
ILIAS 3.6 wurde auf einem internen Klinik-Server installiert und ist an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr im Einsatz.
3.
Moodle 1.5.3 wurde ebenfalls intern installiert und wird von der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften genutzt.

Um praxisbezogene Eindrücke zu gewinnen, wurden die beiden Open-Source-Plattformen Moodle und ILIAS für einen geschlossenen Benutzerkreis installiert und in den fünf Teilprojekten getestet. Vorerfahrungen, mit externen E-Learning-Lösungen, insbesondere mit WebCT, flossen ebenfalls in den Anforderungskatalog ein. Ergänzend wurden die Erkenntnisse unabhängiger allgemeiner Evaluationen zum Thema herangezogen [1], [2], [3].

Da die fünf fächerspezifischen Pilotprojekte aus den Bereichen Biochemie, medizinischer Informatik, Orthopädie, Psychosomatik und Rehabilitation sehr unterschiedlich ausgerichtet sind, ist bei den so gewonnenen Kriterien eine breite Anforderungsgrundlage auch für zukünftige Weiterentwicklungen und zusätzliche medizinische Fachrichtungen zu erwarten.

Die Beurteilungskriterien lassen sich vier Bereichen zuordnen:

1.
Die Bedienbarkeit und Benutzer-Akzeptanz der Programme,
2.
durch die Programme angebotene Funktionen und funktionale Merkmale,
3.
Adaptionsmöglichkeit und Eignung der Programme für die Lehre und Infrastruktur am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf ,
4.
Kosten-, Lizenz-, und Zuständigkeitsfragen.

Besondere Berücksichtigung fanden die strukturellen Anforderungen eines gestrafften und flexibilisierten medizinischen Curriculums, wie es in Hamburg als sogenanntes KliniCuM entwickelt wurde. Außerdem sind Datenschutzfragen, insbesondere personenbezogene Daten von Studierenden und Patienten, das Telemediengesetz, Copyright-Fragen, die Barrierefreiheit der Software, Anpassungen an das Corporate Design und externe Kooperationsmöglichkeiten wichtig.

Eine Einbettung in die „gewachsene“ Infrastruktur von Software-Komponenten und Speziallösungen am Universitätsklinikum stellt sich als technisch anspruchsvoll heraus. Zu nennen sind hier einheitliche Logins, spezielle Dateiformate sowie automatisierte Importfunktionen für Matrikelnummern und Kursbelegungspläne.

Es werden zwei grundsätzliche Entscheidungsoptionen gesehen:

1.
Die Installation einer freien OpenSource-Plattform, wie ILIAS oder Moodle, direkt am Klinikum, was Vorteile bzgl. Anwendernähe, Flexibilität, Offenheit und auch Investitionssicherheit bietet.
2.
Die Mitbenutzung von WebCT, einer kommerziellen zentral am regionalen Rechenzentrum gehosteten Plattform für Hamburger Hochschulen. Hier würden bis Ende 2008 für die Klinik keine gesonderten Lizenz- und Administrationskosten anfallen.

Ergebnisse

Die untersuchten Plattformen unterscheiden sich zunächst wenig in den angebotenen Basisfunktionen. Bei der Implementation dieser Funktionen ergeben sich jedoch Unterschiede, die auf abweichende Leitbilder zum Thema „Lehre und Lernen“ hindeuten:

WebCT CE 4.0 ist als zentrale Hamburger Lösung am regionalen Rechenzentrum installiert. Es ist im Vergleich zu Moodle/ILIAS hierarchischer ausgerichtet. Mitgestaltungsmöglichkeiten der studentischen Community beschränken sich auf Foreneinträge und das Setzen von Terminen im öffentlichen Kalender. Die üblichen Kommunikationswerkzeuge sind zwar vorhanden, wirken aber vergleichsweise unattraktiv. Die Bildung von (formellen oder informellen) Gruppen innerhalb von Kursstrukturen ist ebenfalls nicht vorgesehen. Hingegen kann der Lehrende jederzeit die Bewegungen (Pagehits) der Lernenden im Kurs genau nachvollziehen. Es herrscht also eine Top-Down-Sicht mit eindeutiger Rollen- und Rechtezuweisung von Lehrendem und Rezipienten vor.

