gms | German Medical Science

50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds)
12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie (dae)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie
Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie

12. bis 15.09.2005, Freiburg im Breisgau

Zusammenhang zwischen Bioaerosolen aus Ställen und asthmatischen und allergischen Symptomen bei Kindern

Meeting Abstract

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  • Michael Hoopmann - Niedersächsisches Landesgesundheitsamt (NLGA), Hannover
  • Oliver Hehl - Niedersächsisches Landesgesundheitsamt (NLGA), Hannover
  • Thoma Werfel - Klinik fürDermatoplogie und Venerologie der Medizinischen Hochschule Hannover, Hannover

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. 50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. Freiburg im Breisgau, 12.-15.09.2005. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2005. Doc05gmds047

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2005/05gmds238.shtml

Veröffentlicht: 8. September 2005

© 2005 Hoopmann et al.
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Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung

Während arbeitsmedizinisch bekannt ist, dass die in Intensivtierstallungen auftretenden Bioaerosole zu Atemwegs- und allergischen Erkrankungen bei Stallarbeitern führen können [1], ist wenig über gesundheitliche Auswirkungen auf die Nachbarschaft bekannt. Neben einer öffentlich befürchteten Zunahme von Atemwegserkrankungen und Allergien bei Kindern wird auch wissenschaftlich diskutiert, dass ein früher kindlicher Kontakt mit Nutztieren, beziehungsweise mit mikrobiellen Substanzen - insbesondere Endotoxinen -, die mit diesem Tierkontakt einhergehen, gegen die Ausbildung bestimmter Allergien sogar schützen könnte [2]. Im Projekt „Atemwegserkrankungen und Allergien bei Einschulungskindern in einer ländlichen Region“ (AABEL) sind im Rahmen der Schuleingangsuntersuchungen 2001 in einer landwirtschaftlich intensiv genutzten Region Niedersachsens Eltern zu Atemwegssymptomen und Atopien ihrer Kinder befragt worden.

Methoden und Untersuchungsumfang

Dabei kamen standardisierte Fragebogenmodule [aus ISAAC-Studien] zum Einsatz. Als Neurodermitisindikator wurden die Kriterien von Williams benutzt, dazu wurden die Kinder ergänzend auf Beugenekzeme untersucht. Bei einem Teil der Kinder wurde zudem der SX1-Test (Pharmcia) als in vitro Screeningtest auf inhalative IgE mediierte Sensibilisierungen aus Kapillarblut durchgeführt.

Als Maß für die Exposition eines Probanden wurde die Bioaerosol-Immission (Staub, Keime, Pilze, Endotoxin) in der Außenluft an der jeweiligen Wohnung gewählt, die ausschließlich durch die Emissionen der benachbarten Tierställe bedingt ist. Die Exposition wurde für jeden Probanden individuell aus den Emissionen der umliegenden Ställe mittels Ausbreitungsrechnung (Langrange’sches Partikelmodell LASAT) bestimmt.

Für die verschiedenen Beschwerdebilder wurden a priori Leitindikatoren als Zielgrößen festgelegt, für die der Einfluss der Exposition modelliert wurde. Dabei wurden sowohl monotone wie nicht-monotone Zusammenhänge zwischen der Exposition und den Zielgrößen im Rahmen multivariater logistischer Regressionsmodelle angepasst, wobei im folgenden exemplarisch die Ergebnisse mit dem logarithmiertem Endotoxin als stetig modellierte Einflussgröße dargestellt sind. In den Modellen wurde eine atopische Erkrankung der Eltern als potentieller Effektmodifizierer und nicht als Confounder behandelt.

Insgesamt liegen 7943 Fragebögen (> 85% Rücklauf), sowie 5136 Haut- und 1552 SX1-Befunde vor; für die Auswertungen der Hauptfragestellung wurden nur die Angaben zu Kindern mit mindestens einem deutschen Elternteil, die zudem mindestens seit zwei Jahren in der aktuellen Wohnung leben, berücksichtigt. Aus inferenzstatistischen Gründen wurde von Geschwisterkindern jeweils nur eines für die Analysen ausgewählt.

Für die Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen der Exposition und den Leitindikatoren gibt, reduziert sich der Datenumfang: In rund ein Drittel der Fälle konnte die Exposition nicht abgeschätzt werden, da bspw. Tierstalldaten im Umkreis von 2 km um die Wohnung fehlten. In vorgeschalteten Analysen zur Datenqualität wurde ein mögliches Overreporting bei der Gruppe von Eltern aufgedeckt, die sich einerseits über landwirtschaftliche Gerüche beschweren, bei denen andererseits nach den Tierstalldaten keine größeren Ställe sich in unmittelbarer Nähe befinden [3]. Die Daten dieser Personengruppe wurden in den multivariaten Endmodellen nicht berücksichtigt, die letztlich auf n = 3867 Beobachtungen basieren.

