gms | German Medical Science

51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (gmds)

10. - 14.09.2006, Leipzig

Mobilfunk und Krebs: Kenntnisstand aus Sicht der Epidemiologie

Meeting Abstract

Suche in Medline nach

  • Joachim Schüz - Institute of Cancer Epidemiology, Copenhagen

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (gmds). 51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Leipzig, 10.-14.09.2006. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2006. Doc06gmds203

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2006/06gmds058.shtml

Veröffentlicht: 1. September 2006

© 2006 Schüz.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Gliederung

Text

Gesundheitsschädigende Folgen durch die Exposition mit hochfrequenten elektromagnetischen Feldern (EMF) werden seit Jahrzehnten unter Wissenschaftlern, Politikern und in der Kommunikation mit der Bevölkerung sehr kontrovers diskutiert. Insbesondere die starke Ausbreitung des Mobilfunks haben zu einer intensiven Forschung bezüglich möglicher Krebsrisiken geführt.

Inzwischen sind mehr als 30 Veröffentlichungen zur Frage eines Zusammenhangs zwischen Mobilfunktelefon-Nutzung und Gehirntumorrisiko erschienen. Insgesamt zeigen diese Studien, dass eine Nutzung von Mobilfunktelefonen von weniger als 10 Jahren nicht mit einer Risikoerhöhung verbunden ist. Nutzer mit längerer Nutzungszeit waren in den Studien selten, so dass die Risikoschätzer hier mit einer hohen statistischen Unsicherheit verbunden sind. Die größte Studie zur Fragestellung ist die sogenannte „Interphone“-Studie, eine Fallkontrollstudie in 13 Ländern nach einheitlichem Protokoll. Erste veröffentlichte Länderkomponenten bestätigen einen fehlenden Zusammenhang für Kurzzeit-Nutzer; unter Langzeit-Nutzern berichtete jedoch die schwedische Komponente eine Risikoverdopplung für Akustikusneurinome, in der deutschen Komponente wurde ein höheres Gliomrisiko beobachtet.

Zu anderen Krebsrisiken gibt es deutlich weniger Untersuchungen. Eine große dänische Studie unter Vertragsnehmern von Mobilfunktelefonen zeigt erniedrigte Raten von solchen Krebserkrankungen, die bekanntermaßen mit Lebensstilfaktoren wie Rauchen, Alkoholkonsum und ungesunder Ernährung assoziiert sind. Für die bezüglich der Mobiltelefon-Nutzung besonders interessanten Diagnosen, d.h. Gehirntumoren und Leukämien, wurden keine erhöhten relativen Risiken ermittelt. In einer deutschen Fallkontrollstudie wurde unter Mobiltelefon-Nutzern ein erhöhtes Risiko für Uvealmelanome ermittelt. Kein Zusammenhang zeigt sich in Studien zu Ursachen von Parotistumoren.

Expositionen durch Mobilfunkfelder von Mobilfunk-Basisstationen sind ein Vielfaches niedriger als durch Mobilfunktelefone. Da diese Exposition jedoch unfreiwillig ist, hat sie vielerorts zu Irritationen in der Bevölkerung geführt. Studien speziell zu Basisstationen gibt es keine. Im deutschen Teil der „Interphone“-Studie wurde das Gehirntumorrisiko im Zusammenhang mit von Schnurlostelefon-Basisstationen untersucht. Zudem gibt es einige wenige Inzidenz- und Mortalitätsstudien, in denen die Erkrankungsraten im Umkreis von Sendeanlagen von Rundfunk und Fernsehen ermittelt wurden. Auch wenn diese Studien teilweise erhöhte Risiken für Leukämieerkrankungen ergaben, sind sie auf Grund von methodischen Limitierungen von begrenzter Aussagekraft.

Ein spezielles Thema ergibt sich aus der Mobilfunktelefon-Nutzung von Kindern, bei denen über eine mögliche höhere Sensitivität oder anderes Absorptionsverhalten der Mobilfunkfelder als bei Erwachsenen diskutiert wird.

Die Aussagekraft der bisherigen Studien ist nicht ausreichend, um das Risiko bei Langzeitanwendern mit sehr häufigem Mobilfunktelefon-Gebrauch und potenziell langen Latenzzeiten zwischen Exposition und Erkrankung abschließend beurteilen zu können. Zusammengefasst zeigen die Studien bisher aber keinen Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen Mobilfunktelefon-Nutzung und dem Gehirntumorrisiko und lassen bereits jetzt auf Basis der wenigen Langzeitanwender vermuten, dass zumindest eine deutliche Risikoerhöhung nicht zu erwarten ist. Eine bessere Bewertung wird nach Abschluss der „Interphone-Studie“ erwartet, es ist aber nicht auszuschließen, dass viele Fragen offen bleiben. In der „Research Agenda“ der WHO von 2006 wird eine hohe Priorität auf die Durchführung einer prospektive Kohortenstudie unter Mobilfunknutzern sowie zu einer Gehirntumorstudie bei Kindern gelegt.