gms | German Medical Science

50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds)
12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie (dae)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie
Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie

12. bis 15.09.2005, Freiburg im Breisgau

Multifaktorielle Bestimmung der Risikofaktoren für Dekubitalgeschwüre

Meeting Abstract

  • Michael Nonnemacher - Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Universitätsklinikum Essen, Essen
  • M. Neuhäuser - Essen
  • G. Bartoszek - Essen
  • B. Lottko - Essen
  • I. Maier - Essen
  • J. Stausberg - Essen

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. 50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. Freiburg im Breisgau, 12.-15.09.2005. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2005. Doc05gmds165

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2005/05gmds293.shtml

Veröffentlicht: 8. September 2005

© 2005 Nonnemacher et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung

Dekubitalgeschwüre und ihre Prophylaxe sind ein wichtiges Dauerthema in der Pflege. Dies zeigt sich auch in der großen Menge internationaler Literatur, die jährlich zum Dekubitus veröffentlicht wird. Weltweit sind viele Risikoskalen zur Einschätzung des Dekubitusrisikos entwickelt worden (z. B. nach Norton, Braden, Waterlow), so auch am Universitätsklinikum Essen (Essener Dekubitus-Score) [1]. Hier soll nun die Frage untersucht werden, welche Kombination von Risikofaktoren die beste Vorhersage für das Auftreten von Dekubitalgeschwüren erlaubt.

Material und Methoden

Die Untersuchung basiert auf Daten aus dem interdisziplinären Dekubitusprojekt am Universitätsklinikum Essen [2]. Es werden Behandlungsfälle betrachtet, die ab dem 01.04.2003 stationär aufgenommen und bis einschließlich 31.03.2004 entlassen worden sind. Bei der Aufnahme eines Patienten wurden durch die Pflegekräfte das Vorhandensein eines Dekubitus und das Vorliegen der Risikofaktoren routinemäßig rechnergestützt dokumentiert. Bei Kurzliegern (Aufenthaltsdauer von einem Tag) war eine Erfassung der Risikofaktoren nicht vorgesehen, fand aber in manchen Fällen trotzdem statt. Diese Fälle wurden in die Auswertungen eingeschlossen.

Die Risikofaktoren umfassen neben einer 5-stufigen Mobilitätsskala 29 bzw. 30 weitere Risikofaktoren, die für Erwachsene bzw. Kinder zu erfassen waren. Hierbei werden 14 spezielle und 16 bzw. 17 allgemeine Risikofaktoren unterschieden.

Die Datenhaltung erfolgte in Microsoft Access 2000. Datenaufbereitung und statistische Analysen wurden mit SAS für Windows, Release 8.02, durchgeführt. Als statistisches Verfahren zur Bestimmung der Risikofaktoren, die für das Auftreten eines Dekubitus relevant sind, wurde die logistische Regression eingesetzt. Für die Analyse nominaler Daten wurde zusätzlich der Chi-Quadrat-Test verwendet.

Ergebnisse

Die Auswertung umfasst 49.904 Behandlungsfälle aus dem Zeitraum 01.04.2003 bis 31.03.2004. Diese setzen sich zusammen aus 37.972 Fällen (76 %) mit einer Aufenthaltsdauer von mehr als einem Tag und 11.932 Kurzliegern (24 %). Bei 30.834 Fällen mit einer Aufenthaltsdauer von mehr als einem Tag sowie bei 3.404 Fällen mit dem Status Kurzlieger wurden Angaben zu mindestens einem Risikofaktor erfasst.

Somit liegen in insgesamt 34.238 Fällen (69 % von 49.904) Angaben zu mindestens einem Risikofaktor vor. Bei diesen Patienten wurden in 625 Fällen (1,8 % von 34.238) Dekubitalgeschwüre bei Aufnahme oder im Verlauf des Aufenthaltes dokumentiert. Die Patienten mit Dekubitus sind älter (57,9 ± 23,1 vs. 47,7 ± 23,2 Jahre, p-Wert < 0,0001) und weisen mehr Risikofaktoren auf (9,7 ± 5,2 vs. 3,0 ± 2,8 Faktoren, p-Wert < 0,0001) als Patienten ohne Dekubitus.