Ergebnisse

Die Prävalenz sichtbarer Beugeekzeme bei Schulanfängern beträgt 5,5%, die von Sensibilisierungen gegen Inhalationsallergene 16,7%. Die Prävalenzen erfragter Symptome liegen im Bereich anderer Studien [4], bspw. für „Giemen letzte 12 Monate“ 15,9% bei Jungen und 12,9% bei Mädchen.

Allein bei Kindern atopischer Eltern ist für asthmatische Symptome eine Prävalenzerhöhung mit steigender Exposition zu erkennen: das multivariat kontrollierte Odds-Ratio pro Einheit logarithmiertes Endotoxin beträgt 1,15, p-Wert: 0,0156. Die Effektrichtung bestätigt sich für andere Asthmaindikatoren wie „Giemen“ oder „jemals ärztlich gestellte Asthmadiagnose“ (Abb. 1 [Abb. 1]), nicht jedoch, wenn anstelle der Endotoxinexposition subjektive Kriterien wie der erfragte Abstand zum nächsten Tierstall heran gezogen werden.

Auf der anderen Seite zeigt sich ein negativer Zusammenhang zwischen einer Sensibilisierung gegenüber Inhalationsallergenen und der Exposition oder auch einem Kontakt mit Stalltieren: Das Odds-Ratio für spezifisches IgE „≥35 kU/l“ beträgt pro logarithmierter Endotoxin-Einheit 0,84 [p-Wert: 0,038], die multivariat kontrollierten OR´s der mit der nachbarschaftlichen Endotoxinexposition deutlich assoziierten erfragten Größen „aktueller Kontakt mit Stalltieren“ bzw. „Kontakt mit Stalltiere in den ersten Lebensjahren“ betragen entsprechend 0,58 bzw. 0,6 [p-Werte 0,0114 bzw. 0,0243].

Diskussion

Die Hintergrundbelastung durch Bioaerosole aus anderen landwirtschaftlichen Quellen konnte in der Studie nicht berücksichtigt werden. Als Alternative zu den modellgestützten Expositionsabschätzungen sind über das ganze Jahr reichende kontinuierliche Messungen bei einer großen Anzahl von Kindern allerdings nicht realistisch.

Die in der Studie tendenziell aufgezeigten Effekte können nicht einem bestimmten Bioaerosol zugeordnet werden, da aufgrund der hohen Korrelationen der Bioaerosole nicht in der Wirkung zwischen den einzelnen Bioaerosolen differenziert werden kann. Es erscheint aber durchaus plausibel, dass verfrachtete Keime, Endotoxine oder auch Staubpartikel unterschiedliche Wirkungen hervorrufen können, gerade was die respiratorischen Erkrankungen anbelangt.

Bei den respiratorischen Symptomen erwies sich die Modellierung der elterlichen Atopie als Effektmodifizier und nicht allein als möglicher Confounder für die Identifikation schwacher Effekte als entscheidend, zumal Wechselwirkungen zwischen möglichen Risikofaktoren und der elterlichen Atopie möglich sind.

Die Ergebnisse bei den Sensibilisierungen stimmen mit Ergebnissen anderer Studien [2] überein. Der Hinweis auf ein Zusammenwirken einer Prädisposition und der Exposition in Richtung einer vermehrten Asthmasymptomatik müsste hingegen weiter überprüft werden.


Literatur

1.
Radon K, Nowak D. Atemwegs- und Lungenerkrankungen in der Europäischen Landwirtschaft - Teil 1: Literaturübersicht. Pneumologie 2003; 57: 444-448
2.
Braun-Fahrländer C, Riedler J, Herz U, Eder W, Waser M, Grize L, Maisch S, Carr D, Gerlach F, Bufe D, Lauener RP, Schierl R, Renz H, Nowak D, von Mutius E. Environmental exposure to endotoxin and it's relation to asthma in school-age children. N Engl J Med 2002; 347(12): 869-877
3.
Hoopmann M, Neisel F. Identification of an overreporting of allergic symptoms in relation to the distance to livestock production facilities. Biometrical Journal 2004; 46 (Suppl): 84
4.
Mommers M, Derkx R, Jongmans-Liedekerken A, Mertens P, Steup A, Weishoff-Houben M, Ziemer B, Dott W. Respiratory symptoms in children in the regions Heinsberg (Germany), Midden-Limburg and Westelijke Mijnstreek (The Netherlands). Volume 1 & 2. Institut für Hygiene und Umweltmedizin des Universitätsklinikums Aachen, 2000.