Vorteilhaft an WebCT ist die lange Präsenz auf dem E-Learning-Markt. Es gibt etliche Softwarelösungen, zu denen Systemschnittstellen existieren. WebCT kooperiert mit vielen Firmen - auch Inhaltsanbietern - die im Bildungssektor tätig sind. Durch Standardisierungsbemühungen im E-Learning-Bereich (z.B. bei Protokollen und Austauschformaten) verliert dieses Argument jedoch zusehends an praktischer Bedeutung. Die Bedienoberfläche von WebCT mit ihrer verschachtelten Fensterdarstellung wirkt unmodern und stellt für Erstnutzer eine mögliche Einstiegsschwelle dar. Für die Erstellung von eigenen Inhalten sind im System nur rudimentäre Werkzeuge vorgesehen. Die kommende Version WebCT CE 6.0 wurde technisch völlig neu konzipiert und räumt einige der Kritikpunkte aus. Eine Einführung am regionalen Rechenzentrum zum Herbst 2006 ist allerdings noch nicht sicher.

ILIAS 3.6 verfolgt einen stärker personenzentrierten Ansatz als Moodle oder gar WebCT.

Ein selbst zusammengestellter „persönlicher Schreibtisch“ und ein „Magazin“ als Fundort für interessante Materialien, erlauben viele Gestaltungsfreiräume für den Anwender. Gruppenbildung kann in einem Community-Prozess vom Studierenden selbst organisiert werden. Weiter erlaubt ein sehr komplexes Rollen- und Rechtesystem individuelle Anpassungen auch für einzelne Werkzeuge. Die Software enthält sehr viele integrierte Funktionen und Einstellungsmöglichkeiten. Umgekehrt erfordert ein solches System auch mehr Engagement von Studierenden und Lehrenden, sich mit dem System auseinander zusetzen. Eine höhere Einstiegshürde und ein anfangs größerer Supportbedarf stehen hier einer evtl. später empfundenen Zufriedenheit durch das selbstorganisierte Lernen gegenüber. Die Softwareversion 3.6.0 zeigte vereinzelt noch PHP-Fehlermeldungen oder Darstellungsfehler. Allerdings wurde diese Version erst während des Testlaufs freigegeben. Installation und Update verliefen problemlos.

Moodle 1.5 unterstützt kooperatives/kollaboratives Lernen gut und ist als „Community-Plattform“ konzipiert. Im Unterschied zu ILIAS steht hier die Kursmetapher im Mittelpunkt. Kurse können zeitlich und thematisch vorstrukturiert werden oder auch als „Sozialforen“ Community-Funktionen erfüllen.

Die Bedienung von Moodle wird von den Projektbeteiligten einstimmig als intuitiv beschrieben. Der übersichtliche Aufbau und die kontextsensitive Hilfe tragen wesentlich zu dieser Einschätzung bei. Rechte werden bei Moodle bezogen auf einzelne Werkzeuginstanzen (Je nach Forum, Wiki, Glossar etc.) vergeben. Ein einfach erweiterbares Rollensystem wird aber nicht unterstützt. Die einfache Bedienung gerade bei der Bearbeitung von Inhalten und die weitgehenden Freigabemöglichkeiten unterstreichen den kooperativen Charakter der Plattform. Moodle ist einfach durch Plugin-Module, wie z.B. eine Galeriesoftware, erweiterbar. Es existiert ein breites Angebot freier Erweiterungen im Internet. Hier besteht jedoch immer auch die Gefahr von Inkompatibilitäten bei Änderungen an den Plugin-Schnittstellen.

Von den betrachteten Plattformen ist Moodle international am weitesten verbreitet, wird aber in Deutschland vor allem an Fachbereichen mit kleineren Nutzergruppen und vielen Schulen eingesetzt.

Diskussion

Die Entscheidung für eine der Plattformen steht unmittelbar bevor. Zum Zeitpunkt einer Vorstellung auf der GMDS kann über die Plattformeinführung und die damit verbundenen technischen und organisatorischen Herausforderungen berichtet werden. Außerdem wird ein exemplarischer Überblick über konkrete Erfahrungen und Problemlösungen in den fünf Pilotprojekten gegeben.


Literatur

1.
Kristöfl R. Technische Herausgeber: Baumgartner P, Häfele H, Meyer-Häfele K. Evaluation von Lernplattformen: Verfahren, Ergebnisse und Empfehlungen. Wien: Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur; 2005
2.
Schulmeister R. Lernplattformen für das virtuelle Lernen, Evaluation und Didaktik. München, Wien: Oldenbourg Verlag; 2003
3.
Baumgartner P, Häfele H, Meyer-Häfele K. E-Learning Praxishandbuch, Auswahl von Lernplattformen. Innsbruck: StudienVerlag; 2002