gms | German Medical Science

50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds)
12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie (dae)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie
Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie

12. bis 15.09.2005, Freiburg im Breisgau

Repräsentativität der KISS-Daten für deutsche Intensivstationen - statistische Aspekte

Meeting Abstract

  • Gerta Rücker - Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg
  • Rotraut Schoop - Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg
  • J Beyersmann - Freiburg
  • M Schumacher - Freiburg
  • I Zuschneid - Berlin

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. 50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. Freiburg im Breisgau, 12.-15.09.2005. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2005. Doc05gmds049

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2005/05gmds228.shtml

Veröffentlicht: 8. September 2005

© 2005 Rücker et al.
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Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung

Seit Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes werden die Daten des Krankenhaus-Infektions-Surveillance-Systems (KISS) [1] als Referenzdaten für die Beurteilung nosokomialer Infektionsraten auf deutschen Intensivstationen empfohlen. Die Validität dieser Daten wurde überprüft, die Repräsentativität wird in der derzeit laufenden SIR1-Studie des Infektions-epidemiologischen Netzwerkes SIR („Spread of nosocomial Infections and Resistant pathogens“) untersucht. Da die Teilnahme an KISS freiwillig ist, ist sowohl eine proportional überdurchschnittliche Teilnahme von Intensivstationen mit einem hohen hygienischen Niveau und dadurch bereits existierenden Hygienemanagementstrukturen denkbar, als auch eine verstärkte Teilnahme von Intensivstationen, die aufgrund häufiger Infektionen Interesse an einer systematischen Dokumentation haben. Somit ist zur Zeit unbekannt, in welchem Maße die KISS-Referenzdaten für Intensivstationen tatsächlich repräsentativ für die Situation in Deutschland sind.

In der im folgenden beschriebenen SIR1-Studie soll zum einen die Beurteilung der Repräsentativität der KISS-Daten für alle Intensivstationen in Deutschland vorgenommen werden, wie auch untersucht werden, ob ausgewählte Parameter zur Struktur- und Prozessqualität einen Einfluss auf die Höhe stationsbezogener nosokomialer Infektionsraten der Intensivstationen haben.

Material und Methoden

Stichprobe: Die Stichprobe besteht aus interdisziplinären Intensivstationen, die jeweils zwei Monate beobachtet wurden. Die Intensivstationen wurden mit Hilfe einer geschichteten Stichprobe ausgewählt [2], wobei mangels einer vollständigen Liste von Intensivstationen in Deutschland die Stichprobe auf Krankenhausebene gezogen wurde und die zugehörigen interdisziplinären Intensivstationen dann die Stichprobe bildeten. Die Auswahl wurde stratifiziert nach Grössenklasse und Region des zugehörigen Krankenhauses; dabei wurde die Verteilung der Intensivstationen auf die Krankenhäuser berücksichtigt. Für Kliniken, die ihre Teilnahme verweigerten, wurde in einigen Strata nachgezogen.

Erhebungsinstrumente und Untersuchungsparameter: Die Studie verwendet eine stationsbezogene Surveillance-Methode. Die für die späteren Berechnungen zur Häufigkeit nosokomialer Infektionen notwendigen Daten werden täglich stationsbezogen erfasst. Zusätzlich werden umfangreiche Struktur- und Prozessqualitätsdaten der einzelnen Intensivstationen erhoben, um Risikofaktoranalysen zu ermöglichen. Die Daten werden von entsprechend geschultem Krankenhauspersonal auf Bögen erfasst und anschließend intensiv auf Konsistenz und Plausibilität geprüft.

Analyse: Zur Analyse von Infektionsraten werden üblicherweise loglineare Modelle verwendet, die häufig als Annahme die Poisson-Verteilung der Anzahl der beobachteten Infektionen treffen. Die Tatsache, dass in diesem Fall aber jede Intensivstation einen Cluster bildet, da Ereignisse pro Intensivstation höchstwahrscheinlich abhängig sind, führt zu einer potentiellen Unterschätzung der Varianz (Overdispersion). Daher wird hier ein Ansatz gewählt, der diese Overdispersion berücksichtigt [3].

Zunächst werden aus den SIR und KISS-Daten die Inzidenzraten unter Berücksichtigung der Größenklassen geschätzt. Für die Beurteilung der Repräsentativität wird anschließend die Standardized Rate Ratio untersucht [4]. Abschließend wird der Einfluss ausgewählter Parameter auf die Inzidenzrate untersucht, wieder anhand des oben beschriebenen loglinearen Modelles.

Ergebnisse

Insgesamt 54 Intensivstation von gezogenen 151 Intensivstationen haben an der Studie teilgenommen. Dabei war die Responserate bei den kleineren und mittelgroßen Krankenhäusern (<200 Betten, 200-600 Betten) sehr gering bei 25% bzw. 36%. Die großen Häuser (>600 Betten) hatten eine Responserate von 75%. Die Analyse wird demzufolge wie oben beschrieben gewichtet nach Größenklasse ausgewertet. Im Frühjahr 2005 ist die Erhebungsphase fast abgeschlossen. Mit einer Auswertung wird bis Herbst 2005 gerechnet.

Da die im Rahmen der Studie erhobenen Daten jeweils nur für 2 Monate erhoben werden, wurde im Vorfeld untersucht, ob aus den KISS-Daten eventuelle temporale Trends feststellbar waren, die eine Adjustierung nach Saison der SIR-Daten notwendig machen würden. Derartige Trends konnten jedoch nicht festgestellt werden, die zeitliche Variabilität ist gegenüber der Variabilität zwischen den einzelnen Intensivstationen vernachlässigbar.

Diskussion

Die Teilnahmeverweigerung insbesondere von kleineren Häusern erfordert eine Adjustierung nach Größenklasse. Durch die sehr niedrige Responserate bei den kleineren Häusern besteht trotzdem die Gefahr eines Nonresponse-Bias [5], der durch den systematischen Ausfall von Daten im Gegensatz zum zufälligen Fehlen entsteht. Dies macht zusätzliche Sensitivitätsanalysen erforderlich.


Literatur

1.
Gastmeier P, Geffers C, Sohr D, Dettenkofer M, Daschner F, Rüden H. Five Years working with the German nosocomial infection surveillance system. Am J Infect Control 2003; 31:316-321
2.
Kreienbrock L. Einführung in die Stichprobenverfahren. München: Oldenbourg; 1989
3.
McCullagh P, Nelder JA. Generalized Linear Models; Second Edition. London: Chapman & Hall; 1989
4.
Flanders WD. Approximate Variance Formulas for Standardized Rate Ratios. J Chron Dis 1984; 37: 449-453
5.
Kreienbrock L, Schach S. Epidemiologische Methoden; 2. Auflage. Stuttgart: Gustav Fischer; 1997.