Folgende für das Auftreten eines Dekubitus relevante Risikofaktoren wurden durch die statistische Analyse identifiziert:

  • Eingeschränkte Mobilität/Aktivität
  • Vorliegen einer malignen Tumorerkrankung
  • Auftreten von Schmerzen
  • Mangelhafte Flüssigkeitszufuhr
  • Mangelhafte Ernährung
  • Verabreichung stark sedierender Medikamente
  • Sensibilitätsstörungen des Schmerzempfindens
  • Arterielle Verschlusskrankheit (AVK) der Bauch-Beckenarterien
  • Probleme der Haut an den dekubitusgefährdeten Stellen
  • Früheres Auftreten eines Dekubitus
  • Allgemeine Probleme mit der Haut
  • Reibung/Scherkräfte

Weitere Analyseergebnisse werden auf der Tagung vorgestellt.

Diskussion

Die hier gefundenen Risikofaktoren gehören zu den in der Literatur häufig genannten. Die Aussagen in der Literatur bezüglich Risikofaktoren für das Auftreten eines Dekubitus sind jedoch heterogen und teilweise widersprüchlich. So wurden bei einem Literatur-Review [3] in 100 zufällig ausgewählten Quellen ungefähr 100 verschiedene Risikofaktoren gefunden, die je nach betrachteter Population (z. B. Patienten ≥ 65 Jahre in einem Pflegeheim, Patienten auf der Intensivstation, Patienten mit Rückenmarksverletzungen, Komapatienten) in unterschiedlichen Kombinationen als Risikofaktoren für das Auftreten eines Dekubitus erscheinen.

Die geringe Inzidenzrate von Dekubitalgeschwüren in den vorliegenden Daten (1,8 %) kann darin begründet liegen, dass es sich um ein Akutkrankenhaus der Maximalversorgung handelt, in dem Patienten mit einem hohen Dekubitusrisiko nur gering präsent sind. Des weiteren führt die Anwendung prophylaktischer Maßnahmen (z.B. Lagerung des Patienten auf speziellen Matratzen) bei als gefährdet eingestuften Patienten möglicherweise zu einer Verhinderung oder Verzögerung des Auftretens eines Dekubitus.

Aus der vorgenommenen Analyse lässt sich nun ein Bewertungsinstrument zum zielgerichteten Einsatz von Maßnahmen der Dekubitusprophylaxe ableiten.

Danksagung

Die Daten wurden von Pflegekräften am Universitätsklinikum Essen im Rahmen des interdisziplinären Dekubitusprojektes erfasst. Am interdisziplinären Dekubitusprojekt sind Pflege, ärztlicher Dienst, Zentrale Informationstechnik und Medizinische Informatik beteiligt. Eine ausführliche Darstellung des Projekts und seiner Teilaspekte findet sich in Heft 4/04 der Zeitschrift für Wundheilung.


Literatur

1.
Lottko B, Bartoszek G, Maier I, Stausberg J, Dahlmann C. Der Essener Dekubitus-Score - ein Einschätzungsinstrument zur Dekubitusgefährdung. Zeitschrift für Wundheilung 2004; 4: 180-2.
2.
Niebel W, Henning M, Kröger K, Stausberg J, Schneider H, Hawig I, Lottko B, Dahlmann C, Weiß H, Bromen K, Maier I. Prävention und Behandlungsoptimierung von Patienten mit Dekubitus. Zeitschrift für Wundheilung 2004; 4: 182-4.
3.
Gosnell DJ. Pressure sore risk assessment. Part II. Analysis of risk factors. Decubitus. 1989, 2:40-3.